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WILCO – Schmilco

2016 (dBpm/Anti-Records) – Stil: Rock


´Schmilco´ statt ´Star Wars´.

Finger aus den Ohren, denn blutig werden diese heute nicht; selbst bei sinnbefreiten Reimen mit der Wortschöpfung aus WILCO und ´Schmilco´, dem zehnten Album der Band um Mastermind Jeff Tweedy, das von einem dieser wahnsinnigen Cartoons von Joan Cornellà geziert wird. Denn nur wenn der Vater sich opfert, als Leitobjekt zwischen Plattenspieler und Steckdose fungiert, kann der Strom fließen und die Tochter dem Vinyl lauschen. Und natürlich schießt dem Vater das Blut aus Nase und Ohr. Autsch.

Obwohl man es ihnen nicht ansieht, ´Schmilco´ und ´Star Wars´ sind ein Zwillingspaar. Die Songs beider Alben wurden zur gleichen Zeit 2015 geschrieben. Während sich die eine Hälfte der Songs als härter und lauter offenbarte, entwickelte sich die andere als leiser und vielschichtiger. Die erstgenannten Lieder wurden sodann zielgerichtet fortentwickelt und im vergangenen Jahr unter dem Albumtitel ´Star Wars´ veröffentlicht. Ein Album in der Tradition von ´Sky Blue Sky´ und ´Wilco (The Album)´. Doch mit seinem Nachfolger ´Schmilco´ zeigt sich Jeff Tweedy offener und direkter, lässt den Songs auf dem zehnten Werk der Band weitaus mehr Raum zum Atmen. Wenngleich die großen Ausnahmelieder oder Hits fehlen, das Niveau ist durchgehend erstklassig.

Ruhig, im Singer/Songwriter-Stil und leicht düster eröffnen WILCO das Album mit ´Normal American Kids´. Jeff Tweedys Gesang erklingt erst anschließend im flotteren ´If I Ever Was A Child´ luftig-hoch. Ermöglicht das wunderschön dynamische ´Cry All Day´ bereits Erinnerungen an Lou Reed zu wecken, schafft es das wilde ´Common Sense´, die zerstörerische Ader VELVET UNDERGROUNDs aufzukratzen. Dagegen trägt ´Someone To Lose´ den filigranen Pop-Appeal der EELS und ´Happiness´ weit mehr als ´Nope´ den von John Lennon in sich. ´Locator´ pendelt sich irgendwie dazwischen ein, bis WILCO hernach etwas Psychedelic auspacken. Mit der entrückten Melodie von ´We Aren’t The World (Safety Girl)´ machen MGMT hoffentlich kein Remix-Remake, klingt es bereits hier launischer als jede 70s-Diva. Allein wenn ´Just Say Goodbye´ abschließend in Melancholie verhallt, schwankend am Abgrund schlendert, bleiben die Gesänge:

We aren’t the world, we aren’t the children …

(8 Punkte)