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SUM OF R – Orga

2017 (Czar Of Revelations/Cyclic Law) – Stil: Very slow & experimental Ambient/Noise


Der Auftritt des Schweizer Instrumentalduos SUM OF R beim 2016er ‚Funkenflug‘ war für mich eines der Highlights des Festivals, und das will dort oben auf der Alm schon etwas heissen. Die Band versteht es, sich und das Publikum live in eine veritable Trance zu spielen, indem die Kombination ihrer hauptsächlichen Stilmittel aus zyklische Wiederholungen, mantraartig-psychedelisch wabernden Klangteppichen sowie gezeitenhaft an- und abschwellenden Gitarrenriffs und pulsierende Perkussionsrhythmen unaufhörlich auf die Spitze treiben – eine tiefgehende multidimensionale Erfahrung, der man sich kaum entziehen kann.

Damals kamen hauptsächlich Stücke von ihrem hochklassigen Zweitling ‚Lights On Water‘ zur Aufführung, nun liegt das dritte Werk vor, und es hat sich viel verändert. Die Gewichtung wurde stark verändert, manches neue kam hinzu, es fehlt jedoch (zumindest mir) auch so einiges – gerade die letztgenannten Instrumente Gitarre und Drums, die eben auch die Emotionen transportieren, Intensitätssteigerungen bis zur Explosion vorantreiben und damit den Hörer mitreissen, spielen kaum noch eine Rolle im aktuellen Schaffen der Band. Da findet sich vor allem viel Geräusch; die im gesprochenen Intro ‚Please Ring The Bells’ zitierten Glocken tauchen in vielerlei Varianten durch die ganze Platte hindurch immer wieder auf, Samples wie elektrische Entladungen, maschinell-droniges Brummen, Rauschen wie von field recordings bauen wie bei einem beängstigenden Soundtrack eine unterschwellig bedrohliche Spannung auf, welche jedoch nie ihre Klimax erreicht.

Auf Dynamik und Tempowechsel zu verzichten kann beruhigend bis meditativ wirken, birgt jedoch auch die Gefahr der Monotonie. Und alles ist langsam geworden bei den beiden Bernern, extrem langsam. Nicht nur das Saxophon in ‚We Have To Mark This Entrance’ erinnert stark an BOHREN UND DER CLUB OF GORE, auch das jazzige ‚Cobalt Powder’ könnte fast aus der Feder der Mülheimer stammen, jedoch ohne deren so typisch glimmende Wärme. Diese Platte ist vielmehr kalt und statisch, die im Titel ‚Orga’ angedeutete Geschlossenheit und Harmonie ist formell sicherlich da, aber sie lädt nicht dazu ein, sich in der Musik einzukuscheln – ganz im Gegenteil, dieser Spaziergang in undurchdringlichem Nebel kriecht eisig bis in die Knochen. Wem daher wie mir im bevorstehenden Herbst eher nach Wohlfühlklängen ist, sollte ausserhalb des Dark Ambient-Sektors weitersuchen. ‚Orga’ ist eher etwas für die dunklen Seelen, die nach Hintergrundmusik für eine neblige, nächtliche Autobahnfahrt oder ein frostiges, abendliches Chill-Out suchen. Doch auch an selbige ergeht meine Warnung: zieht Euch warm an!

(6 Punkte)


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