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KING WITCH – Under The Mountain

~ 2018 (Listenable Records) – Stil: Heavy Doom ~


Es kommt manchmal vor, dass eine Platte sehr lange bei mir rumliegt, bevor sie dann endlich auf meinem Plattenspieler landet. Meistens handelt es sich um ein Re-Release von etwas bekanntem und manchmal auch um etwas neues, was ich aber bereits irgendwo gehört habe. Aber manchmal, wenn auch selten, greife ich in den Stapel ungehörter Scheiben und frage mich, wie diese da rein gekommen ist. War es eine Empfehlung? Oder hatte ich etwas darüber gelesen? Oder…

Aber wenn mich die Platte gleich nach der ersten Minute umhaut, wie im vorliegenden Fall geschehen, dann ist das auch egal. Okay, man muss Heavy Doom und cleanen Frauengesang mögen. Also, alle, die sich einen Zwitter aus CHRISTIAN MISTRESS und CANDLEMASS nicht vorstellen können, oder es können, aber nicht mögen, die brauchen ab hier nicht weiterzulesen.

KING WITCH fanden sich 2015 in Edinburgh zusammen und nahmen bereits in diesem Jahr ihre erste EP mit drei Stücken auf. Vermutlich auf Grund mehrerer Umbesetzungen dauerte es dann aber doch weitere drei Jahre, bis sie schließlich im aktuellen Jahr 2018 ihren ersten Longplayer herausgebracht haben. Von der ursprünglichen Formation ist mittlerweile nur noch Sängerin Laura Donnelly und Gitarrist Jamie Gilchrist übrig geblieben. Die aktuelle Besetzung besteht zusätzlich aus Lyle Brown an den Drums, der bereits 2016 dazu stieß und Neuzugang Rory Lee, der die ´Königshexe´ seit diesem Jahr am Bass verstärkt.

Nun aber zur Musik.

Wie bereits angedeutet startet der Opener ´Beneath The Waves´ mit einem mächtigen Riff, bei welchem man sogleich niederkniet. Aber das reicht noch nicht, denn gleich danach erhebt sich Lauras gewaltige Stimme, die einem nun noch die Stirn auf den Boden drückt. Aus dieser Stellung schafft man es den ganzen Song über nicht mehr hoch. Hätte Herman Melville den Kampf mit der Naturgewalt und die Verzweiflung der Mannschaft vertonen wollen, dann wäre das hier der perfekte Soundtrack gewesen. Ach ja, der Song handelt vom weißen Wal ´Moby Dick´. Kaum ist das Stück zu Ende, will man sich erheben, wird aber vom (für Doom) Hochgeschwindigkeitsriff zu Beginn des nächsten Stückes ´Carnal Sacrifice´ wieder auf den Boden gedrückt…und gibt einfach auf!

Gott sei Dank beginnt das dritte Stück ´Solitary´ mit sphärischen Klängen, zu denen man erst mal tief Luft holen kann und verbleibt danach auf einem entspannenden Trip, bei welchem einem KING WITCH kurz erlauben seine Gedanken fliegen zu lassen – alles jedoch untermauert von einem mächtigen, sich in das Gehirn hämmernden Riff und der ergreifenden Stimme von Laura. Und schon geht die Achterbahn beim Titeltrack und letztem Stück auf der A-Seite weiter. Wieder wird Geschwindigkeit aufgenommen, das Schlagzeug treibt einen vor sich her und immer dieses göttliche Riffing. Ich sehe schon…ich wiederhole mich…

Die B-Seite beginnt in klassischer Doomgeschwindigkeit und erinnert zu Beginn stark an das Stück ´Black Sabbath´. Es verwundert somit nicht, dass ´Approaching The End´ die volle Bandbreite von Lauras Stimme zur Geltung bringt – Stimmgewalt eingepackt in sehr, sehr viel Gefühl. Und mittendrin ein dazu passendes Gitarrensolo. Erst gegen Ende nimmt auch dieses Stück Fahrt auf. Einfach traumhaft! Und mit viel Gefühl geht es weiter. Fast schon balladesk und mit Akustikgitarre kommt ´Ancients´ daher. Auch das Unterfangen gelingt perfekt.

Ich mache es jetzt kurz. Das bluesige ´Hunger´ leitet in gemäßigtem Tempo das letzte Drittel ein, bevor bei ´Possession´ die Geschwindigkeit dieses epischen Meisterwerks bis in Thrashmetal-Gefilde gesteigert wird (nicht lachen, hört Euch einfach mal das Schlagzeug an), um dann mit ´Black Dog Blues´, das Stück möchte ich fast mit „Technical-Doom-Thrash“ umschreiben (ich weiß, sehr gewagt), ein fulminantes Finale hinzulegen. Ein perfekter Spannungsbogen wird beim ersten Stück begonnen und im letzten geschlossen.

Wer mir bis hierher gefolgt ist, hat bestimmt gemerkt, dass ich von diesem äußerst abwechslungsreichem Werk, wohlgemerkt, wir sprechen von Doom (wenn auch Heavy Doom mit leichter Stoner-Schlagseite), absolut begeistert bin. Die Scheibe läuft dementsprechend derzeit pausenlos auf meinem Plattenteller. Und wäre Lauras Gesang nicht manchmal ein Tick zu viel Hall unterlegt, dann hätte es die Höchstnote geben können. Aber es muss ja schließlich auch eine Steigerung bei der nächsten Platte möglich sein.

Das schwere Vinyl gibt es in dunklem Blau und ist in einem Gatefold aus dicker Pappe samt Textbeileger eingepackt.

Die Franzosen von Listenable Records verstehen ihr Handwerk!

(9 Punkte)