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GUNSHIP – Dark All Day

~ 2018 (Horsie In The Hedge) – Stil: Synthwave Pop ~


Retro hier, Retro da – Retro über alles.

GUNSHIP haben viel Zeit benötigt, um ihrem Debüt einen Nachfolger an die Seite zu stellen. Der Retro- und Synthwave hat in diesen mehreren Dutzend Monaten viele Veränderungen gesehen. Doch Alex Westaway, Dan Haigh und Alex Gingell bringen sich mit ´Dark All Day´ umgehend wieder in Position. Klang der selbstbetitelte Vorgänger (siehe hier) noch wie der Versuch, durch übermäßigen Gesangseinsatz dem eigenen Synthwave zur Popularität zu verhelfen, ist ´Dark All Day´ – auf Vinyl – ein rundum stimmiges Doppel-Album geworden. Es klingt wie der perfekte Synthwave Pop-Soundtrack.

Überraschenderweise begehen GUNSHIP nicht den Fehler, mehr Eingängigkeit einzuflechten und den Pop-Faktor zu erhöhen. Die Kompositionen sind ausgetüftelte Schönheiten. Trotz tendenziell aktueller Bezüge tönt das Werk nicht nach zeitgemäßer Musik des Jahres 2018, gleichwohl ist der Synthpop der Achtzigerjahre dermaßen perfekt transformiert, dass Marty McFly 1985 nicht den Weg nach 1955 wählt, sondern nach 2015. Und die Musik von GUNSHIP schallt ihm als allererstes entgegen. Da ist es ein Leichtes, auf 2018 zu warten. Während die Umgebung im Chrom-verzierten Neonlicht erstrahlt, verschmelzen Vintage und Retro im Augenblick. Ob es eine imaginäre Vorstellung ist oder der Wirklichkeit entspricht, der Moment scheint zumindest perfekt.

Spielende Melodien, ein brummend düsterer Rhythmus: der digitale Eröffnungs-Donner von ´Woken Furies´ mutet an, der synthetisierte PRIEST´sche ´Turbo Lover´ zu sein. Der Titelsong ´Dark All Day´ durchbricht noch düsterer die Membranen. Gastsängerin Indiana setzt weibliche Grazie ins Soundbild, ehe das Comeback-Instrument des Jahres, das Saxofon, das Kräftemessen aufnimmt. Dank Tim Cappello spielt das Saxofon nicht nur in einem Solo-Abschnitt – eines der ganz großen Highlights.

Dann 1983 revisited: Cyndi Laupers ´Time After Time´ in der Synthesizer-Neufassung. Verblüffend gut. ´Rise The Midnight Girl´ wähnt sich im Movie und beginnt mit einer Textzeile aus „The Breakfast Club“. Einige eingestreute Sequenzen machen das Bild perfekt. Abgerundet wird es durch einen hymnischen Chorgesang. Auch ´The Drone Racing League´ lebt von der dröhnenden Grundstimmung und dem entgegen springenden, klaren Glanz. Die Hymne für die international agierende Drohnenrennliga?

Zur Abkühlung: ein melancholisch sanftes ´Rise The Midnight Girl´ aus dem Hinterhof, oder ´Black Blood Red Kiss´ mit Kat Von D. Der nächste perfekte Filmscore heißt ´Honour Among Thieves´ und setzt auf die Synth-Klänge eine Bass-Linie sowie kurz eine Flöte. Der relaxte Melodiebogen findet seinen Höhepunkt in den finalen Gitarrensoli. Den weiblichen Gesang übernimmt Una Healy, ebenso aus dem Hintergrund von ´Symmetrical´. Zur Hommage ´Art3mis & Parzival´ an Steven Spielbergs „Ready Player One“ singt Stella Le Page. Für die Crossover-Tanzfläche: ´Thrasher´, zwischen Distortion/Industrial im Weltall und Melodic-Hymne. Bestens an seiner Seite, im Kampf gegen die Maschinen, zeigt sich ´Cyber City´. Den Abschied läutet ´The Gates Of Disorder´ schwermütig ein.

´Dark All Day´ ist das Pop-Synthwave-Album des Jahres 2018 mit Gesang.

(8,5 Punkte)

https://gunshipmusic.bandcamp.com/album/dark-all-day