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WINTERLAND – Angekommen

2017 (7us Media Group) – Stil: Deutschsprachiger Rock


Um dem Vorwurf des Lokalpatriotismus zu entgehen, musste ich mir ungewöhnlich viel Zeit nehmen, um den neuesten Output des Kaiserslauterner Trios WINTERLAND im direkten Match gegen den rundum perfekten Vorgänger ‚Ein Leben lang‘ in den Ring zu schicken. Und diese Investition zur Verinnerlichung hat sich mehr als gelohnt, bewegen sich die Männer doch erfreulicherweise mindestens auf dem gleichen überragenden Level.

Die Titelwahl des nunmehr achten Studioalbums könnte wahrlich nicht besser passen. ‚Angekommen‘ sind sie definitiv. Zum dritten Mal in der Muttersprache präsentieren sich Stephan Hugo als Sänger und Lyriker, der was zu sagen hat, die aufgegriffenen Themen sehr anspruchsvoll in Texte verpackt und Markus Pfeffer als begnadeter Songschreiber und Gitarrenwizard, der sich sein Handwerk bei den Größten der Rockgeschichte abgeschaut und zu seinem ureigenen songdienlichen Stil transformiert hat.

Mit Schlagzeuger und Percussionist Thomas Rieder mittlerweile zum Trio zusammengewachsen, bietet das Album einen Rundumschlag der Stilvielfalt mit intelligent umgesetzten Statements zu zeitgenössischen Beobachtungen diverser Trends und Situationen, die jeder schon einmal durchlebt hat. Es geht um Selbstreflektion und das Weitermachen im positiven Kontrast zu den meist zynischen Selbstbeweihräucherungen anderer Vertreter der deutschen Musiklandschaft, wovon sich in dieser Sparte auch das andere Aushängeschild der Lauterer Szene KARMA mit Bravour abhebt.

Im Verlauf des Albums musikalisch eingebettet in hervorragende Instrumentalparts mit treibenden Drums, Groove- als auch Funkbass, klasse Gitarrenparts und hier und da geschickt eingesetzten Effekten wird diese soziale Bestandsaufnahme eröffnet von dem ‚Moment‘ als fettem Stadionrocker, der auch für Fußballzwecke missbraucht werden könnte. Das flotte ‚Meilenweit‘ stellt sich der alltäglichen Hetze entgegen, falsche mediale Eintagsgötter kriegen ihr Fett mit ‚Mehr Schein als sein‘ ab, während der Bassbrecher ‚Wie es mir gefällt‘ und ‚Superstar‘ mit Kommerz und Castingwahn abrechnen. Die Stimme entfaltet ihre ganze Wärme bei den Balladen ‚Angekommen‘ und ‚Fort‘, die wie auch ‚Disharmonie‘ und ‚Aus den Augen, aus dem Sinn‘ im Mittelteil des Albums von persönlichen Erfahrungen berichten, die sich unter anderem mit Trennung, Verlust, vergangenen Freundschaften als auch Neuanfang befassen. ‚Scheißegal‘, es geht ums ‚Auferstehen‘ und zwar ‚Für immer und weiter‘. Wie ein Heilungsprozess folgen diese Stücke mit ihrer „Jetzt erst recht durchhalten“-Attitüde, lassen eine positive, lebensbejahende Stimmung aufkommen und rufen förmlich dazu auf, trotz aller Rückschläge unbeirrbar dem eingeschlagenen Weg zu folgen. Mit dem letztgenannten und dem Instrumental ‚Sonnenuntergang‘ schließen zwei entspannte Akustiknummern mit feiner Percussion, die absolute Highlights eines bekannten Songtauschunterhaltungsformats sein könnten.

Nach Genuss der Live-Feuertaufe der neuen Werke, die mit Stefan neben Gesang an der zweiten Klampfe noch mehr rocken, SUPERIOR Legende Jürgen Walzer am Bass und Michael Weickenmeier an den Keys, fange ich an zu weinen, in Anbetracht der Tatsache, welche belanglosen Deutschmurksbands teilweise auf den richtig großen Festivals vor Tausenden spielen. Unter der hitverdächtigen Oberfläche gibt es hier sehr viel mehr zu entdecken bei diesem ehrlichen Album zur richtigen Zeit, welches Mut macht in einer düsteren Epoche. Sollte die Sammlung nach einem weiteren Meilenstein des intelligenten, anspruchsvollen Deutschrocks verlangen, dann doch bitte dieses und auch das der Mitbewerber KARMA.

(9 Punkte)

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