Livehaftig

JONATHAN HULTEN, THE DEVIL’S TRADE & SONYA

~ 29.10.2018, Connex, Mannheim ~


Sicher, ein regnerisch-kalter Herbstmontagabend ist alles andere als ein idealer Zeitpunkt für ein Konzert. Aber gerade mal eine Handvoll zahlende Gäste für solch ein exquisites und herzerwärmendes Package, das ist nicht nur traurig, sondern für alle Beteiligten tragisch. Denn wer weiterhin Untergrundkonzerte erleben will, muss sich eben auch mal unter der Woche aus seiner Couch-Komfortzone herausbewegen!

Die Post Rocker SONYA aus Budapest verpasse leider auch ich heute; zuvor terminlich verpflichtet komme ich erst nach Beginn des Sets von THE DEVIL’S TRADE im kalten Connex an. Der Typ an der Kasse freut sich über einen weiteren Gast, und ich muss nach Betreten erstmal die fast leere Räumlichkeit verdauen, wobei mir Dávid Makó aka TDT aber sofort hilft; sein tief authentisches, vor Herzblut nur so triefendes Folk-Blues-Soloprojekt zieht den Zuschauer augenblicklich in den Bann. Die Melancholie und Seelenqual der Lieder des Ungarn kriechen unter die Haut, er hat die Persönlichkeit, um ganz allein und akustisch eine Bühne und einen Raum mit seiner Stimme, begleitet nur von Gitarre oder Banjo, zu füllen und die von ihm transportierten schweren Themen auf seinen breiten Schultern zu tragen. Das ist Rock, Schweiß und sicherlich auch Tränen pur, zumal er in bester Singer-/Songwriter-Manier zwischendurch auch immer wieder die Geschichten hinter seinen Songs erzählt. Mitreißend, packend, THE DEVIL’S TRADE ist live wie auf Konserve ein Geheimtipp, den sich anzutesten garantiert lohnt!

 

Am Merchtisch müssen danach natürlich sofort Vinyl und Textil (mit dem programmatischen Titel „Happy Music is Shit“) verhaftet werden, und dank des übersichtlichen Fanaufkommens ist auch noch ein spannendes Gespräch mit dem Künstler inkludiert. Unbedingt antesten!

Habe ich in letzter Zeit möglicherweise schon mal etwas über Gänsehaut geschrieben? Nun, wer bislang noch nicht so richtig wusste, welche Musik ihm dazu verhelfen könnte, dem kann ich einen ziemlich sicheren Rat geben: Jonathan Hultén! Den meisten wohl als extravaganter Gitarrist und Tanzderwisch bei den Dark-Deathlern TRIBULATION bekannt, ist er bereits seit geraumer Zeit auf Solopfaden unterwegs, und für die meisten Anwesenden heute der Grund, auch eine längere Anfahrt auf sich zu nehmen.

Dass sein Auftritt der komplette Kontrast und Gegenentwurf zum eben Erlebten werden wird, zeigen schon die Vorbereitungen auf der Bühne; wie bei seiner Hauptband werden Räucherstäbchen angezündet, das jetzt blaue Licht stark zurückgedimmt – nun ist der Boden bereitet für den Auftritt der androgynen Diva, des vielfach begabten Universalkünstlers, der seine kompletten Artworks selbst gestaltet, seine Videos (und die von TRIBULATION) selbst dreht, und nicht zuletzt durch seine prachtvolle Selbstinszenierung auffällt.

 

Auf gänzlich andere, so leise wie kraftvolle Weise nimmt er uns Zuschauer sofort mit in seine ganz eigene Welt hinter dem schwarzen Schleier – möglicherweise des Todes. Wie kunstvoll er geschminkt ist bekommen wir erst später zu Gesicht, hat er doch für seine aktuelle Tour von der dänischen Designerin Vibe Johansson ein schwarzes Kleid mit diversen Schleiern zur Verfügung gestellt bekommen, das die zarte Vielschichtigkeit seiner Musik perfekt darstellt.

Entsprechend dem alchemistischen Prozess, der seiner ersten EP ´The Dark Night Of The Soul’ (siehe unsere Kritik dazu hier) zugrunde liegt, beginnt er mit dem coming of age-Song ´Anguished Are The Young´ und flicht zwischen die vier bekannten Preziosen immer wieder neue Lieder seines gerade entstehenden Albums ein, das hoffentlich zu Beginn nächsten Jahres erscheinen wird. Die neuen Stücke wie ´Next Big Day´ und ´Red Mountain´ sind noch kraftvoller und stimmlich variabler, dabei fehlen ihnen die gewohnte Zerbrechlichkeit und Kühle keineswegs. Hultén singt auf der Bühne über den aufgenommenen Layers seiner eigenen Stimme und minimalistischen, elektronischen Klängen, und live wird einem erst so richtig bewusst, mit welch ausdrucksvoller, dynamischer und wandelbarer Stimme der Stockholmer gesegnet ist – er kann, gerade auch in den Tiefen seines warm-spröden Baritons, ein Volumen ausschöpfen, das sämtliche Emotionen widerspiegelt. Insofern er sie herauslässt…die Magie des Versteckspiels, der Distanzwahrung beherrscht er nämlich genauso gut. Jonathan ist ein Phänomen und ein musikalisches Chamäleon, und so sehr ich seine Solosachen liebe, freue ich mich auch auf die TRIBULATION-Tour im Frühjahr, bei der wir ihn auf wieder ganz andere Weise erleben werden.

Mit ‚Nightly Sun‘ endet ein absolut atemberaubendes und hypnotisches Erlebnis, dass sich kein Freund dunkler und ambitioniert-verspielter Klänge entgehen lassen sollte! Daher – runter vom Sofa und rein in die kleinen Clubs, und zu den Musikern, denen das Herz noch brennt für ihre Kunst, und die dieses Feuer mit Euch allen teilen wollen!

 

http://jonathanhulten.com/

https://thedevilstrade.bandcamp.com/

https://sonyaband.bandcamp.com/