Livehaftig

TRIBULATION, GAAHLS WYRD, UADA, IDLE HANDS

~ Northern Ghosts Tour ~
~ 09.03.2019, Café Central, Weinheim ~


SOLD OUT!!!

So war schon seit geraumer Zeit zu lesen, und das war seit Ankündigung dieses sehr vielseitigen Co-Headlinerpackages auch jedem klar, der meinen kuscheligen Lieblingsclub kennt, doch der Veranstalter konnte zu diesem Termin leider keine grössere regionale Location finden. Und so begibt sich das Bangervolk in Erwartung der üblichen Saunabedingungen, doch natürlich voller Vorfreude und für einen Samstagabend unüblich früh nach Weinheim, ist doch schon kurz nach 19 Uhr der Opener terminiert.

Die jungen Durchstarter IDLE HANDS aus Portland, Oregon, übernehmen diesen Posten, den sie wohl weniger ihren TRIBULATION-esken Gothic Rock-Einflüssen zu verdanken haben als der Tatsache, dass der Special Guest UADA ebenfalls aus der Musikmetropole des Pacific North West kommt, und beim selben Label unterschrieben hat. Doch dass ihre famose Debüt-EP ‚Don’t Waste Your Time‘ zu begeistern weiss, zeigt sich schon daran, wie gut der Saal bereits jetzt gefüllt ist.

Ihr deutlich darkwavig SISTERS- oder HEROES-gefärbter, trotzdem klassisch marschierender Heavy Metal füllt tatsächlich eine Lücke in der aktuellen Musiklandschaft, und hat ganz offensichtlich bereits viele Freunde gefunden, der routinierte heutige Auftritt der Youngsters wird ihnen weitere bringen. Gerade Gabriels kühle, sehr Alternative-lastige Stimme hätte einen besseren Sound verdient, doch die Klasse des Quartetts ist auch so eindeutig festzustellen.

Als Vorgeschmack auf die im Mai erscheinende LP ‚Mana’ bringen sie ‚Give Me To The Night’, bevor sie mit dem Hit ‚By Way Of Kingdom’ enden. Die neue Scheibe werden sie nicht nur im Frühjahr europaweit präsentieren, sie sind auch beim KIT zu erleben, und ich überlasse hierzu unserem Chef die letzten Worte: „Wenn Heavy und Wave sich vereinen, sehen wir uns womöglich geschminkt in der zweiten Reihe in Lauda-Königshofen“.

 

Die extrem kurze Umbaupause führt danach jedoch dazu, dass ich mich nun schon mit einiger Mühe durch die Menge zwängen muss, die nun UADA erwartet, mehr als 5. oder 6. Reihe ist trotzdem nicht mehr drin. Jetzt übernimmt der Black Metal das Zepter an diesem sehr abwechslungsreichen Abend, die Kapuzenträger betreten unter Wolfsgeheul die wie immer im weissen Gegenlicht gehaltene Bühne. Und in dieser intimen Clubatmosphäre gelingt es mir zum ersten Mal, die mäandernden Gitarrenmelodien und Zwischentöne ihrer vielschichtigen, oftmals eher schwedisch als amerikanisch anmutenden Kompositionen auch live ganz deutlich herauszuhören – ein Riesenkompliment an den Mischer an diesem Abend für das perfekte Soundbild! Rasende Blastbeats wechseln sich ab mit stampfenden und atmosphärischen Passagen, die Dynamikwechsel und vielfältigen Details, aber vor allem die technischen Fertigkeiten der Musiker sind einfach unglaublich, wir werden hineingesogen in eine Welt hinter dem Vorhang des Alltäglichen und versinken im Strudel der Blutmondfinsternis und des ewigen Kreislaufs von Werden und Vergehen…

Auch bei UADA hört man immer wieder heraus, was alle Bands dieses Abends eint, nämlich die oft ganz klassisch im Heavy Metal wurzelnden langen Gitarrenläufe und (Twin-) Soli (‚Cult Of A Dying Sun’), und genauso deutlich wird, dass dies der Abend der herausragenden Sänger ist. Wie sich Jake Superchi scheinbar mühelos vom gänsehauterzeugenden Kehlkopfgesang über derbstes Fauchen und Brüllen hinaufschwingt bis zum wölfischen Heulen ist der reine Wahnsinn, er deckt wirklich alles ab, was man im extremen Metal singen kann. Dies wird uns vor allem in den beiden Mini-Hörspielen ‚Snakes & Vultures’ und ‚Black Autumn, White Spring’ (Ugh!) vor Ohr geführt, genauso wie die Tatsache, dass auch im Black Metal ein Bass richtig grooven kann, wenn die langen Rastalocken aus der Kapuze hervorlugen. Ein unglaublich intensiver Auftritt hinterlässt uns sprach- und kraftlos, noch gar nicht fähig zu verstehen, wessen wir gerade Zeuge geworden sind. Chapeau!

 

Dass der Großteil der Anwesenden heute jedoch wegen einem der sehr seltenen Gastspiele von GAAHLS WYRD hier ist, wird schon dadurch deutlich, wie viele sich nun in den kleinen Raum vor der Bühne zu drängen versuchen. Es ist jetzt gnadenlos voll. Wer zu spät kommt, hat nur noch die Chance, von weit hinten einen Blick auf den Ex-GORGOROTH-Schamanen zu werfen, und das bringt mir persönlich zu wenig, ich brauche den Sichtkontakt mit den Akteuren auf der Bühne, zugegebenermassen jetzt aber auch etwas Erholung von dem gerade erlebten Trip. Ausserdem ist der Volume-Regler nochmals um eine deutliche Nuance nach oben geschoben worden, und man kann sich nur ins Foyer vor den dröhnenden Vibrationen retten. Daher bekomme ich nun nur am Rande des wie ein Dampfbad ausdünstenden Bühnenraums etwas mit vom beschwörenden, doch recht monotonen Kehlkopfgesang des fast unbeweglichen, interessant bemalten Norwegers und seiner drauflosballernden Genossen.

Connaisseure werden später sagen: „Gaahl bewegt sich soviel, wie es jeder Ü50-Metaller tut, nämlich so gut wie gar nicht“ oder  „Okay, ein zweites Mal braucht man das nicht nicht unbedingt, da ist eben schon sehr viel Kult dabei“, doch sehr vielen scheint sein tribal-behafteter Zweite-Welle-Black Metal doch auch die weiteste Anreise wert gewesen zu sein, hört man doch diverse fremde Zungen im nun vielfach aufbrechenden Schwarzvolk.

 

Die Children of the Night wechseln nämlich für die letzten vier Termine der ‚Northern Ghosts Tour’ auf die Headlinerposition, und es kommt genau so wie wir gehofft haben, viele Schwarzträger machen sich auf den Heimweg und es gibt nun endlich wieder etwas Luft zum Atmen; trotzdem muss man sich die Front Row ganz schnell sichern, denn wer jetzt noch vor der Bühne steht, weiss ganz genau, warum.

Die grossen Räucherstäbchenhalter werden aufgestellt, es wird dunkel, doch was uns nun erwartet, konnte sich keiner erhoffen, geschweige denn an eine Steigerung an Intensität nach all diesen unglaublichen Vorgängern glauben. Aber eins nach dem anderen…

 

Sind TRIBULATION Lady Gaga-Fans, oder einfach nur genau wie sie solche von Édith Piaf? ‚La Vie en rose’ ertönt, und als erster betritt unter einem extrem langen Instrumentalintro der „neue“ Drummer Oscar Leander die kleine Bühne des Central. Einer nach dem anderen, mit Würde und Stolz, gesellen sich Adam, Johannes und Jonathan dazu, diese Band versteht es einfach zu posen, aber auf eine so authentische Art, dass sogar das exaltierteste Gehabe stimmig ins Gesamtkonzept passt. Und natürlich steht dabei nur eines im Vordergrund, diese einmalige Melange aus Death, Gothic & Horror, wie sie nur die Stockholmer zu servieren verstehen, gekrönt von einem kristallklaren Sound.

Wie immer so tight wie Jonathans Leggings aufeinander eingespielt, wird ein Feuerwerk aus allen drei letzten Langdrehern abgebrannt, natürlich mit deutlichem Schwerpunkt auf ‚Down Below’. Johannes singt, raspelt, röchelt und faucht sich absolut überzeugend durch eine gigantische Songauswahl, ‚Melancholia’, ‚The Lament’, das grandiose ‚The Motherhood Of God’, ‚Suspiria De Profundis’ von der so düster-kalten ‚Formulas Of Death‘, die mich vergessen lässt, dass mich die neuen Songs zuerst so gar nicht packen konnten; und auch Oscars Spiel ist deutlich weniger kalt als auf Konserve empfunden. Das Publikum ist genau wie die Band ständig in Bewegung, singt mit, tanzt, hat die Maloik-Hände vor den Gesichtern der Saitenhelden, die sich abwechselnd auf Podesten so nah an uns präsentieren und winden, dass man schon gut aufpassen muss, keinen Gitarrenhals ins Gesicht zu bekommen. Eine wahrlich publikumsnahe Band!

 

 

Allen voran natürlich Jonathan Hultén, bei dem man sich fragt, welche übernatürlichen Kräfte ihn dazu befähigen, die kompliziertesten Soli zu spielen und sich dabei tanzend so zu winden und schlangenartig zu verdrehen, wie er es hinter seinem schwarzen Spitzenschleier wirklich ununterbrochen tut. Er ist tatsächlich eins mit seiner wie er selbst mit Tüchern umwundenen Sheraton, und das Spiel hat schon sehr viel intimes, ja sexuelles, wenn er uns ganz nahe kommt, während er sich gleichzeitig komplett in der Musik verliert.

Und welche Death Metal-Band spielt schon regelmässig ein Instrumental live? Heute gehen sie mit ‚Ultra Silvam’ zurück nach 2013, um danach anzukündigen: „This is – ‚The World’!!!“ Johannes MakeUp besteht nur noch aus drei schwarzen Rinnsalen, die Luftfeuchte im Raum steht GAAHL mittlerweile in nichts mehr nach, das Publikum ist völlig begeistert, alle sind direkt vor der Bühne und tragen die unermüdliche Band auf einem High, das uns alle hier miteinander verbindet. Eine Stimmung, die so ganz anders ist als bei einem Black Metal-Konzert, es ist sehr interessant zu beobachten, wie unterschiedlich sich die Fans nun verhalten, auf andere Art und Weise aus sich herausgehen.

Mit ‚Strange Gateways Beckon’ und dem abschliessenden ‚Lacrimosa’ hat die Band schliesslich auch körperlich alles gegeben, verlässt ein ausgelaugtes und gleichzeitig euphorisches Publikum, bei dem sie sich am Ende auch entsprechend bedanken. Und beim anschliessenden Runterkühlen stellen wir einhellig fest – obwohl sehr früh im Jahr, war dies vermutlich DAS Konzert 2019!

 

Zusammenfassend kann ich nur feststellen, dass dieses so diverse Package für Extremmetaller, die sowohl Death als auch Black Metal goutieren, mehr als interessant war, da heute für jeglichen Geschmack absolute Klasse geboten wurde. Wie sagt Lieblingskollege Less immer so schön? Wer open-minded ist, der hatte heute besonders viel davon!

Wir sind in der Metropolregion Rhein-Neckar jedoch auch in der glücklichen Lage, ständig wirkliche top-notch-Konzerte geboten zu bekommen, während in anderen Regionen die Konzertlandschaft eher ausdünnt, und Besucher sehr weite Anfahrtswege auf sich nehmen müssen. Ein grosses Lob und bester Dank geht daher auch an unsere lokalen Veranstalter, die nicht müde werden, uns eine metallische Vielfalt zu bescheren, die sich nicht hinter Großstädten verstecken muss. Unser Dank sei euch gewiss!