Redebedarf

ISSUN

~ Interview mit Tobias Schröder ~


Die Hannoveraner ISSUN veröffentlichten kürzlich ein äußerst interessantes Konzeptalbum, das mehr Beachtung verdient (Review siehe hier). Daher wollten wir auch etwas über die Hintergründe erfahren und sprachen mit Songschreiber, Keyboarder und Sänger Tobias Schröder. In medias res:

Wer oder was ist ISSUN, eine Figur, ein Fabelwesen, und wie lange existiert dieses?

Der Name Issun ist uralt und stammt aus einem japanischen Märchen namens Issun-Boshi. In diesem Märchen geht es um einen 3cm großen Samurai. Außerdem kommt der Name in einem alten Videospiel namens „Okami“ vor. Durch letzteres wurde ich auf den Namen aufmerksam. Genau übersetzt bedeutet Issun „1 Zoll“.

Welche Erfahrungen konntet Ihr vorab in anderen Formationen sammeln?

Die drei Instrumentalisten Simon (Schröder, Drums), Markus (Ottenberg, Gitarre) und Marc (Andrejkovits, Bass), sind sehr gefragte Sessionmusiker, haben schon unzählige Projekte bereichert und sind somit sehr erfahren in diesem Tätigkeitsfeld. Bei mir ist das ganz anders. Ich war bisher bloß in ein paar Bands und das auch nie für lange.

Erfahrungen habe ich aber dennoch gesammelt und versuche, in ISSUN viele Fehler nicht zu begehen, die ich früher in manchen Bands beobachten konnte. Wichtig ist, dass man weiß wofür man es tut und man nicht alles wegen Lappalien über den Haufen wirft.

 

 

Wie kam es zur derzeitigen Besetzung und weshalb musste die Gitarre extern eingespielt?

Nachdem ich das Album komponiert und die Demos aufgenommen hatte, fragte ich meinen Bruder Simon, ob er die Drums spielen würde. Und so nahmen wir die Drums schon mal im Studio auf. Unser Bassist Marc spielt in einer Band namens CRYPTEX und zu dieser Zeit war Simon ebenfalls Teil dieser Band. Marc hatte Bock, den Bass zu spielen und so legte er in zwei Tagen den Bass über die Drumspuren. Dass Martin Schnella ein extrem versierter und stilsicherer Gitarrist ist, war mir nicht entgangen und so überließ ich es ihm, den richtigen Gitarrensound für ISSUN zu finden und die Gitarren auf Session-Basis aufzunehmen. Als das Album dann bereits fertig war, lernte ich über Simon unseren jetzigen Gitarristen Markus kennen. Ich fragte ihn, ob er einsteigen möchte, und so trafen wir uns das erste mal komplett zum Videodreh unserer ersten Single ´Lost Generation´.

 

 

Wie seid Ihr auf Martin gestoßen?

Simon gab mir die Empfehlung und den Kontakt. Marc hatte zuvor mit Martin die Rhythmusgitarren für das CRYPTEX-Album ´Madeleine Effect´ aufgenommen und berichtete von einem sehr angenehmen Arbeitsklima. Das großartige Material, was er mit seiner Band FLAMING ROW produziert, war für mich ausschlaggebend, um zu wissen, dass Martin der richtige Engineer für uns ist.

 

 

Haben die Aufnahmen tatsächlich über zwei Jahre hinweg stattgefunden?

Wie schon gesagt, kam bei diesem Album langsam eins nach dem anderen. Ich schrieb das Album mit ein paar Pausen in etwa drei Monaten. Ich musste aber noch ein Budget ansparen, bevor die Aufnahmen losgehen konnten. Die Drums wurden in zwei Sessions aufgenommen, die etwa fünf Monate auseinander lagen. Alles andere passierte dann so nach und nach. Die Lyrics finalisierte ich erst, nachdem alle Instrumente im Kasten waren. Und die Effekte und Ambientsounds kamen tatsächlich ziemlich genau erst zwei Jahre nach Beginn der Aufnahmen in den Mix.

 

 

Euer Debüt hat melodische Elemente, ist aber dennoch dem Prog Rock und Metal zugewandt. Eine interessante Mischung!

Vielen Dank! Die gesamte Musik wurde am Piano komponiert. Jegliche Riffs und Rhythmen kommen als unterstützendes Arrangement hinzu. Unsere Musik ist also nicht wie bei den meisten Bands in diesem Sektor Riff-basiert, sondern dreht sich immer um ein Pianothema. Der Metal kommt dann zwischendurch mit der fetten Bratgitarre ins Spiel.

 

 

Habt Ihr eindeutige musikalische Vorbilder?

Natürlich. Für mich sind das zum einen schon immer GENESIS gewesen, vor allem was Pianothemen angeht. Alben wie ´Selling England By The Pound´ und Songs wie ´Mad Man Moon´ oder ´One For The Vine´ haben mich besonders geprägt, weshalb ich zum Songwriting auch das Piano als Melodieninstrument für mich entdeckt habe.

Zum anderen sind das Bands wie THE POLICE, TOTO, MR. MISTER, TALK TALK und Sänger Steve Perry etc… Ich bin ein riesiger 80s Fan und gerade was den Gesang angeht von dieser Ära stark beeinflusst.

 

 

Das Album ist ein Konzept. Horrorgeschichte oder Märchen?

Ich habe es als kleine Horrorgeschichte erdacht.

Erzähl doch mal etwas zur Intention hinter der Geschichte und deren Handlung an sich!

Es handelt von Rückzug und Flucht in die eigenen Träume und was passiert, wenn diese Träume aufgrund des angeschlagenen Gemütszustandes verzerrt und böse werden. Man erfährt nur vage, warum der Hauptcharakter sich zurückzieht, aber manches wird im Verlauf der Geschichte offen gelegt oder angedeutet.

Er hat Träume von einem grün leuchtenden Wald, in dem er von einer Schatten-artigen, weiblichen Kreatur verfolgt wird. Er identifiziert sie als Zerrbild einer Person, die ihm früher sehr viel bedeutet hat, genannt Jessica. Dieses Zerrbild jedoch, wie aus Teer und mit grell, grün leuchtenden Augen, ist ihm offensichtlich nicht wohlgesonnen. Je mehr er über die echte Jessica nachdenkt, desto stärker wird das grüne Leuchten, was dann wiederum die Zerrbild Jessica aggressiver macht.

Sehr bald ist er in einer Schlafparalyse gefangen und schafft es nicht, aus dieser zu erwachen, bis Jessica ihn schließlich kriegt und er verängstigt in seinem Bett aufwacht.

Eigentlich wird die Intention der Geschichte erst im abschließenden Song ´Even´ klar. Versuche nicht Leuten zu gefallen, die dich nicht mögen wollen. Sei lieber froh, dass sie dich nicht mögen, denn sonst müsstest du dir Sorgen machen. Etwas anarchisch, aber das Album hat sowieso einen leicht sarkastischen Unterton.

 

 

Geht die Idee auf eine literarische Vorlage zurück?

Nein, aber man könnte sagen, dass Filme wie „Jacobs Ladder“ oder Games wie „Silent Hill“ oder „Slender“ mich da beeinflusst haben.

Warum sind grausamerweise keine Texte bei der CD dabei? Ein grober Fehler.

Das finde ich persönlich auch sehr schade, war aber letzten Endes eine reine Kostenfrage, da es ja ein self-release ist. Ich hoffe, dass es in Zukunft noch eine Ausgabe mit Lyrics geben wird, vielleicht als Vinyl?

Ja, sehr gute Idee. Wieso ist der Wald eigentlich grün leuchtend? Ein letztes aufleuchten kurz vor dem Waldsterben?

Interessante Theorie 😀 , aber nein. Das grüne Leuchten ist nur die andersweltliche Reflektion von Jessicas Augenfarbe, welche dem Hauptcharakter im Unterbewusstsein heimsucht.

Wird es Live-Konzerte geben, an denen Ihr das Werk komplett aufführen werdet?

Davon kann man ausgehen. Wir müssen zwar damit rechnen, dass wir im Moment noch nicht genug Stagetime zur Verfügung haben, aber sobald wir mal 69 Minuten und 47 Sekunden zugestanden kriegen, würden wir nichts lieber tun als das 😉 .

Was sind Eure nächsten Ziele?

Im Moment ist der nächste Step, ´Dark Green Glow´ in einer coolen Form auf die Bühne zu bringen. Wir hoffen, dass das Album auch weiterhin gut ankommt und noch der ein oder andere auf uns aufmerksam wird. Aus ISSUN ist ja nun eine vollwertige Band geworden und wir sind motiviert, uns in der Szene einen Namen zu machen.

Viel Glück.

 

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