Livehaftig

STONED JESUS, SAMAVAYO

~ 9. Mai Lux – Hannover ~


Das zugegebenermaßen kleine LUX ist bereits gut gefüllt, als gegen 20 Uhr der Bassist der im Jahr 2000 in Berlin gegründeten SAMAVAYO die Bühne betritt und durch das Anschlagen der Saiten den noch vor der Tür weilenden signalisiert, dass es nun los geht. Kurz darauf entert auch der Schlagzeuger die kleine Bühne und greift den Rhythmus des Basses auf. Das Trio wird gleich danach vom gebürtigen Teheraner Behrang Alavi komplettiert, der sich die Gitarre umschnallt…und dann geht es richtig los!

 

 

SAMAVAYO spielen Stoner Rock mit psychedelischem Einschlag bei dem es rockt und grooved, dass es eine wahre Wonne ist. Ich hatte vor langer, langer Zeit durch Zufall die Gelegenheit einen Auftritt von SAMAVAYO miterleben zu dürfen, welcher mir sehr positiv im Gedächtnis geblieben ist.  (Ein kurzes Gespräch mit Behrang nach dem Gig enthüllte, dass dies 12 bis 13 Jahre her sein muss.) Nach ihrem zweiten Album, welches mir viel zu poppig (oder heißt das in diesem Fall alternativ?) war, habe ich die Band dann aber wieder aus den Augen verloren. Meine Einschätzung wird wohl auch von Behrang geteilt, denn er bemerkte mir gegenüber mit einem Lächeln im Gesicht, dass sie das Album ja auch nicht am Merchstand anbieten würden.

Nun sind SAMAVAYO aber wieder „Back to the Roots“ und mit einem neuen, in meinen Augen sehr starken Album namens ´Vatan´ im Gepäck, auf Tour. Obwohl seit dem Ausstieg des Gitarristen Marco Wirth nur noch mit einer Gitarre gearbeitet wird, vermisse ich diese in den nächsten  50 Minuten in keiner Weise. Die Musik kommt glasklar und druckvoll aus den Boxen (ein Lob an den Mann am Mischpult, der die Qualität den gesamten Abend hält) und die Musiker lassen auch keinen Zweifel darüber aufkommen, dass sie es ernst meinen.

Es ist ein Vergnügen den drei Musikern, neben Behrang noch laut diesem den „schönen Andreas“ am Bass und „das Tier Stephan“ am Schlagzeug, beide übrigens mit Nachnamen Voland, bei der Arbeit erleben zu dürfen. Insbesondere Stephan macht im Laufe des Gigs klar, dass er seinen Spitznamen zurecht trägt. Ein wahres Wunder, dass die Becken und Felle bei dem Trommelfeuer nicht zu Staub zerfallen. Aber auch Behrang trägt mit seiner klaren und melodischen Stimme, die er sehr variabel einzusetzen versteht, zum harmonischen Gesamtbild bei.

 

 

 

Eröffnet wird der Gig mit einem auf persisch gesungenen Song (ein weiterer sollte folgen), der gleich die gesamte musikalische Bandbreite der Band offenbart. Ich mag ganz besonders die Stücke in persischer Sprache, eigentlich handelt es sich ja um vertonte Gedichte, da sich diese Sprache sowohl für ein liebevolles Flüstern, als auch für aggressives Brüllen eignet, also genau die Bandbreite ermöglicht, die ein guter Stonerrock-Song benötigt. Im folgenden wird das gesamte Spektrum ihres Könnens offenbart und ein Gewitter basslastiger treibender Riffs bricht über das LUX herein. Zum Abschluss wird noch unter lautem Jubel ´Keep On Rollin’´ vom ersten Album angekündigt und die Menge von Behrang zum Mitsingen animiert, was nach ein bis zwei Versuchen auch ganz ordentlich funktioniert.

´Get down with heroin, come clean with gasoline´

(Ich sollte die LP und CD, die ich damals bei meinem ersten Konzert von SAMAVAYO erstanden habe, wirklich mal wieder aus dem Regal ziehen!)

 

Auch mit SAMAVAYO als einziger Band, wäre ich an diesem Abend, bei dann natürlich längerer Spieldauer, hoch zufrieden gewesen. Als Dank für den schönen Gig nehme ich der Band nach ihrem Auftritt noch je ein Exemplar ihrer mitgebrachten Vinylschätze und ein Shirt ab. Mehr kann man als zufriedener Konzertgänger nun wirklich nicht tun, oder?

(Gerechterweise habe ich auch STONED JESUS nach ihrem Auftritt ihr neuestes Werk abgenommen. Die anderen Werke besitze ich Gott sei Dank bereits, denn mehr Vinyl hatten sie nicht dabei.)

Nach kurzem Umbau entern die 2009 in Kiew gegründeten STONED JESUS die Bühne und stehen erst einmal etwas ratlos da, weil der Mann am Mischpult nicht daran denkt die Pausenmusik auszublenden. Dieser Umstand wird von Sänger und Mastermind Igor Sydorenko kurz mit den Worten quittiert, dass es ja auch ein schöner Song sei…

 

Anders als SAMAVAYO waren STONED JESUS in letzter Zeit häufiger Gast in der Landeshauptstadt, was ich bereits 2016 im Rahmen des ´Up In Smoke´- Festivals und 2017 im Paket mit BEASTMAKER genutzt hatte um einem ihrer Auftritte beizuwohnen. Wie auch damals, so habe ich es auch dieses Mal, soviel kann ich vorweg nehmen, nicht bereut.

 

STONED JESUS haben viel mit SAMAVAYO gemeinsam. Beide sind ein Trio mit einem singenden Gitarristen, beide spielen Stoner-Rock und beide sind mit einem neuen Album, im Fall von STONED JESUS mit Namen ´Pilgrims´, angereist. Im Unterschied zu SAMAVAYO lassen STONED JESUS aber auch doomige Riffs und epische Passagen in ihre Lieder einfließen. Letzteres insbesondere im vom Publikum bejubelten ´I’m The Mountain´ von ihrem zweiten Album ´Seven Thunders Roar´ aus dem Jahr 2012, welches den regulären Set abschließt. Die Lacher des Publikums sind auf Igors Seite, als er dieses Stück mit den Worten ´Ich bin ein Berg´ intoniert. Das soll aber nicht heißen, dass STONED JESUS nicht auch „schnell“ kann, was sie unter anderem auch mit dem speedigen ´Here Come The Robots´ vom 2015er ´The Harvest´ als letzte Zugabe unter Beweis stellen. Bei diesem Stück gibt das Publikum noch einmal alles und es bildet sich in den ersten Reihen sogar ein Mosh-Pit. Aber auch schon vorher hatten einige Besucher in der ersten Reihe ihre Mähnen mächtig kreisen lassen.

 

Abgesehen von ´Black Woods´ von ihrem ersten Album ´First Communion´ aus 2010 kommen ansonsten, soweit ich das beurteilen kann, nur noch Stücke des letzten Albums vom September letzten Jahres zum Vortrage. Das fällt aber auch nicht weiter ins Gewicht, denn diese Stücke passen bestens in den heutigen Abend und alle haben mächtig Spaß. Insbesondere auch die Band, allen voran der charismatische Igor, der sich zu Beginn der vierten Woche ihrer Tournee auch durch eine gerissene Gitarrensaite nicht aus der Ruhe bringen lässt. Wo andere erst einmal eine neue Saite aufgezogen und mit irgendwelchen Geschichten die Zeit überbrückt hätten,  schnappt sich Igor mit den Worten „Cheers to the guys from SAMAVAYO…we’ll see how this one works“ die an der Wand stehende „Les Paul“ von Behrang Alavi, stöpselt diese ein und macht gleich weiter, als wäre nichts gewesen.

Igor, das einzige verbliebene Gründungsmitglied, ist für die allermeisten Texte und den größten Teil der Musikkompositionen zuständig und stellt auch mit seinem gewaltigen Organ das Aushängeschild der Band dar. Mit letzterem kann er sowohl in den ruhigen Parts leise säuseln, als auch bei den wuchtigen Groovemonstern ins Mikro röhren. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Igor seit 2017 von Dmytro Zinchenko am Schlagzeug und seit 2011 von Sergey Olegovich (auf der ´Pilgrims steht der Name ´Sergii Sliusar´) am Bass begleitet wird.

Fazit: Es hat allen anwesenden, inklusive der Bands, mächtig viel Spaß gemacht. (Igor hat nach dem Gig sogar sein rotes TRUCKFIGHTERS-Shirt ausgezogen und einem Fan geschenkt.)

Beide Bands haben es zumeist richtig krachen lassen und wuchtige Riffs wurden einem derart um die Ohren gehauen, dass einem schon fast Hören und Sehen (nein, nicht wirklich) verging. Aber auch besinnlich, psychedelische Passagen kamen nicht zu kurz. Beide Bands verfügen über charismatische Sänger, gute Musiker und mitreißende Kompositionen und beide Bands schaffen es, den Spaß, den sie auf der Bühne beim Ausführen ihrer Lieblingsbeschäftigung verspüren, auf die Zuschauer zu übertragen. Ich glaube sehr wohl, dass laut Behrang Alavi sich im gemeinsamen Tourbus nicht nur „die Gerüche verdoppeln“ sondern auch „eine Menge skurrile Gespräche geführt werden“. Ich werde den Bands auf jeden Fall bei nächster Gelegenheit wieder beiwohnen und kann dies auch jedem anderen Liebhaber dieser Musikrichtung nur wärmstens ans Herz legen.