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SCHAFOTT – The Black Flame

2017 (High Roller Records/Soulfood) – Stil: Black Thrash Metal


Rückwärtsgegurgel – Poltergeistschlagzeug – Weeelllllcooome – at – the – SCHAFOTT!!!

Im Osten viel Neues: Die Dresdner werfen nach dem sogar aus Kolbotn vielgepriesenen Demo nun ihre erste vollwertige Platte in den Ring, und landen damit auch gleich den erhofften Volltreffer. Und vor allem beamen diese Jungspunde mich damit zurück in meine Jugend…

…Mitte der 80er gab es kaum Discos, in denen unsere Mucke lief. Die hieß damals noch „Heavy Metal“, und keine Sau interessierte sich dafür, abertausend Unterkategorien für die natürlich schon länger aufkommenden diversen Spielarten einzurichten. Wir waren scharf auf alles Neue und trugen Nietengürtel, aber keine Scheuklappen. Allein wie die Normalo-Umwelt uns abfällig behandelte schweißte alle Langhaarigen zusammen. Und wenn man die angesagten Scheiben nicht immer nur mit den Kumpels am Plattenspieler im postergeschmückten Jugendzimmer, sondern endlich mal so richtig laut hören wollte, musste man weite Wege auf sich nehmen. So machte sich regelmäßig Sonntagnachmittags ein Linienbus voll mit solchem „Gesindel“ aus der Stadt auf den Weg in eine Dorfdisco mit dem vielsagenden Namen „Happiness“. Ich werde niemals den Tag vergessen, an dem ich diesen abgewrackten Laden zum ersten Mal betrat – vom versifftesten Klo des Universums will ich hier gar nicht sprechen, nein, ich war sowieso völlig gebannt vom Anblick, der sich mir darbot und dem, was ich bei Extremlautstärke um die Ohren geblasen bekam: gegenüber einer Spiegelwand standen Reihe um Reihe von Metalheads und bangten sich luftgitarrespielend und schweißgebadet die Seele aus dem Leder-, Ketten- und Spandexverhüllten Leib. Und das zu einem abgefahrenen Song, einem krassen, komplett eigenständig neuen, gleichzeitig punkig-simplen wie dynamischen Sound voll latenter Aggression, der mir bis dato völlig unbekannt war, sich jedoch stampfend sofort in meinen Kopf und mein Herz fraß – völlig unmöglich, dabei stillzustehen. Hier hatte jemand eine Tür aufgestoßen in eine tiefschwarze Unterwelt, in der dem hinlänglich bekannten Begriff „heavy“ eine ganz andere, bedrohliche, gar diabolische Bedeutung zukam, und wo auf einmal stilistisch ALLES möglich erschien, indem man sich alle Strömungen zu Nutze machte, die gerade in der Luft lagen, ohne seine musikalischen Wurzeln zu vergessen – die Geburt gleich mehrerer neuer Wesensarten harter Musik aus einer gemeinsamen Inspirationsquelle. Für mich begann an diesem Sonntagnachmittag mit einem zukünftigen Genreklassiker eine neue musikalische Zeitrechnung, die bis heute weiterwirkt: all praise VENOMs ´In League With Satan´!

Okay, aber was hat all das nun mit SCHAFOTT zu tun, fragt ihr Euch? Ganz einfach – exakt diesen dreckigen, offenen, fiesen, lustvollen „Wem-gehört-die-Welt?“-Vibe von damals transportieren die Dresdner in das heutige, in diverse Szenen zersplitterte Metalluniversum, und zwar mit genauso viel Spaß am Spiel, wie auch genauso wenig Interesse an musikalischen Schubladen. Hier kotzt Schlagzeuger (!!!) Assassor seine fiesen, angeschwärzten Vocals mit morbid-blasphemischen Lyrics in die Welt hinaus, ohne dabei die Hochgeschwindigkeit seines Doppelkesseltretens auch nur im entferntesten runterschrauben zu müssen, aber trotzdem stets mit höchstem Respekt für das komplexe, musikalisch hochkarätige Werk und dessen historischen Einflüsse. Die beiden Gitarristen Wraith & Molester spielen ihre todesmetallisch-dissonant-schweren Riffs, jedoch vor allem auch himmlischen Harmonien und Solomelodien teilweise als Twins oder sich gegenseitig im flammenleckenden Wechselgesang unterstützend – auch sie beide sind hörbar versiert in jeglichem metallischen Genre zuhause, sogar der Begriff ‚progressiv‘ kann einem bei diesem Hörgenuss gelegentlich in den Sinn kommen. Die NWoBHM-Einflüsse sind genauso riesig wie die der frühen Speed-/Thrash-Klassiker aus den 80ern (‚Satan’s Throne‘), Hardcore-Gangshouts (‚By The Lust Of The Witch‘, ‚Eucharistic Birth‘) interaktivieren das Publikum, und die Altvorderen des Doom werden mit schwarzmetallischen Anklängen vereint – grandios! Bei den Sachsen ist nichts kopiert, nichts angebiedert, die Jungs machen einfach nur IHRE Musik außerhalb jeglicher Genregrenzen, und das macht allen Ur-Metaller/innen, die keine Probleme mit Raspelgesang haben, einfach mächtig Freude!

Einziger kleiner Wermutstropfen: Wir haben es hier mit dem Debüt einer jungen Band zu tun (ein Demo aus 2014, ‚Satan’s Throne‘, gibt`s noch über Bandcamp), daher will ich will nicht zu streng sein, wenn ihnen im Verlauf der Scheibe doch etwas die Ideen ausgehen, und sich manches wiederholt. Aber das war ja erst der Anfang, dieser Truppe steht die (Metal)Welt ganz weit offen!

7 hoffnungsvolle Punkte!

https://schafott.bandcamp.com
https://www.facebook.com/Schafott-317115871723020
https://soundcloud.com/high-roller-records-2/schafott-eucharistic-birth-official