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CARACH ANGREN – Dance And Laugh Amongst The Rotten

2017 (Season Of Mist) – Stil: Cineastic Horror Black Metal


 

Seltsam. Immer wenn es um mich herum zu albern heiß und sommerlich wird, kommt die Zeit, in der das Fürchten wieder hilft: Ich ziehe mir dir Ohren spitz und rufe in Sindarin aus: „Nehmt meine Seele, aber richtig!“, als ich durch den eisernen Schlund CARACH ANGREN nach Nord-West-Mordor aufbreche, um in der ansässigen Orkschlachterei zu tanzen und zu lachen. Thematisch beobachten Seregor (Vocals & Guitars), Ardek (Keyboards & Orchestra) und Namtar (Drums) diesmal ein Mädchen beim Ouija-Brettspiel und den daraus resultierenden Geschichten, während Peter Tägtgren ihnen über die Schulter schaut und mixt.

Auf meinem Weg begleitet mich ‚Charlie‘, das erste Opus der neuen Scheibe ‚Dance And Laugh Amongst The Rotten‘ nach dem launemachenden Intro. Dort angekommen, begegne ich der ‚Blood Queen‘, die mir im Song von einem fast KING DIAMOND-artigen Erzähler vorgestellt wird, bevor ich den Hitrefrain apathisch mitsinge. ‚Charles Francis Coghlan‘ rollt die Leinwand noch weiter auf und holt mit elegischem Thema alles aus dem Horrorkinoprojektor raus. Wer da nicht mit wehendem Haar in den Abendwind schaut und Chrom verflucht ist tot.

Boah, das ist so gigantisch wie einst ‚Sacrilegium‘ von DEVIL DOLL – wie auch der erzählende ‚Song For The Dead‘ – möglicherweise bin ich doch schon hinübergetreten und träume dieses traumhafte Szenario nur. Nun gut, hatte nur Münzen auf den Augen, ‚In De Naam Van De Duivel‘! – wieso spreche ich jetzt Niederländisch? Erneut grandioses Thema, diesmal mit Klavier, Blastbeats, Bombast und hervorragendem Growler. In die ‚Pitch Black Box‘ gefallen, erinnere ich mich durch das schleppende Riffing an THE KOVENANT, als sie das ‚C‘ tauschten und aus dem ‚Nexus Polaris‘ animatronisch ins neue Jahrtausend aufbrachen – nein, keine Angst: KEIN Elektro. Nur fette Klassik.

Entführt von Aliens mit witzigem Sound, fühle ich, wie mir die Analsonde mit ‚The Possession Process‘ eingeführt wird, ohne dass es wehtut. Schnallt euch an, BAL SAGOTH-Jünger, wenn ‚Three Times Thunder Strikes‘ (Anspieltipp für Unentschlossene, Epikfans, Melodiefetischisten, Cineasten und Weicheier wie mich), es auf HANS ZIMMERs Spuren epischer als epischst wird und ich mich umschaue: Alle Orks im heldenhaften Blutrausch erschlagen … aber jeder hat ein Lächeln auf dem Gesicht.

(10 unheimliche Punkte – moderner Genreklassiker)

Less Leßmeister

 

Etiketten erwecken Erwartungen, und können daher sehr leicht in die Irre führen. „Symphonic Black Metal“ hat mich im Falle der vorliegenden Scheibe sofort getriggert, aber leider wurde ich genauso schnell enttäuscht. Vielleicht bin ich zu puristisch was das Genre angeht, eventuell auch zu humorlos, um mögliche Ironie hinter dem hier inszenierten Horrorszenario zu erkennen – sicher ist, dass mein Plan, mit dem neuen Werk der Holländer die Wartezeit auf einen der von mir meisterhofften Releases diesen Jahres zu verkürzen, scheitern muss.

Ohne Zweifel hat die Platte mehr als genug eingängige Melodien zu bieten, und grundsätzlich versteht es die Band auch, packende Songs zu schreiben. Einige davon wie ‚Blood Queen‘ oder ‚Song For The Dead‘ können durchaus als Ohrwürmer durchgehen. Leider hinterlassen diese auf ihrem Weg gen Hörnerv mit ihrem Seemannskneipen-Schunkelcharakter mehr klebrigen Schmalz in meinen Gehörgängen als einem erfreulichen Musikgenuss zuträglich ist. Natürlich kann und muss sich nicht jeder ein Symphonieorchester leisten, um episch zu klingen, aber sich so ungeniert im elektronischen Baukasten zu bedienen, ohne auch nur ansatzweise zu versuchen, das Ganze natürlich klingen zu lassen, kann nur teuflische Absicht sein. Hinzu kommt, dass die klassische Metal-Instrumentierung den Vocals und synthetisch/orchestralen Klängen weitgehend untergeordnet wird. Der Hörspiel- und Soundtrackcharakter der Platte ist eine interessante Idee, und Seregors stimmliches Spektrum ist weit und vor allem ausgeprägt theatralisch, trotzdem komme ich nicht umhin, ihn mir als eine Art Geschichten erzählenden Horrorclown vorzustellen, der durch ein in der viktorianischen Zeit angelegtes Spukhauscomputerspiel führt. Nächster Song. Gong! Eine Ebene weiter…

Am meisten stört jedoch der Einsatz aller möglicher, und vor allem innerhalb eines Stückes ständig wechselnder klanglicher Gimmicks und Effekte (ich sage nur weibliche Geisterstimmen…), die Songs und Album eher zerreißen als eine Kontinuität, die den Hörer tiefer in die zugrunde liegende Geschichte hineinführt, aufzubauen. Wie so oft wäre hier weniger mehr gewesen. Punkte gibt es hingegen für Namtars knackiges (Blastbeat-)Drumming, die wie immer über jeden Zweifel erhabene Produktion von Peter Tägtgren, und vor allem für den einzigen Track, der als Black Metal durchgeht, das wirklich starke ‚In De Naam Van De Duivel‘. Hier lässt die Band die Gitarren endlich einmal das tun, wofür sie da sind: im Vordergrund den Song vorantreiben und tragen.

Freunde der 90er Ära von DIMMU BORGIR oder auch CRADLE OF FILTH, denen möglichst viel Bombast entgegenkommt, können hier gerne zugreifen. Ich bin zwischenzeitlich durch die Veröffentlichung des ersten neuen Songs der aktuellen Ligabesten besänftigt, und kann die für September angekündigte neue SEPTICFLESH kaum noch erwarten.

(6 Punkte)

U.Violet

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