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FIFTH ANGEL – The Third Secret

~ 2018 (Nuclear Blast) – Stil: Edel-Metal ~


Natürlich ist die neue FIFTH ANGEL ein lohnendes US-Metal-Album geworden. Kendall Bechtel und seine Kompagnons haben das Komponieren nicht verlernt und begehen nicht den Fehler, sich selbst zu kopieren, wie sich das manche Fans gewünscht haben. Warum die (vorzeitigen) 10-Punkte-Ejakulationen trotzdem ins Beinkleid gingen, liegt daran, dass sich die Magie der alten Scheiben schlicht nicht reproduzieren lässt. Oder will jemand irgendeinen Song dieser dritten Scheibe mit Götternummern a la ´Call Out The Warning´, ´Cry Of The Fools´, ´Cathedral´ oder ´Seven Hours´ vergleichen? Nicht ernsthaft, Leute.

Warum ´The Third Secret´ trotzdem eine Wertung im oberen Bereich verdient, liegt an den Grower-Qualitäten des Materials. Auch ich war bei der ersten Handvoll Durchläufe eher ernüchtert denn begeistert, inzwischen will ich Powerperlen wie ´Stars Are Falling´, ´We Will Rise´ und vor allem das an RIOT erinnernde furiose Schlussdoppel ´Shame On You´/´Hearts Of Stone´ nicht mehr missen. Lediglich das uninspiriert vor sich hinschaukelnde ´Queen Of Thieves´ und der etwas zu pompös ausgefallene Titeltrack fallen durchs Qualitätsraster, ebenso der wenig organische Drumsound. Ken Bechtels Gesangsleistung dagegen ist eine absolut positive Überraschung, der überaus sympathische Gitarrenvirtuose phrasiert souverän zwischen Carl Albert und Ronnie James Dio – eine Wohltat, über die sich lediglich Kleingeister mokieren werden.

Well done, guys – see you on stage!

(gute 8 Punkte)

Ludwig Krammer

 


Ihr habt es sicher schon von den Spatzen auf den Dächern gehört, die „DIO DIO“ tschilpen (musikalisch waren die Amis eigentlich noch nie weit davon weg – but the voice!), dass dieses lang ersehnte Werk der Herren Kendall Bechtel (v, g), John Macko (b) und dem sagenumwobenen Ken Mary (d) auf der Pole Position der umstrittensten Outputs 2018 zu finden sein wird.

Hingucker ist selbstverständlich gleich vor dem mit zitternden Händen eingeleiteten Hörvorgang das mächtige Cover eines als ‚Angelic Knight In Shining Armor‘ auf die Erde zurückgekehrten PETER STEELE (R.I.P.), der uns mit flammendem Schwert von der Klasse dieses Albums überzeugen will.

Hier meine subjektiven Fun Facts: Eine gute Hard Rock-Scheibe. Nicht mehr, nicht weniger. An das, auf was bei dem Bandnamen jeder Metalhase wartet, erinnert lediglich ‚Can You Hear Me‘. Ansonsten liefert man gute Refrains, neueres SAXON, MAIDEN ‚Ohoho‘-Parts, verleugnet die Zuneigung zu dem Einen – von dem die Spatzen bereits berichteten – nicht und ist spielerisch natürlich vorne dabei. Über die Länge des Albums, an dem es rein technisch und musikalisch nichts zu nörgeln gibt, stellt sich bei mir persönlich jedoch leider aufgrund fehlender ‚A-ha!‘-Momente (Ausnahme: ‚Fatima‘) gepflegte Langeweile auf gutem Niveau ein.

Singer matters…how much? In diesem Falle: A LOT. Ted Pilot war einfach zu charismatisch und eigenständig, als dass man ‚The Voice‘ irgendwie ersetzen könnte. Manchmal ist es einfach so. Und ‚Call Out The Warning‘, ‚Broken Dreams‘, ‚Wait For Me‘ oder ‚The Night‘ schüttelt man nicht eben nochmal so aus dem Ärmel, es sei denn, man ist über die Jahre beständig und heißt RIOT mit oder ohne V.

Da hat mich DREAM CHILD an mehreren Stellen mehr gepackt und daran muss sich das Album messen lassen, keineswegs aber an FIFTH ANGEL, damit hat es schlicht und ergreifend nicht viel zu tun. Aus diesen Gründen mögen mir die Spatzen- und Engelsfreunde verzeihen, wenn ich im direkten Vergleich mit der starken Konkurrenz dieses Jahr den Rechenschieber letztendlich um eins nach links schiebe und verkünde:

(7 Federn auf der vergeblichen Suche nach der fünften Engelsschwinge)

Less Leßmeister

 


Comeback-Alben sind und bleiben beim Analysieren Minenfelder. Und im Falle der Seattle-Rocker FIFTH ANGEL ist dies doppelt schwierig. Hat die Band doch mit ihren ersten beiden Alben echte metallische Perlen hinterlassen, die bis heute Bestand haben. Zudem muß/darf man den fulminanten KIT-Auftritt nicht vergessen, bei dem FIFTH ANGEL eine Performance lieferten, die zu den besten der Festivalreihe gehört. Nach dem Gig war nicht abzusehen, dass die Herren jemals noch ein drittes Album einspielen würden, zumindest nach damaligem Stand. Nun haben sie es doch getan.

`The Third Secret` ist ein starkes, solides Heavy Metal-Album geworden, das man jedoch nicht in den direkten Vergleich der beiden ersten Alben stellen darf. Warum werden jetzt manche fragen? Eine Band, ein Name, sollte eine musikalische Linie verfolgen. Die Ausgangslage ist hier schwierig. Sänger Ted Pilot hat zur Reunion abgewinkt. Dafür hat Gitarrist Kendall Bechtel den Schritt ans Mikro vollzogen, was schon eine ganz andere Basis darstellt, zumal sein Gesang eine leichte DIO-Note aufweist. Zum anderen hatte die Band sicher den Anspruch, keine Kopie der beiden ersten Alben abzuliefern. Auch akzeptiert. Zum Dritten gibt es inzwischen so viele technische Möglichkeiten, den Sound zu verändern, denen die Band allem Anschein nach nicht wiederstehen konnte. Und das ist für mich der große Knackpunkt bzw. Unterschied. Die Produktion ist eigentlich perfekt ausgewogen, im Vergleich zu den beiden eigenen Klassikern, aber irgendwie zu hart, zu modern. Es fehlt dem Sound der Puderzucker, um ihn süß, harmonisch, gewaltig melodisch zu machen.

Keine Frage, mit ´Stars Are Falling´ und ´We Will Rise´ haben sie krachende Statements geliefert, die in Zukunft für dieses und kein anderes FIFTH ANGEL-Album stehen werden. Clevererweise haben sie diese beiden Stücke gleich als Opener benutzt, denn danach fällt der Spanungsbogen etwas ab. `Queen Of Thieves` und `Dust To Dust` wirken etwas einfältig. Mit der Halbballade `Can You Hear Me` haben sie etwas für die schwermetalische Herz-Schmerz-Fraktion geliefert. Niedlich. `This Is War` zieht die Zügel in Sachen Power wieder an. Danach gibt es aber mit `Fatima` einen langweiligen Tiefschlag. Auch der Titeltrack kann sich nur im Mittelfeld behaupten. Das an RIOT erinnernde `Shame On You`, ebenso wie das von meinem Vorredner erwähnte `Hearts On Stone`, kann wieder auf der Haben-Seite verbucht werden.

Technisch gesehen ist auf `The Third Secret` alles im grünen Bereich, wobei auch bei diesem Album, wie schon beim aktuellen RIOT V-Album, der Drumsound etwas Bauchweh bereitet. Es ist ein gutes Album, jedoch kein Album, das den beiden Vorgängern das Wasser reichen kann. Aber genau an jenen Alben werden FIFTH ANGEL gemessen. Somit ist mir das Abfeiern des Albums in der Szene nicht ganz geheuer. `The Third Secret` ein Hype-Thema? Sicher nicht. Aber auch kein Album, das für Höchstnoten steht.

(7,5 Punkte)

Jürgen Tschamler

 


´The Third Secret´ schenkt dem Träger einer hochglanzpolierten Kutte 2018 einen Grund, es wahllos neben allen anderen Veröffentlichungen dieses Jahres in den Besitz zu überführen. Es leidet nur unter der Firmierung US Metal, weil es halt aus eben diesen Vereinigten Staaten von Amerika stammt. Dieser Metal ist so edel wie sich die „Edlen Tropfen“ wagen, beim Verdauungsvorgang durch die Gedärme zu schlängeln oder vorab weiße Flecken am Beinkleid des Kollegen in der Variante „Edel Weisse Spezialitäten“ zu hinterlassen. Niemand sollte Klangperlen, wie sie anno 1986 auf dem gleichnamigen Debüt von FIFTH ANGEL zu hören waren, oder melodische Schönheiten á la ´One Small Voice´ erwarten. Diese Zeiten sind vorbei, die Klassiker bereits alle geschrieben – wie Kollege Krammer unaufhörlich zu Protokoll gibt.

Wieder kein Klassiker im Anmarsch. Wenigstens sind FIFTH ANGEL fast in Original-Besetzung angetreten: Schlagzeuger Ken Mary, Gitarrist Ed Archer und Bassist John Macko sowie Kendall Bechtel, der auf dem Zweitwerk ´Time Will Tell´ zur Bandbesetzung gehörte und 2018 den Gesang übernimmt. Somit vermeiden sie den Makel einer Coverband vieler anderer Wiedervereinigungen dieser Tage. Der ehemalige Sangesgott Ted Pilot hält derweil ungerechtfertigter Weise das Schild mit dem Slogan „entbehrlich“ in die Luft. Wo Peter Orullian verblieben ist, der mit FIFTH ANGEL 2017 beim Keep-It-True erfolgreich die Fäuste in die Luft reckte und sogar in der letzten Dekade bei HEIR APPARENT sang, ist ebenfalls nicht überliefert. Doch Kendall Bechtel erledigt seinen Job mit Bravour, trägt die melodischen Weisen in die Reichweite zu all denen, die in den letzten Dekaden in der Nähe von DIO und RAINBOW ihr metallenes Seelenheil suchten.

Die melodische Up-Tempo-Komposition ´Stars Are Falling´ beamt den Melodic Metaller umgehend zurück in das Jahr 1985. Am sinnvollsten ist es daher, das Comeback-Geschenk mit Kopfhörer – wie einst unter der Bettdecke – zu goutieren. Denn dann drücken wenigstens die Gitarren und der Gesang ihre Melodien direkt ins Hirn, ohne das mehr als verdächtige, und verdammt auf den Punkt gerückte, äh, gespielte Schlagzeug, einer näheren Betrachtung zu unterziehen. So darf einiges, längst vergessenes, wieder auferstehen: die Fäuste – und mehr – dürfen sich zu ´We Will Rise´ recken. Der kleine und der echte Metal-God strecken sich zu ´Dust To Dust´ bestimmt ebenfalls. Schleppend ziert sich die ´Queen Of Thieves´, unter der Decke hervorzuschauen. Von der melodisch satten Kriegserklärung ´This Is War´ lassen wir uns nicht vertreiben, balladeske Anwandlungen vielmehr uns im Höhepunkt ´Can You Hear Me´ rufen. Aber ´Fatima´ und ihr ´Third Secret´ senken das steigende Fieberthermometer. Bevor jedoch unter der Decke „Cowboy und Indianer“ gespielt werden kann, rücken die hurtig aufspielenden ´Shame On You´ und ´Hearts Of Stone´ im Mark Reale-Kostüm nochmals heran. Rock hard, FIFTH ANGEL.

(7,5 Punkte)

Michael Haifl


(VÖ: 26.10.2018)