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MASTER BOOT RECORD – Direct Memory Access

~ 2018 (Blood Music) – Stil: Heavy Elektro Metal ~


Da ist er wieder, der uns bekannte 486DX-33MHz-64MB-Prozessor, der uns bereits des Öfteren mit Elektronik-Musik auf dem Datenkreuz zwischen Elektronik, Neo-Klassik und Heavy Metal begeisterte: MASTER BOOT RECORD. Wieder nimmt er uns mit, auf seine rasanten Fahrten über bundesdeutsche Autobahnen, auf endlose Schleifen und Geraden der Datenautobahnen. Obwohl in diesem Neuland, in den Weiten des Datenverkehrs, Eingriffe von außen auf das Netz von MASTER BOOT RECORD als Hackerangriffe gewertet werden sollten, ließ das italienische Humanwesen hinter MASTER BOOT RECORD die Einschleusung von Öxxö Xööx (Rïcïnn, Igorrr) an einer Daten-Raststätte zu. Ungewohnt erklingen bei der Hälfte aller Songs die niederen, menschlichen Laute des Franzosen zu allem Biepen und Fiepen.

Heftig vibrierende Membrane, wilde Tastenklänge aus den Keyboards und ein drängelnder Beat tanzen dazu. Er, der Rhythmus, übernimmt zuweilen das führende, zackige Kommando, doch die Melodien kämpfen sich gnadenlos dazwischen, an die vorderste Front (´DRAM REFRESH´). Wahnsinnige Melodiewogen, als Fanfaren aus dem Synthesizer. Heimlich schleicht sich Öxxö Xööx klagend hinzu. Die Tastenklänge lassen sich nichts anmerken, doch der Beat stimmt sich mit Öxxö Xööx ab. Über Gefiedel folgen der Schrei und das Wispern (´SOUND CARD 8-BIT´). Neo Classic im elektronischen Elfenbeinturm, doch das dunkle Vokabular-Gestammel muss von 8-Bits vernichtet werden. Helle Töne versuchen alles. Noch frohlockt Öxxö Xööx, aber die digitale Rache startet alle Sequenzer zur Vernichtung (´FDD CONTROLLER´).

Normalerweise wäre Gesang eine unumgängliche Bereicherung jeder Musik. Musik ohne Gesang ist nahezu undenkbar, selten kann sie ohne Stimmbandakrobatik begeistern. Aber gerade in diesem prickelnden Bereich sind Sänger ohne Bedeutung. In der Elektronik irritieren diese Eingriffe in das digitale Leben. Öxxö Xööx wagt sich dennoch immer tiefer in die Bits und Bytes von MASTER BOOT RECORD, darf sogar singen, im Anschluss an hochtöniges Gewitter gar schreien. Ein langer Auftritt eines geduldeten Humanoiden im digitalen Organismus von ´Direct Memory Access‘ (´LPT1 ECP MODE´). Scharfe Attacken begleiten wiegende Zittermelodien. Öxxö Xööx singt in der Manier des theatralischen Dark Rock, aber hat den Kampf zwischen Mensch und Maschinen längst nicht gewonnen (´CASCADE´), fliegt gnadenlos aus dem System.

Ohne menschliche Einwirkungen laufen die Sensoren jetzt heiß, zielgerichtete Beat-Schläge und klassische Tastenläufe von MASTER BOOT RECORD zeugen von der Monumentalkraft, von den Flipperautomat trifft Barockmusik-Tendenzen (´HARD DISK´). The winner takes it all, die Freude ist in jeder Membran spürbar. Ein Tanzen und Springen entlang aller Winkel und Ecken der Digital-Balustrade (´SCSI HOST ADAPTER´). Ein hektisches, weitere Begierden weckendes Finale. Eine sentimentale und eine erobernde Melodie wechseln sich anmutig ab. Die Finger von MASTER BOOT RECORD huschen endlos über die Tasten hinweg und beweisen auf den Spuren der Tastenmeister seine eigene Klasse, die des italienischen Hexenmeisters aufs Neue (´SOUND CARD 16-BIT´).

´Direct Memory Access´ lehrt das Grauen im Electro-Gothic des Spiegelkabinetts. Es ist abermals keine gewöhnliche, retrograde Synthwave-Musik von MASTER BOOT RECORD, es ist keine Dancemusic. Es soll Heavy Metal sein, so die Behauptung von MASTER BOOT RECORD, gar eine New Wave Of Synthesized Heavy Metal. Eine Suche nach den alten Waves in der unendlichen Datenwelt scheint gleichwohl vergeblich.

(7,5 Punkte)

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