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VIUDA NEGRA – Al Final/In The End

~ 2019 (Fighter Records) – Stil: Heavy Metal ~


Wenn eine Band nach 37 Jahren ihr Debütalbum auf den Markt wirft, dann ist das zunächst durchaus bemerkenswert. Zur Herausforderung wird es, wenn die Band mit nur zwei Demos und einer Single (siehe Sampler ´Tormenta de Acero´) aus ihren Anfangsjahren einen gewissen Kultstatus in der Undergroundszene ihrer Heimat erreicht hat. Kritisch wird es, wenn ausgerechnet der Sänger das einzig neue Bandmitglied ist. Allerdings ist letzteres nicht so dramatisch wie es zunächst klingt, da VIUDA NEGRA (spanisch für „Schwarze Witwe“) ihre Sänger nie lange behalten haben und auf jeder der oben erwähnten Veröffentlichungen ein anderer zu hören ist. (Insgesamt hatten VIUDA NEGRA in den vier Jahren ihrer Existenz vier Sänger!)

Erschwerend kommt bei diesem Debüt aber hinzu, dass es sich zumeist (oder komplett?) um Neueinspielungen alter Songs aus unterschiedlichen musikalischen Schaffensphasen, eigentlich sogar unterschiedlicher Bands handelt. Vier der zwölf Titel (die ersten drei und das letzte) waren bereits auf den Demotapes von VIUDA NEGRA enthalten und andere…aber eins nach dem anderen…

Gegründet wurden VIUDA NEGRA 1982 in Tarragona, einer Stadt knapp 100 km südlich von Barcelona. Die Band spielte den klassischen Heavy Metal jener Zeit, welcher vor allem durch die Bands von der britischen Insel, die Ende der 70er und Anfang der 80er für Furore sorgten, also zuallererst JUDAS PRIEST und IRON MAIDEN, geprägt war. Aber bereits Ende 1986 vollzog die Band, wohl auf Drängen des Labels, eine stilistische  Metamorphose und benannte sich in DESIRE um. Fortan wurde dem melodischen Hard Rock gefrönt, wofür ein Gitarrist für einen Keyborder geopfert wurde. Diese Formation veröffentlichte 1989 ihr komplett auf englisch gesungenes Debüt über das legendäre Label ´Justine´. Ein zweites Album mit einem neuen Gitarristen und einem neuen…wir ahnen es bereits…Sänger, auf welchem sich die Band wieder leicht härteren Klängen zugewandt hatte, blieb allerdings unveröffentlicht, denn nur wenige Monate später im Jahr 1991 war es dann auch mit DESIRE endgültig vorbei.

Warum ich so intensiv auf DESIRE eingehe? Weil ein Teil der Songs auf ´Al Final´ von eben diesem unveröffentlichten Album stammt.

Um die Geschichte um VIUDA NEGRA abzuschließen, bleibt noch anzumerken, dass Juan José Martos (Sänger auf der Single) ab 2003 mit seiner Band DR. VIUDA NEGRA durch die Lande tingelte und deren Lieder vor dem Vergessen bewahrte, bis am 19. März 2018 ´Gadir Records´ (unter Mitbeteiligung von ´Leyenda Records´und ´Héroes de Culto´) eine Zusammenstellung (fast) aller je aufgenommen Stücke von VIUDA NEGRA unter dem Titel der bereits mehrfach angesprochenen Single ´Colgar Los Hábitos´ auf CD herausbrachte. Diese Zusammenstellung enthält nicht nur Bandfotos und Linernotes im Booklet, sondern auch remasterte Versionen aller 17 Demostücke von VIUDA NEGRA, an deren Neuabmischung auch die beiden Gründungsmitgliedern José Tomás und Javier Gómez beteiligt waren. Warum allerdings ausgerechnet die beiden Stücke der Single nicht enthalten sind, wird wohl auf ewig ein Geheimnis bleiben. Allerdings war die A-Seite der Single, wenn auch mit einem anderen Sänger, bereits der Opener auf dem ersten Demo und ist somit auch auf CD enthalten.

Diese Zusammenstellung war schnell vergriffen und der Verkaufserfolg motivierte drei der fünf Gründungsmitglieder dazu, sich wieder zusammenzuschließen und, was ja mittlerweile bereits Tradition in dieser Band ist, gemeinsam mit einem neuen Sänger den alten Geist wieder aufleben zu lassen. Am 2. April erschien nun ihr (nennen wir es trotzdem) Debüt via ´Fighter Records´.

Um es vorweg zu nehmen…sollte ich irgendwann mal das Verlangen verspüren VIUDA NEGRA auflegen zu müssen, dann wird sich in meinem CD-Player mit Sicherheit die Zusammenstellung aus 2018 wiederfinden, auf welcher die remasterten Versionen einen guten Sound aufweisen, die beiden Gitarren druckvoll agieren und ihr Zusammenspiel durchaus zu gefallen weiß. Zwar sind beileibe nicht alle Songs Highlights, aber immerhin strahlen sie den Charme einer jungen Band aus, die Anfang der 80er mit den wenigen ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen ihre ersten musikalische Schritte unternommen hat.

Der neuen Veröffentlichung geht dieser Charme naturgemäß vollständig ab, aber sie hat auch der Musik von VIUDA NEGRA keine neuen Facetten hinzuzufügen. Ganz im Gegenteil. Den regelmäßig ins quietschig, quäkige abdriftende Gesang von Damián Chicano, hauptberuflich Sänger bei den Bands CHICANOS und EVIL HUNTER, muß man schon mögen. Ich gehöre definitv nicht zu seinen Anhängern und ziehe jeden der vier alten Sänger von VIUDA NEGRA vor, auch wenn selbst diese manchmal etwas schräg und unbeholfen klingen. Ähnliches muss ich leider auch von den Chören sagen. Beim „Hu, Ha“ (oder so ähnlich) in ´Viviré´ bin ich fast vom Stuhl gefallen und das „Schuschu“ in ´Noche a Mil´ hat mich fast mein Bier gekostet. (Sind das die spanischen DSCHINGHIS KHAN? Die ersten Fetischisten werden bestimmt schon unruhig … Anm. d. Red.) Auch musikalisch können mich die Einspielungen des zumeist (vollständig?) recycelten Liedgutes nicht überzeugen. In meinen Ohren sind die meisten Stücke im besten Fall belanglos. Es ist schon bezeichnend, dass die vier Songs der beiden Demos aus den 80ern bei mir noch den besten Eindruck hinterlassen haben. Und dabei belasse ich es jetzt auch lieber…

Eher eine Randnotiz wert ist die Info, dass das Album als Doppel-CD erscheint, wobei die zweite CD nochmals alle Stücke, dieses Mal allerdings auf englisch eingesungen, enthält. Mir ist absolut schleierhaft, wer die Zielgruppe hierfür sein soll. Potentielle Käufer, die des Spanisch mächtig sind, wohl eher nicht ….und der Rest der Welt? Wenn überhaupt, dann riskieren bei solchen Bands wie VIUDA NEGRA zumeist nur eingefleischte und in der Welt des 80er Heavy Metal erfahrene Musikfans ein Ohr und meiner Erfahrung nach ziehen diese den Klang der Muttersprache des Sängers einem Vortrag mit deutlichem Akzent vor. Eine Ausnahme bildet hier sicherlich der Thrash (z.B. ANGELUS APATRIDA), wo man, egal in welcher Sprache, die Texte sowieso nicht versteht und auch ein eventuell vorhandener Akzent nicht weiter auffällt.

Eine Punktebewertung erspare ich mir an dieser Stelle ohne aber die Anmerkung mitzugeben, dass es sich bei diesem Output meiner Meinung nach wohl eher um etwas für eingefleischte Fans der Band oder eben für Allessammler handelt.