Redebedarf

LORD VIGO – Von Blutlust in den Karpaten

~ Interview mit Vinz Clortho & Volguus Zildrohar ~


Da ich in einem an die Karpaten grenzenden, dunklen Tälchen beheimatet bin und sich fast niemand in das vernebelte Reich des LORDS verirren mag, obliegt mir die Pflicht und die Ehre, erneut mit den mystischen Gestalten um Vinz Clortho Kontakt aufzunehmen, um sich über den aktuellen Stand und insbesondere die anstehende Hexenjagd in Hellas zu informieren.

Außerdem beherrsche ich als Einheimischer die sonderbare Sprache der Südwestvölker, die den Frankodämonen so lange standhielten und heuer eine respektvolle Nachbarschaft pflegen. Mit einem Edgar Allan Poe-getakteten erhöhtem Herzschlag wage ich mich durch dunkle Wälder in die unheiligen Hallen, um dem Mastermind und seinem Axtmann himself zu begegnen, doch ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn sie sind bei mir…and I obey.

Als ich der obskuren Brotherhood letztendlich – komplett in Gänsehaut gehüllt – Auge in Auge gegenüberstehe, erweise ich kniend meine Ehrerbietung und darf sprechen, nachdem Vinz mir mit seiner Iron Fist geboten hat, wieder aufzustehen, während Volguus Zildrohar erhaben zu seiner Rechten thront und mit seiner unergründlichen, erhabenen Art durch seine Sonnenbrille auf mich herabschaut.

Das Wichtigste zuerst: Seit dem letzten Interview hat sich einiges getan. ‚No Remorse‘ hat zugeschlagen und dem LORD seine Dienste angeboten. Wie kam es dazu und wie ist die Unterstützung?

Vinz: So erhebe sich der Fragesteller erst von seinen Knien, damit wir Aug‘ in Aug‘ stehen. Nun, es war eigentlich klassisches Bewerben mit einem Demo. Die ersten fünf Tracks, die auf ‚Under Carpathian Sun‘ (die ‚No Remorse‘-Version) vertreten sind, waren genau die Tracks unseres ersten und einzigen Demos, mit dem wir uns beworben haben. Mit diesen Songs haben wir dann letztendlich den Deal bekommen. Da gibt es auch immer wieder einige Verwirrungen, was Demo und LP betrifft. Also, wir stehen zu der Sache so: ‚Under Carpathian Sun‘ gibt es als Fünf-Track-Demo und als Sieben-Track-‚No Remorse‘-Version. Diese Sieben-Track-Version bezeichnen wir intern als unser Debüt und somit als ersten Longplayer, da die zwei hinzugefügten Songs direkt im Anschluss an die Aufnahmen des Demos entstanden.

Die Unterstützung verläuft sehr reibungslos und ist genau das, was wir uns vorgestellt haben. Dazu gehören natürlich die klassischen Labelaufgaben wie Vertrieb, Herstellung und Promo. Ich finde es immer noch den besseren Weg bei einem Label zu unterschreiben, als alles auf eigene Faust zu erledigen. Wobei – wenn ich mich recht erinnere wurden uns pro Album-Veröffentlichung fünf willige Semijungfrauen versprochen, die uns willig zu Diensten sind. Da muss ich wohl mal den Mahnungsblock aus der Schublade holen und direkt nachfragen …hehe…

Genau dies war mir ebenfalls wichtig, endlich klarzustellen, dass es ein ‚Erstes Album‘ gibt, anstatt wie oft zu lesen nur das Demo oder gar ausschließlich die Kassettenversion. Ich kann jedem versichern, dass die beiden Songs ‚The Sirens‘ und ‚In Pago Aquilensis (Odium)‘ zwei absolute Höhepunkte darstellen und mit einer Spielzeit von zusammen knapp 15(!) Minuten definitiv ‚Under Carpathian Sun‘ zum essentiellen Longplayer machen und das auch bereits zusätzlich auf Vinyl.

Doch auf zu neuen Ufern. Ihr spielt dieses Jahr auf dem sagenumwobenen ‚Up The Hammers‘ in Athen in einem weiteren Wahnsinnsbilling mit den legendären CIRITH UNGOL und dem runderneuerten ROSS THE BOSS, dessen Frühwerke mit den Schürzenträgern speziell dir viel bedeuten. Wie seht ihr diesem Ereignis entgegen und stimmt es, dass dem LORD beinahe flugplantechnische Probleme den Triumph vergeigt hätten?

Vinz: Nun ja, es begab sich damit so: Als ich – wie an jedem Morgen – mit meinem Wallach einen Ausritt in die dunklen Wälder meines Reiches unternahm, kam mir ein Gedanke. Vinz – sagte ich mir – auch in den Karpathen hat der Tag nur 24 Stunden und ich habe ja bei LORD VIGO neben der Aufgabe alle Songs zu recorden und zu mixen den überaus wichtigen Posten inne, persönlich meine Garderobendame auszusuchen und einzuweisen. So dachte ich mir in einem Anfall des Wahnsinns: Ich delegiere eine Aufgabe einfach mal auf ein anderes Bandmitglied, damit er sich auch als Teil des Teams vorkommt und nicht nur auf der Bühne steht, damit es rechts von mir nicht zu leer aussieht (kaum wahrnehmbares Drehen von Volguus‘ Haupt gen Anführer, Anm. d. Verf.; MUHAHA – Anm. v. Volguus). Vinz – dachte ich mir – gib ihm die Aufgabe, die Flüge für das ‚Up The Hammers‘ zu buchen, das kann er und dann ist er stolz drauf, was er geleistet hat.

Das alles wurde circa im September letzten Jahres besprochen. Im Januar im Jahre des Herrn 2017 waren die Flüge immer noch nicht gebucht. Nachdem er dann seine eigene Inkompetenz eingesehen und erfolgreich ignoriert hatte, erkannte er doch – wohl durch Kurzschluss im Hirn – die missliche Lage und hatte sich dann Hilfe bei einer befreundeten Countess (Katz von Deutschendorf – Anm. d. Verf.) erbeten, so dass die Flüge doch noch gebucht wurden.

Und mit dem bin ich auch noch verwandt! Ich glaube, seine Zeugung war nur die Probebohrung für mich und seine Geburt kann einzig dem Grund gedient haben, den Geburtskanal soweit zu dehnen, damit ich in voller Pracht das Licht der Welt erblicke; ohne störende Druckstellen. Ich verrate seinen Namen nicht, aber er ist Gitarrist bei uns und Toni ist es nicht! So ähh, wie war gleich die Frage?

Aha. Anscheinend falsche Frage. Der (von meiner Position aus) hünenhafte Axtmann regt sich ob diesen Anschuldigungen keinen Millimeter, ich bilde mir jedoch fast ein, bemerkt zu haben, dass eine Augenbraue ganz leicht über den Sonnenbrillenrand gezogen wird, bevor er – gewohnt ruhig – das Wort ergreift.

Volguus: Kleine Brüder müssen sich natürlich immer ein wenig im allmächtigen, geistigen und körperlichen Windschatten ihres großen Bruders profilieren, also lasse ich ihm seinen Spaß. Deswegen ist er auch Sänger geworden. Um nicht unbeachtet hinterm Drumkit zu verschimmeln … und weil er zu faul ist, Trommeln in der Gegend rumzutragen. Tatsache ist jedenfalls, dass keiner in der Band fähig ist, Flüge zu buchen, also wurde diese Aufgabe einfach auf mich abgewälzt. Dummerweise ist das auch nicht meine Königsdisziplin. Aber wir haben mächtige Verbündete und im Handumdrehen war das geregelt.

Nachdem Volguus nun genügend diffamiert wurde – wie ist es um eure sonst so überaus cool-doomigen Emotionsgewänder bestellt, wenn ihr mit diesen für euch teilweise wegweisenden Legenden auf einem Festival spielen dürft und … ROSS THE BOSS?

Vinz: Ja, also das ist schon eine ganz besondere Ehre. Wenn man bedenkt, dass vor etwas über zwei Jahren weder was in der Richtung LORD VIGO geplant war, noch am Anfang abzusehen war, dass das mal so Fahrt aufnimmt, ist man schon echt platt, wenn man sieht, mit wem man schon die Bühne geteilt hat. ‚Hammer Of Doom‘, ‚Stormcrusher Festival‘ und ‚Up The Hammers‘ – um nur einige zu nennen und Bands wie CANDELMASS, DIAMOND HEAD, RAM oder CIRITH UNGOL standen oder stehen alle auf dem gleichen Billing wie LORD VIGO!

Speziell vorm ersten Gig, der ja auf dem ‚Hammer Of Doom‘ stattfand, waren doch schon kurzzeitig einige Risse im Emotionsgewand sichtbar …smile… Wurden aber sogleich mit einer Mischung aus Hopfen und Malz gekittet. Ein Karpathe kennt kein Lampenfieber.

Volguus: Mit CIRITH UNGOL die Bühne zu teilen ist natürlich die größte Ehre überhaupt. Einer DER Urväter dieser ganzen Epic-Bewegung. Da macht sich schon leichte Nervosität breit. Dazu muss ich sagen, dass ich Tim Baker bereits einmal getroffen habe und selten einen netteren und schüchteren Mann gesehen habe. Unglaublicherweise singt der Mann immer noch wie vor 25 Jahren. Meinen größten Respekt. Was ROSS THE BOSS angeht, freue ich mich natürlich auf die alten MANOWAR-Klassiker – auch wenn es schade ist, dass Mike Cotoia nicht mehr dabei ist.

Zuul und Tony pflegen eine begnadete Bühnenshow, während du die Audience in deinen Bann ziehst. Doch der äußerst cool agierende Volguus hat sich ebenfalls zum Publikumsliebling etabliert. Wie wirken deine Mitstreiter auf dich beim Auftritt? Und nörgelt Murray The Mantis nicht, wenn er live mit Kapuze spielen muss?

Vinz: Ich glaube, Murray hat sich mit dem Schicksal abgefunden, dass seine wahre Identität wohl für ewig der Öffentlichkeit verborgen bleibt. Ich denke, wir machen alle auf der Bühne recht viel Radau und bieten was fürs Auge. Jeder hat seine Art auf der Bühne zu performen und ich denke, das passt alles wie die Faust aufs Auge. Wenn dann beide Gitarristen ihre Twin Leads anstimmen, ist das schon genial, gerade auch weil ich mich dann von der Front etwas zurückziehen und ihnen mal die Show überlassen kann. Wenn ich immer vorne rumspringe ist es doch auf Dauer auch langweilig. Und ich hab ja meine Garderobendame, die auch während des Auftritts um mein Wohl besorgt ist und in den Pausen dann auch mal Hand anlegen kann.

Errötet durch die anschauliche Geste der behandschuhten Hand des ungestümen Frontmannes und Volguus‘ hämischem Grinsen – welches in Sekundenbruchteilen auch schon wieder verblasst – versuche ich in bester Monty Python-Manier das Thema in eine andere Richtung zu lenken.

Nun zu etwas völlig anderem. Da euer Konzept mit den Namen als auch den kultigen Videos danach schreit, würde ich gerne wissen, welche Filme ihr liebt und euren Anhängern ans Herz legen könnt (außer GHOSTBUSTERS original). Zum Beispiel solch unvergleichliche Klassiker wie Mario Bavas ‚Die Stunde, wenn Dracula kommt‘ mit der legendären Barbara Steele (was für ein Name!) könnte KING DIAMOND zu ‚Fatal Portrait‘ insbesondere des ‚The Candle‘-Intros inspiriert haben und würde auch zu euch wie die Faust auf den Helm passen…

(Vinz macht eine gelangweilte, flüchtige Geste mit seiner mächtigen, eisenbehandschuhten Hand und gebietet Volguus, sich der Beantwortung anzunehmen) Also, Volguus?

Volguus: Schöne Frage und genau mein Ding als Fan des phantastischen Horror-Kinos der 60er, 70er und 80er Jahre. Mario Bavas ‚Die Stunde, wenn Dracula kommt‘ ist natürlich ein großer Einfluss genau wie ‚Die drei Gesichter der Furcht‘. Gibt es irgendwas gruseligeres wie die Geschichte ‚Der Wassertropfen‘? Jedenfalls nicht in den letzten 30 Jahren. Ebenso sein Landsmann Dario Argento, der meisterhafte Bilderwelten erschaffen hat. Das europäische Genre-Kino dieser Ära war unglaublich und im Intro vom ‚When The Bloodlust Draws On Me‘-Video wollten wir dem Meister Tribut zollen. Aber es gibt noch mehr! Jeder sollte natürlich die Carpenter-Filme bis 1994 kennen. Diese Filme – von „Halloween“ bis „Die Mächte des Wahnsinns“ – gehören zum Besten, was jemals auf Zelluloid gebannt wurde. Dazu kann ich schon mal sagen, dass die Geschichte um einen gewissen Captain William Blake, der 100 Jahre später noch sauer war, dass sie sein Schiff absaufen ließen, auf der nächsten LORD VIGO eine Rolle spielen wird. Aber ich will nicht zu viel verraten.

Die goldene Ära der Hammer-Filme muss man natürlich auch kennen. Peter Cushing und Christopher Lee sind Helden einer besseren Zeit. Solche Charaktergesichter gibt es einfach nicht mehr.

Dann natürlich die 80er Jahre. Sei es die kranke Welt eines Clive Barker mit „Hellraiser“, Meilensteine der Improvisation wie „Tanz der Teufel“, Wes Cravens „Nightmare on Elm-Street“ oder die Slasherwelle – angeführt von „Freitag der 13te“.

Stanley Kubrick erschuf mit „Shining“ mal eben den besten Horror-Film aller Zeiten und David Cronenberg sowie George A. Romero lieferten ebenfalls Geniales ab. Aber ich höre jetzt auf, sonst wird der Rahmen gesprengt, haha. Ich kann nur jedem Filmfan raten, sich mit dieser Ära auseinander zu setzen. Filmkunst, bei der noch selbst Hand angelegt wurde, bevor dieses unsägliche CGI sich durchgesetzt hat.

Achso: „Krieg der Sterne“ kennt ja sowieso jeder, aber sollte das nicht der Fall sein: natürlich unbedingt die bisher erschienenen Episoden 4, 5, 6 und 7 sowie das tolle Spin-Off „Rogue One“ anschauen (Volguus verneint die Existenz von irgendwelchen Prequels, über die das mainstreamige Trollvolk in den umliegenden Wäldern kichert – Anm. d. Verf.)

Nachdem Volguus komplett aufgetaut ist und ich die Hoffnung hege, bei ihm Punkte gesammelt zu haben, sehe ich von nun an kommenden Begegnungen gelassener entgegen.

Ich weiß, dass es einem Sakrileg gleichkommt und ich mit der nächsten Frage ernsthafte Probleme bis hin zur Anklage wegen Majestätsbeleidigung bekommen kann, doch auch Talbewohner müssen manchmal in Ausübung ihrer Pflicht als Zeitzeugen mutig sein. Ihr redet nicht oft darüber, aber ich möchte unbedingt etwas mehr über eure Mitstreiter erfahren. Zuul – der übrigens ein sehr umgänglicher Zeitgenosse sein kann, wenn man ihn mit Gerstensaft versorgt und er sich nicht vorher komplett den Rahmen mit Volguus verzogen hat – erwähnte eine mystische Beziehung zu Crom, während Barden der Landbevölkerung heimlich Gerüchte über Blutsbande von Tony und Murray zum hammerschwingenden Königshaus von Saint Tropez verbreiten.

Volguus: Über Zuul ist nur wenig bekannt. Seine Liste von Bands, in denen er aktiv war, ist aber lang. Was seine Beziehung zu Crom angeht – darüber weiß ich leider wenig. Vielleicht ist Vinz da besser informiert. Wenn er aber nicht täglich auf Konzerte geht, arbeitet oder bei LORD VIGO zockt, geht er dem Musizieren in irgendwelchen Blaskapellen (!!) nach. Was er da bläst ist nicht überliefert, aber es reicht wohl, um seine offensichtlich leicht masochistische Ader zu befriedigen. Anders kann ich mir diese Selbstgeißelung nicht erklären …hahahoho… (Anm. – das stimmt übrigens wirklich, haha). Dem LORD ist natürlich schon zu Ohren gekommen, dass Tony und Murray den königlichen Hammer schwingen. Saint Tropez ist allerdings weit entfernt und der stilistische Unterschied zwischen beiden Bands ist recht groß. Da läuft alles perfekt, auch live gab es bisher keine Überschneidungen. Sollte es tatsächlich mal so kommen, werden wir aber sicher eine Lösung parat haben. Natürlich weiß mittlerweile jeder über Tonys Mitwirken beim legendären ROSS THE BOSS. Eigentlich hat diese Kollaboration den Mann erst wieder ins Gespräch gebracht. Das wird leider viel zu wenig gewürdigt. Murray war mal in einer recht großen Mittelalterkapelle (SALTATIO MORTIS – Anm. d. Red.) aktiv, was ihn äußerst trinkfest gemacht hat …hehe…

Na, das ist doch schon mal mehr, als man ertragen kann (betr. Zuul). Äußerst aufschlussreiche Informationen, danke dir Volguus. Ich habe diese Begegnung sehr genossen und hoffe, dass der ein oder andere, der sich bisher keinen Reim auf euch machen konnte, nun auch obeyt. Habt ihr zum Abschluss noch irgendwelche Messages oder Gedanken, die ihr euren Jüngern und denen, die es werden wollen, mit auf den Weg geben wollt?

Vinz: Meine letzten Worte: Öbey the Lord!

Volguus: Meine letzten Worte: Danke an alle Supporter und Fans, die uns die letzten zwei Jahre unterstützt haben. You Rule! Öbey the Lord!

Danke, I obey!

And now for something … obey the film. What? The new Video: