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PAYNE´S GRAY (Part V – The Road to Christiania)

Interview mit Hagen Schmidt


Kennt Ihr ´Kadath Decoded`? Ist Euch PAYNE´S GRAY noch ein Begriff?

Hier folgt Part V unseres History-Interviews mit Hagen Schmidt (Part IV siehe hier):


Nach dem Release von ´Kadath Decoded` wollten PAYNE´S GRAY endlich auf Tournee gehen. Aber auch die Fertigstellung des Albums dauerte lange.

Konntet Ihr eigentlich das anvisierte Wandposter des Artworks realisieren?

Nein, leider. Da gab es einige Ideen, auch für eine Theater-artige Aufführung, aber das wurde alles nichts. Mehr als Ideen waren es nie, so richtig an die Umsetzung haben wir uns nicht gemacht.

Wie lange habt ihr letztlich benötigt, von der Idee bis zur Fertigstellung, für Euer erstes und leider einziges Albums ´Kadath:decoded´?

Vier Jahre hat das wohl gedauert insgesamt.

Allein im Studio?

Das weiß ich nicht mehr so genau…ein paar Wochen waren das schon, jedenfalls länger als geplant.

Und wo wurde dieses Meisterwerk aufgenommen?

Das Studio hieß ‘Psycho Sound‘, der Mann hinter dem Pult Kai Döhring. DESTINY DREAMING hatten dort vorher ihr Demo aufgenommen. Das gefiel mir sehr gut.

Die ersten Gigs nach dem Studio hat auch Kai abgemischt, das war super, weil er ja alles in und auswendig kannte, und sehr räumlich gemischt hat. Zu der Zeit hatte mir Daniel gerade KING CRIMSON näher gebracht, und wir waren bei einem Konzert der ´Thrak´-Tour. Da hat Fripp vor der eigentlichen Show seine Soundscapes durch die Konzerthalle geschickt…der Klang kam von allen Seiten, hat einen quasi umringt und war fast greifbar. Das wollte ich auch, und Kai hat dann Lautsprecher im Saal verteilt und teilweise nur die Gitarreneffekte oder sonstige Spielereien darüber laufen lassen.

Kai hatte zwar anfänglich leichte Probleme, zu begreifen, was wir da für Musik machten, aber als er dann kapiert hatte, worum es ging, hat er mit der Aufnahme und dem Mix seinen Teil zur Magie beigetragen.

Vor kurzem haben wir uns überlegt, die ´Kadath´-Aufnahmen vielleicht zu überarbeiten, für einen Re-Release, möglicherweise Vinyl, und ich habe Kai kontaktiert. Er hat sein Tonstudio aber nicht mehr und hat sich beruflich neu orientiert. Da wir damals auch teils direkt auf Festplatte aufgenommen haben und teils auf Band, und sich das alles nicht mehr auftreiben lässt, wird das wohl erstmal nix.

Gibt es denn keine Chance? Vinyl wäre noch wichtiger als ein Tape, haha…

Erst einmal wird nichts passieren, weil möglicherweise tauchen die Tapes bzw. Festplatten ja noch auf. Vinyl könnte man zur Not von der CD mastern, müsste man aber sowieso auf mindestens drei Seiten aufteilen, was dem Flow von ´Kadath´ jedoch irgendwie schaden würde. Dann müsste man ja zwischendurch aufwachen aus der Traumwelt, um die Scheibe umzudrehen. Mal sehen. Auf die vierte Seite könnte man noch ´Infinity´ packen.

Sind eigentlich alle Sounds von Klavier, Streichern und Querflöte echt oder stammen sie aus der Konserve?

Die Querflöte ist echt, Klavier und Streicher kamen über Soundkarten oder einem Gerät von Yamaha namens TG500. Gespielt wurden sie von Tomek über seine Klaviertastatur direkt in einen Atari, und dann mit einem Musikprogramm namens Notator bearbeitet. Das ist jetzt alles ziemlich steinzeitlich, was die Technik angeht.

Wurde denn Keyboarder Tomek Turek mehr Freiraum eingeräumt oder hat er sich damals selbst mehr eingebracht?

Tomek ist ein sehr dominanter Musiker. Er bringt sich sehr ein, leidenschaftlich. Er hat an der Musik von ´Kadath:decoded´ und auch ´Infinity´ großen Einfluss gehabt.

Man musste ihm nur beschreiben, was man sich vorstellt, und zack sprudelten die Ideen. Meine Vorstellungen hat er sehr gut verstanden und umgesetzt. Jan auch, da waren sie sich ähnlich. Darüber hinaus haben sich die beiden gegenseitig hochgeschaukelt. Das war grandios. Ich habe es geliebt, die beiden zusammen musizieren zu hören.

Dein Vater war, glaube ich, immer ein großer Förderer der Band gewesen. Ohne ihn wäre es wohl nicht so weit gekommen?

Spätestens als er erkannt hat, wie ernst es mir mit der Musik war, war er sehr hilfreich. Wie schon gesagt, er hatte ja schon den Namen für die Band vorgeschlagen. Als wir ´Kadath´ angingen, war er quasi Bandmitglied. Nicht musikalisch, aber die Texte waren dann seine, und er hat ja auch die Aufnahmen bezahlt, als wir uns entschieden, es im Alleingang durchzuziehen und auf ein Label zu verzichten.

Später hat er dann auch den Vertrieb übernommen, die Kontakte im Ausland geknüpft und erstmals außerhalb der Metal-Szene Promo-Arbeit geleistet, in der uns bislang völlig fremden Progrock-Szene und in Lovecraft-Foren beispielsweise.

 

Titelstory im EMPIRE

Heavy oder was …!?

 

Rock Hard

 

Zudem stieß Haluk Balikci als zweiter Sänger zur Band und verschaffte Euch ein gehöriges Alleinstellungsmerkmal in der Szene. Wie kam es überhaupt zu dieser Doppelbesetzung am Mikrofon?

Haluk war ein paar Jahre jünger als wir anderen, und für alles offen. Er sang mit größerer Leichtigkeit als ich, und als wir erstmals zusammen den doppelten Gesang ausprobierten, das war mit ´Sunset City´, hat es mich umgehauen. Ich mag ja, was PINK FLOYD mit zwei Stimmen gemacht haben, oder auch ABBA. Sowas schwebte mir auch vor.

Im Endeffekt mag Haluk anfangs vielleicht noch zu mir aufgeschaut haben, das hat sich aber schnell zu einer völlig gleichberechtigten Gesangspartnerschaft entwickelt. Wahrscheinlich habe ich dann sogar mehr von ihm gelernt als er von mir, obwohl ich doch schon deutlich länger im ‚Geschäft‘ war.

Der doppelte Gesang war damals wie du sagst außergewöhnlich, in der Form vielleicht sogar noch heute. Es gibt ja Bands mit cleaner Stimme und Cookiemonster, aber Haluk und ich waren für viele nicht auseinander zu halten. Manche Gesangslinien auf ´Kadath´ kann man alleine nicht singen, wir haben das eben aufgeteilt, mal jeder für sich, dann wieder zusammen. Man kann sagen, die schöneren Melodien singt Haluk, das garstigere Zeugs bin ich. Aber immer sehr nah aneinander. Und Haluk konnte durch seinen kulturellen Hintergrund meine Vorliebe zu orientalischen Melodien super umsetzen. Hör dir die Chöre bei ´The Way To Ngranek‘ an, oder bei ´Moonlight Waters‘ am Ende, das ist alles Haluk.

Und dann ging es als gut eingespieltes Team auf die Bühnen der Welt.

Ja. Wie gesagt, Tomek war ja schon während den Aufnahmen wieder weg, also haben wir diesmal Michael Ehninger gefragt, ein Musiker aus dem Umfeld von DESTINY DREAMING. Mit ihm haben wir dann die ersten Gigs gespielt, was auch super funktioniert hat. Erst als wir die Gelegenheit hatten, mit PSYCHOTIC WALTZ auf ihre ersten ´Bleeding´-Tour zu gehen, wollte er nicht mehr. Verstehe ich bis heute nicht. Für mich war das ein Traum, der wahr wurde, mit meiner absoluten Lieblingsband auf Tour zu gehen…und fast hätte es nicht geklappt, weil Michael nicht wollte. Aber diesmal haben wir nicht die Segel gestrichen, sondern geschaut, wen es überregional gibt, der in Frage kommt, um schnellstens die Songs zu lernen und mit auf Tour zu gehen.

Auf der Liste stand sogar Michael Rensen vom ‘Rock Hard‘, von dem ich wusste, er spielt Keyboards und hatte die Toccata von Khatchaturian drauf, die wir ja adaptiert hatten. Ein anderer auf der Liste war Rüdiger Blank von der Band TALIESYN, den ich kurz zuvor auf einer Progrock-Veranstaltung in Aschaffenburg kennengelernt hatte, und der uns auch schon seit ´Infinity´ kannte. Er kam dann nach Karlsruhe zu den Proben (aus Duderstadt bei Göttingen, knapp 400 km!) und packte sich die Songs drauf. Ich glaube er hatte vor Tourbeginn drei Wochen Zeit.

 

The Road to Christiania

Und dann ging es los. Etwa dreißig Gigs im Vorprogramm von PSYCHOTIC WALTZ. Besser ging nicht.

Das lief auch sehr gut, das Waltz-Publikum war uns gegenüber sehr offen, wir haben viele CDs verkaufen können und alle T-Shirts, die wir dabei hatten. Und hätten wir nicht einen dummen Verkehrsunfall auf der Fähre von Dänemark zurück nach Deutschland gehabt, hätten wir an der Tour sogar was verdient.

Die Vorgeschichte zu dem Unfall ist – im Nachhinein auch – lustig: Der Dänemark-Abstecher war zuerst ein Gig in Arhus auf dem Festland. Dann mit der Fähre auf die Insel nach Kopenhagen, wo das Konzert in einem autonomen Viertel namens Christiania stattfinden sollte. Nach dem Gig in Arhus sind wir dann nachts auf die Fähre und haben während der Überfahrt geschlafen.

Buddy & Jan

Geweckt wurde ich durch ein Klopfen an der Tür. Wir waren die letzten auf der Fähre und sollten doch bitte runterfahren. Also weckte ich den Fahrer, der dann ziemlich verpennt die Rampe von der Fähre runterfahren wollte, und mich bat, mal rauszugehen, um zu schauen, ob er mit dem Camper durch so eine Art Tor durchpasste.

Martin

Ich ging in Jogginghose und T-Shirt raus, er fuhr die Rampe runter und ich lief hinterher, um unten festzustellen, dass der Idiot ohne mich weitergefahren war. Es regnete. Es waren noch circa 100 km bis Kopenhagen. Ich hatte keinen Ausweis, kein Geld. Handy war 1996 noch Zukunftsmusik…also lief ich im Regen zur nächsten Tankstelle und fragte nach der nächsten Polizeistation, welche auch nicht allzu weit war, Hafenpolizei oder so was. Da erzählte ich was passiert war, was die dänischen Polizisten irgendwie erheiterte. Bis sie mich fragten, wohin genau ich müsste, und in meinem Unwissen, dass Christiania ein autonomes Viertel war, in dem Drogen frei verkauft wurden und Polizei Hausverbot hatte, wunderte ich mich, was ich falsches gesagt hatte. Die Polizisten wurden plötzlich ernst und weniger freundlich…bis auf einen, der mir einen Kaffee brachte und ein Handtuch. Der fuhr mich dann zum Bahnhof, lieh mir Geld für die Fahrkarte und setzte mich in den Bummelzug nach Kopenhagen. Da saß ich dann langhaarig, durchnässt, mitten in einer Horde dänischer Schulkinder mit Schulranzen und schmiedete Pläne, wie ich dem Fahrer ganz langsam die Haut abziehe.

Martin

Als ich dann in Christiania ankam, war meine Band nicht da. Buddy von PSYCHOTIC WALTZ begrüßte mich lachend, sagte: „I knew you’d make it“. Der Tour-Manager kam und meinte, die anderen seien, nachdem sie irgendwann festgestellt hätten, dass ich nicht da bin, die 100 km zurück zum Hafen gefahren um mich zu suchen.

Kurz und gut, nach dem Gig, an den ich mich besonders gut erinnern kann, fuhren wir zur nächsten Fähre, zurück nach Deutschland. Und als wir von der Fähre runter mussten, fragte der Fahrer natürlich nicht, ob ich mal raus könne, um zu schauen…fuhr gegen das Portal von der Fähre, und schlitzte die ganze Seite des Campers auf, etwa 10 cm über den Köpfen der schlafenden Band.

Den Rest der Tour sind wir selbst gefahren.

Buddy & Jan

Ansonsten war die Tour super. Es ging in Holland los, weil PSYCHOTIC WALTZ immer dort Ihre Tour starteten, um sich mit bewusstseinserweiterndem Gewächs einzudecken. Die Agentur hatte uns versichert, wir bräuchten keine Drums mitzubringen, aus Effizienz würden wir mit Waltz ein Set teilen. Davon wusste Norm aber nichts. So war zunächst gleich mal noch bevor ein Ton auf der Tour gespielt wurde, das Verhältnis zwischen uns und meiner Lieblingsband etwas getrübt. Erst als ich mitbekam, dass Buddys Querflöte bei der Anreise geklaut worden war, und das sie demnach nicht ´I Remember‘ spielen konnten, überzeugte ich Jan, Buddy seine Querflöte anzubieten…was nicht ganz einfach war, da Jans Instrument ziemlich wertvoll ist, aus Silber oder so was, und er zunächst nicht wollte. Aber Buddy war dann sehr dankbar, brachte Jan die Flöte sofort zurück, während ´I Remember‘ noch gespielt wurde, verbeugte sich dankend, und ab da war alles in Butter. Norm war dann auch cool mit dem Schlagzeug-Teilen. Beim Gig in Heidelberg hat er mit uns sogar ´The Way To Ngranek‘ gespielt, mit Daniel zu zweit am Set.

mit Steve Cox, `Riding The Shantak´

Beim letzten Gig der Tour (für uns: wir sind in Nürnberg abgesprungen, Waltz sollten am nächsten Tag noch nach Milan und am übernächsten nach Barcelona, was sie natürlich weder noch geschafft haben) hat noch Steve Cox, der Brian Macalpin-Ersatz auf der Tour, mit uns ´Riding The Shantak‘ gespielt, und Jan und Buddy haben bei Waltz zusammen das Intro zu ´I Remember‘ als Querflöten-Duett gespielt.

Nach der Tour haben wir noch weitere Gigs gespielt, verschiedene Festivals, das ging noch eine Weile gut.

 

Rock Hard, diverse

Da gab es ein Open Air in der Nähe von Würzburg, da haben auch SHADOWS OF IGA gespielt. Aus irgendeinem Grund gab es da Verzögerungen im Zeitplan, und wir waren als letzte Band des Abends dran, was dazu geführt hat, dass uns der Strom abgedreht wurde, während wir noch gespielt haben…An den Tag kann ich mich sehr gut erinnern, da Haluk sich da erstmals sehr seltsam benommen hatte. Das war für mich das erste Anzeichen seines Absturzes. Er entwickelte sich dann ja leider zu unserem eigenen Syd Barrett.

… to be continued …