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MOTORPSYCHO – The Crucible

~ 2019 (Stickman Records) – Stil: Rock ~


Dieses Kollektiv ist allzeit im Aufnahmeprozess, wenn es nicht gerade auf den Bühnen dieser Welt seine Live-Qualitäten einem Füllhorn gleich ausschenkt. Während sich die aktuelle Veröffentlichung anbahnt, werkeln die Herrschaften bereits an der nächsten. ´The Crucible´ ist dabei das zweite Album mit Schlagzeuger Tomas Järmyr, der 2017 innerhalb von zwei Monaten in die Band kam und sogleich das Album ´The Tower´ (siehe hier) mit aufnahm. Es ist zwar keine direkte Fortsetzung, spinnt aber den angefangenen Faden ästhetisch weiter und nimmt den Spirit erneut auf. Das düstere Coverartwork „Egypts hær drukner“ ist abermals von Håkon Gullvåg und besitzt wieder den silbernen Rahmen.

Musikalisch wollten MOTORPSYCHO noch eigenwilliger und einzigartiger klingen. Dies ist Hans Magnus Ryan (Gitarren, Gesang), Bent Sæther (Bass, Gesang) und Tomas Järmyr gelungen. Aufgenommen im August 2018 in den Monnow Valley Studios in Wales, scheint der frühe Ehrgeiz der Formation neuerlich erwacht.

Obwohl MOTORPSYCHO schon immer zwischen den Stühlen der Musikkategorien saßen, machen sie es dem Hörer mit ´The Crucible´ nicht leichter. Es ist weniger stringent als sein Vorgänger, die großen Widerhaken bleiben außen vor. Die drei Kompositionen, neun- bis zwanzigminütige Happen, wühlen sich durch den Rock-Kosmos. Sie sind mehr Rock, aber zugleich ausufernder und weit weniger songdienlich ausgefallen als bei ´The Tower´. Wenngleich sie konzeptionell dem Progressive Rock-Format entsprechen, und dessen ungeachtet wiederholt so kategorisiert werden dürften, legen sie das Schildchen Prog teilweise ab.

´Psychotzar´ durchbricht die skandinavische, Mellotron geprägte Atmosphäre mit harten, psychedelischen Geschwadern. Erwartungsvolle Riff-Attacken werden von solistischen Einlagen entlohnt. Die Ausrufezeichen setzen jedoch die beiden folgenden Lieder, denn ´Lux Aeterna´ bittet nicht nur die zarten Triebe des Seventies-Prog herein, sondern lässt sie blühen und florieren. Eine brillante, Jazz-technische Krachorgie treibt das Spiel auf die Spitze. Das Großwerk, der Titelsong ´The Crucible´, spielt zu Beginn mit vordergründig schnörkellosen Gitarrenmotiven, die sich nach und nach einprägen. Anfangs in spürbarer Bass-Nähe zu RUSH, wandert die Komposition sodann durch den Widerstand bietenden Morast und zeigt sich mit Mellotron in seiner Schönheit. Ein pures LED ZEPPELIN-Break läutet die Schlussminuten ein. Zuvor, im nebligen Wald Norwegens, finden wundersame Begegnungen mit Einhörnern und Fabelwesen statt. Ob eine Relation zum ertrunkenen, ägyptischen Heer aus dem Artwork herzustellen ist, muss jeder selbst herausfinden.

(8,5 Punkte)

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