~ 2019 (Ván Records) – Stil: Psychedelic Rock ~
Melasse (engl. Molasses) ist ein zäher dunkelbrauner Sirup, der bei der Zuckerherstellung anfällt, ab sofort jedoch auch das neue Suchtmittel all derjenigen, für die Musik an erster Stelle ein Gefäß für Emotionen ist, eine Möglichkeit, diese auszudrücken, darin einzutauchen und sie dadurch gleichermassen zu verwandeln, seien sie auch noch so belastend, grauenvoll oder, im anderen Extrem, lustvoll bis ekstatisch. Wenn dazu noch eine mitreissende, sich ständig weiter steigernde Energie kommt und wir uns im Bereich von doomig-psychedelischen Klängen bewegen, liegt der Gedanke an EINE Band ganz nahe, die wie keine andere in den letzten Jahren ihre Fans in einen unauflösbaren Bann gezogen hat, bis sie ganz plötzlich und auf der oft verklärten Höhe des Erfolgs einfach von der Bildfläche verschwand.
Als sich THE DEVIL’S BLOOD Anfang 2013 überraschend auflösten, fanden sich alle beteiligten Musiker nach kurzer Zeit in anderen Bands wie DEATH ALLEY, DOOL oder GOLD wieder, mit einer Ausnahme, der Ausnahmesängerin Farida. Sie wirkte zwar an einzelnen Projekten ehemaliger Mitstreiter mit, eine eigene neue Band enstand jedoch nicht. Schon immer sehr eng mit der Arbeit ihres Bruders Selim verbunden, war Farida auf seiner letzten veröffentlichten Komposition namens ´Molasses´ auf seinem Soloalbum ´Earth Air Spirit Water Fire´, firmierend unter SELIM LEMOUCHI & HIS ENEMIES, zu hören; und im Bezug darauf hat sie auch den Namen ihrer neuen Band gewählt: „The whole idea of molasses is that it’s letting go, but real slow and it always keeps sticking a little bit. You never can really let go. You have to embrace it, and you have to stop and think with it. But you can still move on.” (Interview mit Decibel Magazine, Nov 2018)
Doch diese neue Band kommt nicht aus dem Nichts, denn weder die Kontakte untereinander und noch weniger die untrennbare Verbundenheit der überlebenden TDB-Mitglieder standen jemals infrage. Trotzdem verdanken MOLASSES ihre Existenz der Initiative des künstlerischen Roadburn-Direktors Walter Hoeijmakers, der mit allen Musikern von TDB seit langem eng befreundet ist, fanden doch bei „seinem“ Festival sowohl der allererste wie auch nach Selims Tod der letzte gemeinsame Auftritt von Farida und Oeds Beydals, Job van de Zande und Ron van Herpen statt. All diese Musiker nach ausreichend Zeit der Trauer, Besinnung und Weiterentwicklung wieder zusammenzubringen, und mit Marcel van de Vondervoort von ASTROSONIQ, ebenfalls Roadburn-Veteranen, zu ergänzen, dies war seine Mission, die mithilfe der finanziellen Unterstützung der Stadt Tilburg und Brabant C im April 2019 Wirklichkeit werden sollte. Im Frühjahr 2018 begannen die ersten Vorbereitungen für MOLASSES, so wurden ausserdem noch Bob Hogenelst (BIRTH OF JOY) and Matthijs Stronks (DONNERWETTER) in die Band geholt, und der Strom der Inspiration begann zu fließen, was in vielen ganz neuartigen Kompositionen mündete.
Denn keiner sollte hier TDB-Remineszenzen erwarten – MOLASSES erwächst auf einem Boden, der getränkt ist mit der Asche und damit vor allem auch der schier unendlichen Energie von Selims grosser ehemaliger Band, aber daraus erwächst etwas völlig und einzigartig anderes. Wer das Glück hatte, den absolut sensationellen und im Wortsinn überwältigenden ersten Auftritt von MOLASSES beim diesjährigen Roadburn zu erleben, weiß, dass es noch wesentlich mehr Material gibt als diese beiden ersten nun bei Ván Records veröffentlichten Stücke, die sich doch mehr auf die gemeinsame musikalische Vergangenheit beziehen als vieles andere, was es da noch zu hören gab. Es war sehr deutlich festzustellen, dass alle Bandmitglieder reifer geworden sind, es ist eine „erwachsenere“ Musik entstanden, die sehr frei ist und viel exploriert, sich ausprobiert, neue Klangräume erschliesst – eben einfach loslässt. Völlig entspannt, jazzig improvisierend, treibend, spielend, tief im Sound der 70er verwurzelt, selbstbewusst und doch immer auf das grosse Ganze gerichtet, und vor allem überstrahlt von Faridas kraft- und seelenvoller Stimme, die dieser Musik eine Wärme gibt, auf der in riesigen Lettern TROST prangt, passen MOLASSES perfekt als Gegengewicht in unsere immer kältere und hektischere Zeit. Bleibt nur zu hoffen, dass all dieses Material hoffentlich in nächster Zukunft auf einer umfassenderen Platte zu finden sein wird. Bis dahin bleiben ‘Drops Of Sunlight’ wie ´Mourning Haze´ unser Seelenbalsam:
„It reaches out to neverending times
Eats itself to be born again
There is just space but it holds the lines
For an ever growing love and deep affection
To rise and rise and rise and rise…“
(9 Leben)
Ebenfalls lesenswert:
