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RUSH – 2112 (40th Anniversary Edition)

~ 2016 (Universal Music) ~


„I lie awake, staring out at the bleakness of Megadon. City and sky become one, merging into a single plane, a vast sea of unbroken grey. The Twin Moons, just two pale orbs as they trace their way across the steely sky. I used to think I had a pretty good life here, just plugging into my machine for the day, then watching Templevision or reading a Temple Paper in the evening. My friend Jon always said it was nicer here than under the atmospheric domes of the Outer Planets. We have had peace since 2062, when the surviving planets were banded together under the Red Star of the Solar Federation. The less fortunate gave us a few new moons. I believed what I was told, I thought it was a good life, I thought I was happy. Then I found something that changed it all…“

(Anonymous, 2112)

RUSH feiern das 40-jährige Jubiläum ihres Klassikers ´2112´ mit drei unterschiedlichen Neuauflagen. Obwohl ´2112´ erst vor vier Jahren mit Deluxe-Editionen und einem Boxset inklusive Rush-Comic-Book gewürdigt wurde, ist das aktuelle Jubiläum natürlich Grund und Gelegenheit zugleich, das allseits geliebte und verehrte Werk nochmals entsprechend auf den Markt zu bringen. Bescherte doch ´2112´ der Band in 1976 nicht nur den kommerziellen Durchbruch, sondern verhalf ihnen letztlich zu einer eigenen Identität, die sie bis heute bewahrt haben. Ob es tatsächlich das erste Album war, wie es Alex Lifeson einst bezeichnet hat, auf dem RUSH wie RUSH klingen, dürfte bei der kontinuierlichen Entwicklung der Band über die vergangenen Jahrzehnte hinweg, diskussionswürdig bleiben.

Das 20-minütige Titelstück, unterteilt in sieben Kapitel, nahm auf der ursprünglichen Vinyl-Ausgabe jedenfalls die komplette A-Seite ein. Ähnlich wie über ein Jahr zuvor ´The Fountain Of Lamneth´ auf ´Caress Of Steel´. Letztlich wurde ´2112´ zu einem Musterexemplar eines Konzeptalbums wie es in den 70s von den verschiedensten Prog Rock-Giganten fabriziert wurde. Die sich dahinter versteckende Story über einen Mann, der eine Gitarre findet, die von den Priestern einer fernen Sci-Fi-Welt zerstört wird und als Symbol der Hoffnung auf eine bessere Welt steht, war eine offene Kritik an der Musik-Industrie, die sich schon damals in den Stil und Sound der Bands einmischte. Die Ouvertüre des meisterlichen Titelsongs zitiert dabei Tschaikowskis Ouvertüre ´1812´, während sich ´A Passage To Bangkok´ in seiner Melodie fernöstlich zeigt und ´Tears´ als sinfonische Ballade allererster Güte präsentiert.

Die ’40th Anniversary Edition‘ darf nun mit einem neuen Mastering von Sean Maggee aus den Abbey Road Studios prahlen, obgleich das Abbey Road Studio Master bereits in 2015 bei der Hologramm-Vinyl-Edition des Albums zur Veröffentlichung kam. Jetzt erscheint es also erstmals auf einem Silberling. Für die Vinyl-Fetischisten aber ebenso nochmals als 3fach LP (200g Vinyl) mit einer exklusiven Laserradierung auf einer Vinylseite, dem Hologramm von 2015 auf der B-Seite von ´2112´ sowie einem ‚Starman‘-Slipmat für den Plattenteller.

Die dicke Digipak 2CD/DVD-Edition enthält als Bonus auf dem zweiten Silberling recht wacker vorgetragene Coverversionen von BILLY TALENT (´A Passage To Bangkok´), STEVEN WILSON (´The Twilight Zone´), ALICE IN CHAINS (´Tears´), JACOB MOON (´Something For Nothing´) und Dave Grohl/Taylor Hawkins/Nick Raskulinecz (´Overture´), wobei ALICE IN CHAINS in ihrer ureigenen Art und allen voran BILLY TALENT kongenial die Songs umsetzen. Hinzu gesellen sich RUSH-Liveaufnahmen aus 1976 und 1977 (´2112´, ´Something For Nothing´ und ´The Twilight Zone´) auf denen das größte Trio aller Zeiten seinen Status untermauert. Einen Konzertmitschnitt von 1976 aus dem Capitol Theatre in Passaic, New Jersey, und ein fast halbstündiges Interview mit Alex Lifeson und der Produzenten-Legende Terry Brown birgt die DVD.

Wer bereits Sterne vor den Augen sieht, kann schnell hier oder da versuchen, eine der Super-Deluxe-Editionen zu ergattern – mit beiden CDs, der DVD, allen drei LPs, weiteren Sammlerstücken wie z. B. zwei 12″x12″ große Lithografien (Bleistiftradierung von Hugh Symes, Ticketabriss von 1976 aus der Massey Hall), Nachdruck des Handzettels von dem Massey Hall-Auftritt, drei Buttons in einer mit Samt ausgekleideten Box sowie für die ersten 1.000 Vorbesteller eine limitierte 7inch-Pressung von ´Twilight Zone´ und einen Lochadapter in Form des roten Sterns.

Gleichwohl muss für ein wahrhaftiges Feeling erst einmal ein ´76 würdiger Schnurrbart wachsen und ein Kimono angeschafft werden, aus dem das Brusthaar herauslugen kann. Wenn dann die Atmosphäre beim Lesen eines Sci-Fi-Romans aufkommt, dann darf ´2112´ aufgelegt und genossen werden … beam me up.

[Klassiker]