Bands der StundeMeilensteine

GROBSCHNITT – HISTORY

„Und manchmal gibt das Universum wieder etwas frei“


Mit dem Super-Deluxe-Boxset ´79:10´ erscheint in diesen Tagen das vollständige Vermächtnis einer legendären Band. Zeit, den Mantel der Geschichte zu lüften und einen Blick in die Vergangenheit von GROBSCHNITT zu werfen.

Im April 1971 gründeten sich GROBSCHNITT im nordrhein-westfälischen Hagen. Es war ein Zusammenschluss der drei Schülerbands THE CREW, CHARING CROSS und WUTPICKEL, die sich zwar bereits 1970 vereinigt hatten, aber mit der Umbenennung einen endgültigen Schlussstrich unter die Vergangenheit zogen.

Alle Bandmitglieder, aber auch die Roadies, agierten von diesem Zeitpunkt an unter Künstlernamen, so dass die Gründungsformation folgendermaßen aussah:

 

Stefan Danielak (Willi Wildschwein) – Gesang, Gitarre, Saxophon
Gerd Otto Kühn (Lupo) – Lead-Gitarre
Bernhard Uhlemann (Baer) – Bass
Hermann Quetting (Quecksilber) – Orgel
Joachim H. Ehrig (Eroc) – Schlagzeug, Percussion, Elektronik
Axel Harlos (Felix) – Schlagzeug
Rainer Loskand (Toni Moff Mollo) – Lichtanlage, später auch Gesang

 

Die Vorgängerband THE CREW (vormals THE UNIVERSALS) bestand seit 1966 – neben Lupo, Eroc und Wildschwein – aus Bassspieler Hans-Hermann Stein und Sänger/Gitarrist Kasi (Peter Klassen), der später für das Cover-Artwork der Alben ´Illegal´ und ´Razzia verantwortlich sein sollte. Lupo und Eroc waren seit der Realschule Altenhagen Klassenkameraden. Im Alter von vier Jahren zog Eroc von seinem Geburtsort Weimar nach Oberhausen, später nach Hagen, und lernte dort Lupo kennen. Lupo (Jahrgang 1949), war gelernter Industriekaufmann, startete recht spät mit 15 Jahren seine Karriere an der Gitarre, während Eroc (Jahrgang 1951) als ausgebildete Chemielaborant am Schlagzeug sein Zuhause fand, aber sich später auch als Texter und Techniker der Band beweisen sollte. Wildschwein (Jahrgang 1951) hatte eigentlich einen ordentlichen Beruf beim Finanzamt erlernt, liebte die Musik jedoch weitaus mehr.

Hagen-Vorhalle, 1.11.1966

THE CREW zelebrierten ab Mitte 1968 ihre Bühnenauftritte mit Nebel, Lichteffekten, eingespielten Tape-Sequenzen sowie allerlei Kostümen. Das Publikum wurde regelmäßig aufgefordert, sich zu setzen, nur zu schauen und zu hören, während die Bandmitglieder beispielweise als Pfarrer verkleidet, Fackeln über die Bühne trugen oder Kisten mit einem Hammer zerschlugen. Die Erfahrungen in THE CREW waren für die Bandmitglieder nicht nur eine gute musikalische Schule, so kamen sie mit Blues, Beat, Psychedelic und Soul in Berührung, sondern waren bereits der Ursprung für den bandtypischen Humor, der GROBSCHNITT immer auszeichnen sollte.

In diesen Jahren spielten sie in Jugendzentren, kleinen Kneipen und Hallen um Hagen herum massig Konzerte. Sogar in die weite Ferne nach Hemer, 25 km von Hagen entfernt, ging die Reise, vor allem aufgrund der dort stationierten kanadischen Soldaten, denen sie damals mit Liedern wie ´Born To Be Wild´ oder ´Magic Carpet Ride´ einheizten.

Kapelle Elias Grobschnitt

Im Oktober löste sich die Band nach ca. 150 Konzerten auf. Eroc machte ein Jahr lang Freejazz mit Musikern wie Peter Klassen, Hans Reichel und Michael Barth unter dem Namen WUTPICKEL. Wildschwein machte Pause und Lupo hatte ein Trio namens CHARING CROSS gegründet. Am Ende musizierten in CHARING CROSS, die wie einen Mischung aus BLACK SABBATH und UFO geklungen haben sollen, Lupo, Baer und Felix. Baer spielte eigentlich gerne Cello, doch eine Sportverletzung trieb ihn zum Bass, da die klassische Karriere nun unmöglich erschien, während Felix schon seit dem 12. Lebensjahr, nach ersten musikalischen Versuchen mit Akkordeon und Gitarre, hinter dem Drumkit saß. Da CHARING CROSS in der Dreierbesetzung mit Baer, Felix und Lupo auch außerhalb von Hagen bereits sehr erfolgreich war, spielte die größere Besetzung mit Baer, Felix, Lupo, Eroc und Willi einfach unter dem Namen CHARING CROSS weiter. Im April 1971 änderten sie den Namen in KAPELLE ELIAS GROBSCHNITT um.

Bei den Bandproben waren immer ein paar Freunde und Zuhörer anwesend. Einer von ihnen war Rainer Loskand, später bekannt als Toni Moff Mollo. Er brachte ein Bild aus dem Ersten Weltkrieg, das mit Neujahr 1916 beschriftet war, der Soldatenkapelle seines Großvaters mit dem Namen KAPELLE ELIAS GROBSCHNITT mit und trug so zur Namensfindung bei. Toni Moff Mollo (Jahrgang 1953) begann unter dem Namen ´Kleiner Mann´ im Jahre 1971 als Roadie bei der Band, war aber zuvor Kunststoffschlosser gewesen. Fast zehn Jahre später sollte er sogar erstmals auf dem ´ Merry-Go-Round´-Album singen.

Der erste Auftritt unter dem neuen Namen fand am 12. April 1971 im Gemeindehaus Hagen-Eckesey statt. Die Konzerte waren von Beginn an immer etwas Besonderes, allein durch die Anwesenheit der Schlagzeuger Felix und Eroc. Zwei Schlagzeuger waren selbst in den frühen 70er Jahren ungewöhnlich. Diese Konstellation benötigte anfangs reichlich Übung und ein diszipliniertes Spiel. Sie spielten natürlich beide nicht einfach gleichzeitig den gleichen Rhythmus, sondern trommelten synchron ihre eigenen Parts.

Hagen, Volkspark, 26.10.1971

Als Letzter stieg Quecksilber im Oktober 1971 in die Gruppe ein. In dieser Besetzung begannen die Aufnahme-Sessions zum Banddebüt im Dezember des Jahres in den Hamburger ´Windrose Studios´ unter der Leitung von Conny Plank, der ihr Freund und Haupt-Engineer werden sollte, und Frank Mille, der damals Gitarrist bei den RATTLES war. Der Plattenvertrag bei Metronome kam durch einen Anruf bei dem Label aus einer Telefonzelle in Hamburg zustande. Lupo und Baer hatten sich einfach in ihren blauen NSU Prinz gesetzt, waren nach Hamburg gefahren und aus dem Telefonbuch die Nummer der erstbesten Plattenfirma angerufen.

Das Kurorchester

Die Songs waren zu dem Zeitpunkt schon längst auf den Bühnen des Landes und in der Hagener Schulaula ausgiebig erprobt worden. Und so packten sie ihre Instrumente zusammen und fuhren gen Norden. Die Aufnahmen waren für eine Woche angedacht, konnten aber tatsächlich nur innerhalb von fünf Tagen durchgezogen werden, da sich in der kalten Jahreszeit auf der Hinfahrt die Gitarren ein wenig verzogen hatten, so dass keine gerade klingende Aufnahme möglich schien. Felix und Eroc spielten auf Premier Drums, Lupo spielte mit einem Stramp-Verstärker und 100-Watt-Boxen, Baer hatte einen Sound-City-Amp mit selbstgebastelten Boxen und Quecksilber lieh sich für die Aufnahmen eine Hammond B3.

Im Song ´Symphony´ wurde erstmals der berüchtigte Grobschnitt-Gefangenen-Chor mit seinen „la-la-la“-Gesängen auf Band festgehalten. `Travelling´ war unter dem Titel ´Das Reiselied´ schon länger im Live-Repertoire und ´Sun Trip´ war sozusagen die Geburtsstunde für den zukünftigen Klassiker, das weitaus opulentere ´Solar Music´. Der vorzugsweise gebotene Psych- und Space-Rock war mit seiner Orgeldominanz zwar in diesen Jahren nicht gerade konkurrenzlos, dennoch schnürten sie mit ihren Künstlernamen, ihren Bühnenmasken, ihrer Theater- und Pyrotechnik-Performance ein außerordentlich originelles Gesamtpaket einer Band. Noch heute kann aus dem Munde von Eroc und Lupo vernommen werden, dass sie schon immer eine Art fahrender Musikzirkus mit Rock-Symphonikern gewesen waren, die Spaß am Verkleiden mit dem kreativen Wahnsinn hatten. Conny Plank nannte sie später scherzhaft sogar sein ´Kurorchester´. Ihre bis zu vier oder fünf Stunden andauernden Konzerte waren dabei immer ein wahres Kult-Erlebnis.

Das ausgewählte Cover, mit Messer und abgeschnittenem Kopf, für das im April 1972 veröffentlichte Banddebüt stieß letztlich nicht bei allen auf Gegenliebe, ließ entfernt sogar an ´The Knife´ von GENESIS und deren Album ´Trespass´ denken. Zudem nannten sie sich erst auf Drängen der Plattenfirma hin zur Debüt-Veröffentlichung nur noch GROBSCHNITT.

Nach etlichen Auftritten über den Sommer des Jahres 1972 hinweg, verließen im Herbst desselben Jahres Quecksilber und Felix die Band. Felix hatte schon seinen Einberufungsbefehl zur Bundeswehr erhalten und sah für sich – als zweiter Drummer der Band – keine Zukunft. Im Jahr 1973 kam für Quecksilber Mist (Volker Kahrs) in die Band. Bis 1982 sollte Mist (Jahrgang 1951) Keyboarder von GROBSCHNITT bleiben und dabei den Stil der Band hinsichtlich ihrer weiteren progressiven Ausrichtung mitprägte. Dieser Einfluss machte sich bereits auf ihrem zweiten Album ´Ballermann´ bemerkbar.

On The Road

GROBSCHNITT absolvierten Live-Gigs in Hagen, im gesamten Ruhrgebiet und im Münsterland. Ab 1973 fanden sogar regelmäßig Tourneen durch Norddeutschland – Hamburg, Kiel, Itzehoe, Heide, Büsum, Brunsbüttel, Rendsburg, Husum – statt. In Hamburg-Altona spielten GROBSCHNITT im Jahre 1974 erstmals in der legendären `Fabrik´ und eroberten spätestens kurze Zeit später mit einem weiteren Gig die Herzen der Norddeutschen Fans. Während des Soundchecks zum ersten Auftritt wurde das Foto für das Cover-Artwork von ´Ballermann´ aufgenommen. Baers Bühnenkleidung bestand beispielsweise bei diesem Auftritt aus einer schwarz-gelb gestreiften Hose, einem Hawaii-Hemd als Weste, einem Jackett mit schwarzen Punkten auf gelbem Grund, einer mehrfarbigen Wollmütze und dazu stilistisch edel aussehenden braunen Ledersandalen. Dabei war die Kostümierung in diesen Jahren noch gar nicht vollends ausgeprägt.

Jahre später kam es innerhalb der ´Jumbo´-Tour in der `Fabrik´ zu einem denkwürdigen Konzert. Mit über fünf Stunden wurde es zum längsten Konzert der GROBSCHNITT-Geschichte. Eine defekte Orgel ließ nur eine Unterbrechung des Konzertes zu, doch der anwesende Produzent Frank Mille konnte mit einer geliehenen Hammond-Orgel von der Band THE RATTLES Abhilfe schaffen. Bis weit nach Mitternacht sollte hernach das Konzert noch andauern.

Bremen, Sommer 1973

Zwischenzeitlich legte jedoch Baer eine Bandpause ein. Gesundheitliche Gründe, eine Gallenstein-Operation, zwangen ihn dazu, so dass Mist die Bass-Parts vorübergehend mit Keyboard-Pedals bei Live-Auftritten ersetzte. Mit einem wiedergenesenen Baer wurde das zweite Werk im Februar 1974 in den Dierks-Studios in Köln angegangen. Conny Plank stand nicht zur Verfügung und das Budget der Plattenfirma sah nur eine Aufnahmedauer von sieben Tagen inklusive Mix vor. Dennoch wollten sie diesmal ein Doppelalbum aufnehmen, da allein der neue Song ´Solar Music´, eine grundlegende Erweiterung und Veränderung der alten Songidee `Suntrip´, über eine halbe Stunde lang zelebriert wurde.

Eroc war damals vom Klang des Albums nicht gerade angetan. Er fand den Sound, der mit einem späteren Remastering in seinen Ohren viel besser wurde, ursprünglich so armselig, dass er beim ersten Hördurchgang des eigenen Exemplars von ´Ballermann´, zusammen mit Wildschwein in dessen Zimmer, das Vinyl vom Plattenspieler nahm und es zu Boden warf. Wildschwein rahmte diese Vinyl-Bruchstücke später ein und hing sie in seinem Zimmer auf.

´Solar Music´ sollte dagegen innerhalb kürzester Zeit als das Paradestück für großzügige Improvisationen von GROBSCHNITT angesehen werden, obwohl Hunter einmal zu Protokoll gab, dass bei einer Live-Spieldauer von über einer Stunde bei ´Solar Music´ die Improvisation und der Spielraum zur freien Verfügung minimal gewesen sein soll, da die Musik im Prinzip voll festgelegt war. Der Song basierte auf einem „d-Moll-Riff“ von Lupo aus dem Jahre 1968, das erstmalig in ´Suntrip´ bereits von THE CREW genutzt wurde. Bei Live-Aufführungen von ´Suntrip´ war vom Musikalischen und Optischen her alles möglich. Ein wahrer Brunnen, aus dem für spontane Improvisationen geschöpft werden konnte, ward geboren. Und nach der Fortentwicklung in ´Solar Music´ gereichte der Song den Musikern gerade während der zweiten Hälfte freie Hand, die jeweilige Stimmung der Musiker und der Show der gesamten Atmosphäre anzupassen. Trotz seiner vor allem Live reichlich ausgekosteten Verlängerung des Stückes, wurde ´Solar Music´ zu dem entscheidenden Musik-Stück, für das GROBSCHNITT zukünftig stehen sollte. Ohne dieses Lied gehört zu haben, würde in Zukunft kein Fan bei einem Live-Gig die Band nach Hause gehen lassen. Ein echter Klassiker ward geboren.

Anschließend ging es wieder ausgiebig auf Tour. Nicht nur in großen Hallen, sondern auch in kleinen Dörfern und Jugendhäusern waren GROBSCHNITT gern gesehener Gast. So sollte sich die Band in den kleinsten Dörfern eine umfangreiche Fanbase erspielen, um mit dieser im Rücken, die großen Städte zu erobern. Doch ihr tatsächliches Zuhause war weiterhin eine Hagener Schulaula, die sie fortwährend für die Bandproben nutzen konnten. Täglicher Auf- und Abbau des Equipments gehörte im heimischen Gemach jedoch dazu. Hier konnten nicht nur neue Lieder entstehen, auch die Bühnenshow wurde fleißig eingeübt. Mit verantwortlich für die Bühnenshow war der ”Kleinste Riese der Welt”, besser bekannt als Toni Moff Mollo. Unter seinem Motto – “Ohne Licht sieht man Euch nicht” – war der Lightshow-Experte derjenige, der die Leute bei den Konzerten mit seinen spontanen Zwischenrufen und Showeinlagen immer wieder zum Lachen brachte.

Nebel und Explosionen

Ein erinnerungswürdiger Nachmittag fand am 21. Juli 1974 auf den Bochumer Ruhrwiesen statt. Da an diesem Nachmittag Fackeln und Funkeln nicht effektiv die Show garniert hätten, ließ sich Pyrotechniker Mephisto etwas Spannendes einfallen. Eine gefüllte Messingkartusche sollte während ´Solar Music´ in die Luft schießen und wurde vor der Bühne im Boden eingegraben. Leider nicht von Mephisto selber, sondern von den Roadies Toni und Porneaux, die die Kartusche falsch herum im Boden positionierten. So ging die Druckwelle während der Show nicht in die Luft, sondern in die Erde. Feuerblitze zuckten, Erde flog durch die Luft, Eroc flog vom Drumhocker, Toni und Porneaux lagen neben dem vor der Bühne entstandenen Krater auf dem Rücken, wie alle Zuschauer bis in die zehnte Reihe. Es war zwar kein heller Blitz und auch nicht laut gewesen, aber von der Druckwelle flogen selbst am 100 m entfernten Würstchenstand noch Brötchen und Senf heillos durcheinander. Verletzt wurde glücklicherweise keiner.

Bochum, Ruhrwiesen, 21.07.1974

Der erste Auftritt von GROBSCHNITT im Dezember 1974 in Berlin war jedoch eine einzige Pleite, von der aber noch lange gesprochen werden sollte, da die an diesem Abend während ´Solar Music´ ausprobierte Nebel-Mixtur den Zuschauern sozusagen den letzten Atem raubte. Das Publikum kannte weder das berüchtigte Feuerwerk noch die Nebelshows und wurde vollkommen unvorbereitet vom Nebel eingehüllt, der an diesem Abend aber nicht nur die Sicht trübte, sondern Husten und Brechreiz auslöste. Die Band spielte tapfer weiter, musste allerdings am Ende feststellen, dass alle Leute den Saal verlassen hatten. Welch ein Desaster. Die verunglückte Nebelshow sprach sich dennoch schnell in der Stadt herum, so dass bei der zweiten Show am folgenden Abend die Location mehr als nur voll war. Berlin wollte GROBSCHNITT hören und sehen, solange man sie ohne Nebel sehen konnte.

Ende des Jahres 1974 entschied sich Baer, GROBSCHNITT zu verlassen und sich auf seinen weiteren Werdegang als Lehrer zu konzentrieren. Glücklicherweise konnte er seinen Nachfolger Popo (Wolfgang Jäger), später Hunter genannt, noch einarbeiten. Popo (geboren am 28.03.1953 in Herne, gestorben am 3.05.2007 in Hagen) entstammte der Hagener Musikszene.

Am 15. Februar 1975 fand die Premiere der „Sahara-Show“ auf dem ersten Konzert nach einjähriger Konzertpause statt. Große Showeffekte, mehr als Licht und Nebel, mit Schnee und Flammen, ein großes Feuerwerk gehörten zu den Elementen eines Konzerts und wurden konsequent ausgebaut. Und diese meist vierstündigen Happenings begannen schon fast wie ein Ritual mit den Worten: „Es spielen für Euch heut´ die tollen Sechs aus Hagen, dem Tor zum Sauerland.“

Vater Schmidt

Das folgende Album ´Jumbo´ sollte das erste Werk einer deutschen Band sein, das in englischer als auch in deutscher Sprache veröffentlicht wurde. Dies verschaffte ihnen tatsächlich einen größeren Erfolg in heimischen Landen, der natürlich durch zahlreiche Tourneen unterstützt wurde. Aber selbst im Ausland wurden die Leute immer mehr auf GROBSCHNITT aufmerksam. Ein Wendepunkt hinsichtlich der kompletten Zuwendung zu deutschen Texten sollte `Jumbo´ nicht werden, wurden doch die Nachfolger erst einmal wieder in Englisch veröffentlicht. Es war zunächst ein Experiment, das in der aufstrebenden Krautrock-Szene einige Gleichgesinnte zutage fördern sollte.

Im Frühjahr 1975 starteten die Aufnahmen zu ´Jumbo´, diesmal sogar mit einem etwas höheren Budget. Dennoch war Conny Plank erstaunt, wie gut die Band vorbereit war und selbst die schwierigsten Songs in kürzester Zeit aufgenommen waren. Die englische Version erschien im September des Jahres. Anschließend wurden alle Texten komplett umgeschrieben und ausgearbeitet, so dass Wildschwein Anfang 1976 die Lieder in Deutsch neu einsingen konnte. Das deutsche Album stand schließlich im April in den Plattenläden. Das Cover-Artwork wurden erneut ziemlich eigen vom Hamburger Künstler Petrus Wandrey gestaltet. Ursprünglich für einen Wettbewerb der Fernsehzeitschrift ´Hörzu´ gestaltet, wie am ebenfalls eingearbeiteten Logo zu erkennen ist, befinden sich auf dem Flugzeug einige bekannte Werbefiguren (Meister Propper, HB-Männchen, Clementine, Sarotti-Mohr, Tim und Bello, Jägermeister, Ariel etc.) wieder. Die Band konnte mit dem Cover zuerst überhaupt nichts anfangen, weil ihr der Bezug zur Grobschnitt-Musik fehlte. Aus Zeitgründen stimmte sie dann aber mit den Worten zu: „Wenn wir so viele Alben verkaufen, wie in einen JUMBO reinpassen, ist das okay mit dem Cover“.

Dennoch war der musikalische Stilumbruch recht einschneidend, entsprach jedoch irgendwie auch dem Zeitgeist der 70er. Die Ideen des sogenannte `Autorenteam Elias Grobschnitt´ stammten grundsätzlich von den einzelnen Musikern, die letztlich immer gemeinsam ausgearbeitet wurden. Während das Gitarrenstück `Sunny Sunday´s Sunset´ eher auf Lupo zurückzuführen ist, kamen die Einfälle zu ´The Excursion Of Father Smith´ von Mist, Eroc, Wildschwein und Lupo gemeinsam. Mist unterstützte ab diesem Album auch Eroc in einem Song bei den Texten. Gerade die Hinwendung zu sinfonischeren Elementen des Prog Rocks, wie ihn in diesen Jahren auch GENESIS oder YES zelebrierten, wurde insbesondere durch Mist vorangetrieben. Die Textzeile „Heut´ ist ein schöner Tag“ zur deutschen Version des Songs ´Vater Schmidt´s Wandertag´ wurde indessen bald zum Kult-Slogan der Fans, die ab 1975/76 von GROBSCHNITT jeweils mit einer Frühjahrs- und einer Herbst-Tournee beglückt wurden.

Maraboo

Die ersten Ideen zu ´Rockpommel´s Land´ kamen der Band bereits direkt nach `Jumbo´, doch diesmal hatte die Band genügend Zeit, das gesamte Werk endlos lange zu proben. GROBSCHNITT befanden sich folglich im Zenit ihrer instrumentalen Fähigkeiten. Jede einzelne Note, jeder einzelner Beat war bereits in ihren Köpfen niedergeschrieben, als sie im November 1976 für vier Monate ins neue Studio von Conny Plank gingen.

´Rockpommel´s Land´ war das erste vollständige Konzeptalbum von GROBSCHNITT – ganz so, wie es jede großartige Gruppe zumindest einmal in ihrer Laufbahn schuf. Die Story dahinter basierte auf einer Idee von Keyboarder Mist: Ein kleiner Junge lässt einen Papierflieger durch die Luft segeln, geradewegs in allerlei fantastische Abenteuer. Dahinter verbirgt sich der Drang eines Jeden, aus der Gesellschaft, aus dem täglichen Dasein auszubrechen, um sich seinen Lebenstraum zu erfüllen. Zeitkritik mit Rockmärchen-Appeal. Lupo komponierte all die traumhaften Melodien und verwob sie mit den Klängen von Keyboarder Mist. Wildschwein versah zuerst alle Textstellen mit ´la-la-la´s, die sich langsam, über Wochen hinweg, mit den Textzeilen über die Geschichte von Ernie, den Blackshirts oder dem großen Vogel Maraboo füllten.

GROBSCHNITT befanden sich künstlerisch auf dem Höhepunkt ihres Schaffens, ´Rockpommel´s Land´ war die Krönung dieser Entwicklung. In einer Zeit, in der sich die Blütezeit des Prog Rocks, dem sie sich nie zugehörig fühlten, ihrem Ende zuneigte, brachten im Jahr der Veröffentlichung von ´Rockpommel´s Land´ ebenfalls ISLAND (´Pictures´), PINK FLOYD (´Animals´), ELOY (´Ocean´), YES (´Going For The One´) sowie RUSH (´A Farewell To Kings´) nochmals große Werke heraus. Dessen ungeachtet wurde die Band mit ´Rockpommel´s Land´ bei Kritikern weiterhin als deutsche Antwort auf YES oder GENESIS angesehen, da sogar das Coverartwork von Heinz Dofflein sehr an die prägenden Cover von Roger Dean angelehnt war. Eroc hingegen setzte diesen von Mist eingebrachten Einflüssen immer wieder spaßige Zappaeske-Einfälle entgegen, obwohl der berühmt-berüchtigte Humor diesmal aufgrund des Konzepts fast komplett zurückgefahren wurde.

Diese Entwicklung von GROBSCHNITT befürwortete anfangs leider nicht jeder Alt-Fan. Für sie sollte die Band mit Gefühl, statt mit dem Kopf spielen – eine typische ´Kick-Ass´-Band und keine `Head´-Band. Ein Bekannter, ein Automechaniker, der immer die Band-LKWs reparierte, beschwerte sich gar über die Kompliziertheit der Musik. Ein Telefonat darüber schnitt Eroc sogar eines Tages mit und veröffentlichte diese Schimpftirade auf seinem dritten Soloalbum. Doch das Album war und ist ein Grower – nach jedem weiteren Durchgang, nach jedem weiteren Jahr wuchs die Zahl der Liebhaber dieses Werkes. Das Album selber wurde dagegen über das gesamte Jahr hinweg immer wieder komplett auf den Bühnen live aufgeführt. Die Livepremiere fand am 4. März 1977 in Dingolfing, Bayern, statt – inklusive der neuen „Ernie Show“ mit Eroc als Märchenonkel und Toni Moff Mollo als Little Ernie, die zuweilen über zwanzig Minuten ging und Kultstatus erreichte. Anfangs war das Publikum von ´Rockpommel´s Land´ so irritiert oder fasziniert, dass Eroc eines Abends an den Bühnenrand ging und dem Publikum mitteilte, dass es nun applaudieren könne, da das Lied vorbei sei.

Solar Music Live, 1978

Unterdessen entwickelte sich der Song ´Solar Music´, ehemals 1974 auf ´Ballermann´ veröffentlicht, zu weit mehr als nur einem festen Bestandteil der Live-Auftritte von GROBSCHNITT. Er nahm zumeist den kompletten zweiten Part der Shows ein und wuchs auf eine Länge von fast einer kompletten Stunde. Daher fasste die Band den Entschluss, dass dieses Stück als das erste offizielle Live-Album in die Band-Geschichte eingehen sollte. Zudem sollte es bald als eines ihrer beliebtesten Alben und als eines der wichtigsten Aufnahmen nicht nur der Krautrock-Ära gelten.

Da die Plattenfirmen-Budgets jedoch nicht so umfangreich waren, besorgte sich Eroc einfach eine Acht-Spur-Maschine und ließ sie bei den Konzerten mitlaufen. Mehr als 20 Shows konnten so auf der Frühjahrstournee 1978 mitgeschnitten werden. Letztlich fiel die Wahl für das Album auf das Konzert vom 7. April im Otto Pankok Gymnasium in Mühlheim an der Ruhr. Somit wurden die 50 Minuten der zweiten Hälfte dieses Live-Auftritts vom 7. April 1978 als Konzert-Release verewigt. In späteren Jahren sollte sich Eroc die Mühe machen, weitere Versionen von ´Solar Music´ in der losen Reihe ´The History Of Solar Music´ zu veröffentlichen. Einfach allein aus dem Grund, weil kein Auftritt dem anderen glich und jeder Auftritt andere Emotionen sowie Soundqualitäten zutage brachte.

Merry-Go-Round, 1979

1979 endete eine kleine Ära, da die Band fortan ohne Studio-Engineer Conny Plank arbeiten wollte. Zuvor hatten GROBSCHNITT sogar einen größeren Umbruch gewagt, den Übungsraum im Theodor-Heuss-Gymnasium in Hagen verlassen und einen Bauernhof in der Nähe von Wuppertal angemietet. Nach sechs Monaten Proben begannen in den Studios von Rüssl-Räckords, deren Besitzer Otto Waalkes war, die Aufnahmen zum nächsten Album ´Merry-Go-Round´. Als Engineer und Co-Produzent fungierte von Mai bis Juli unterdessen Walter Quintus. Neu war zudem, dass Toni Moff Mollo bei den Aufnahmen im Studio Gesangparts übernahm und somit nicht nur die mehrstimmen Gesangspassagen mit Wildschwein aufwertete. So wurde er zum ersten singenden Lichtorgelspieler.

Das Coverartwork von ´Merry-Go-Round´ basierte des Weiteren auf einer Idee von Keyboarder Mist, der als begeisterter Modelleisenbahn-Liebhaber eine Szenerie in Bezug auf die Songtexte ersann, die schließlich auf dem Cover mit den Jungs von Village People, dem Coke-Train und vielem mehr zu finden war. Die sich anschließende Tournee wurde mit über 100.000 Zuschauern zur erfolgreichsten der bisherigen Bandgeschichte. Unterwegs mit drei Zehntonnern und einem Reisebus, spielten GROBSCHNITT das gesamte Album auch auf ihren Konzerten und perfektionierten ihre Showelemente in Verbindung mit den selbst angefertigten Requisiten und Outfits. Ohne Frage, GROBSCHNITT mussten weiterhin als Deutschlands beste Live-Band bezeichnet werden.

Whopedi-da-da, Whopedi-da-da, Whopedi-Whopedi-Whopedi-Whopedi-da-da

Unterdessen erfuhr ihr Meisterstück ´Solar Music´ eine Metamorphose. Es wurde in seiner neuen Version als ´Powerplay´ kürzer sowie kompakter aufgeführt und kam bei seiner Live-Darbietung nur noch auf eine gute halbe Stunde Spielzeit. Obwohl sie ihre ´78-Version mit Begeisterung dargeboten hatten, nahmen sie jetzt zur Auffrischung kompaktere Keyboard-Arrangements vor. Schneller und direkter sollte es zur Sache gehen. Dennoch schafften sie Raum für neue Improvisationen. Natürlich blieb das GROBSCHNITT-Flammeninferno als wahrer Höhepunkt dem Stück erhalten.

Volle Molle, 1980

Um ihren Status als angesehene Live-Band zu untermauern, ging Eroc Anfang 1980 mit dem aufgenommenen Material der Herbsttournee ´79 ins Studio, um aus allen Bändern das beste Material für ein neues Live-Werk namens ´Volle Molle´ auszuwählen. Der Übersong ´Solar Music´ wurde bereits zwei Jahre vorher ausgiebig auf dem entsprechenden Live-Werk konserviert, so dass sich ´Volle Molle´ nun anderem Material widmen konnte.

Der Albumtitel ging hingegen auf die ausgiebigen Konzerterlebnisse der Band in Berlin zurück. Das ‚Quartier Latin‘ in der Potsdamer Straße wurde sozusagen zum Wohnzimmer von GROBSCHNITT. Seit 1974 trat die Band hier regelmäßig auf, zuweilen an drei, vier oder sogar fünf Tagen hintereinander. Zu Ostern fanden regelrechte GROBSCHNITT-Happenings statt, so dass die Gruppe bis heute mit fast 40 Live-Auftritten den ewigen Rekord im ‚Quartier Latin‘ hält. Der Titel ´Volle Molle´ war dabei nicht nur an „ein Glas Bier“ oder einen „dicken Bauch“ angelehnt, sondern an die zwei Roadies Volker (´Volle´) Quermann und Toni Moff Mollo (´Molle´), den man bei seinem Sprung aus dem Stand vorne auf dem Coverartwork sieht.

Im Anschluss an die Herbsttour des Jahres 1979 gingen die Band und ihr Bassist Popo Hunter getrennte Wege. Für ihn stieg Milla Kapolke, bekannt von diversen Hagener Coverbands, ein. Unterdessen hatte Eroc mit dem Instrumentalstück ´Wolkenreise´ einen Single-Hit gelandet, der bis auf Platz 32 der deutschen Charts hochstieg. Die eingängige Melodie, unter Einsatz eines Akkordeons, fand ursprünglich seine Verwendung zur Eröffnung der GROBSCHNITT-Konzerte. Auf Erocs Album ´Eroc 3´ in 1979 veröffentlicht, entwickelte es sich über Radio-Einsätze zum Dauerbrenner und blieb gar 32 Wochen in den Radio-Charts. Von dem Erlös richtete er sich in der Scheune des bandeigenen Bauernhofs ein professionelles Studio ein. Dadurch konnte sich die Band erstmals über einen längeren Zeitraum hinweg in einem Studio aufhalten, so dass sie in 1980 ausgiebig diesen Spielraum nutzten.

Das Album ´Illegal´ erschien schließlich im März 1981, zu dem Neubassist Milla Kapolke bereits einige Texte beigetragen hatte. Das Instrumentalstück ´Silent Movie´ wurde sogar überraschend zum Dauerbrenner in den Radiostationen des Landes und mit dem Titelstück setzten sie der Stadt Dortmund ein kleines, nicht unbedingt schmeichelhaftes Denkmal. Vertonten sie mit diesem Song die Affäre um drei Musiker der Gruppe MEK, die ohne behördlichen Stempel in der Fußgängerzone der Stadt musizierten und allein aufgrund dessen auf der Anklagebank landeten.

Neues Album, neue Show, drei bis vier Stunden auf der Bühne. Die anschließende Tournee sollte GROBSCHNITT auf dem Höhepunkt ihres Erfolges sehen. Durch 45 Städte der Bundesrepublik sollte diese marschieren. Bei ihren Live-Shows hielten GROBSCHNITT zu diesem Zeitpunkt weiterhin noch nichts von kurzen Konzerten, gab doch Lupo einst zu Protokoll, dass sie erst nach 90 Minuten richtig warmgespielt wären. Und so mieteten sie zur Vorbereitung in Menden eine Halle für die Tour-Proben an, denn auf dem Programm standen auch Showeinlagen mit einem Detektiv, Zahnarzt, Bischof und Bombenleger, einem Kandidaten-Quiz mit „Balli Balli“ und „Dr. Salzmann“ sowie `Solar Music´ in seiner neuesten „Powerplay“-Version.

Dr. Salzmann, 1981

Für viele Besucher weit imponierender als die damalige ´The Wall´-Show PINK FLOYDs und die „The SPLIFF Radio Show“. Während andere Gruppen zu jener Zeit ihre Konzerte mit rückläufigen Besucherzahlen absolvierten, verdoppelte die Band gerade in Süddeutschland ihre Besucherzahlen und räumte ansonsten wie zuvor ab. Ihre erfolgreichste und bestbesuchte Tour – mit dem Finale in der Essener Grugahalle unter Anwesenheit von 5.000 euphorischen Besuchern. Das letzte GROBSCHNITT-Konzert auf der Tour fand übrigens am 27. Juni 1981 beim Open-Air-Festival in Ibbenbüren vor mehr als 10.000 Zuschauern statt.

1982 nahmen GROBSCHNITT ihr nächstes Werk in Angriff. Trotz haufenweisem Material wurde während der Produktion in der Scheune weiter an neuen Songs gefeilt, die letztlich für zwei Alben ausgereicht hätten. Leider trennten sich hier die Wege von Keyboarder Mist und der Band. Daher übernahm Eroc neben seiner Funktion als Schlagzeuger sowie Texter vieler Songs obendrein den Job des Keyboarders, da erst anschließend die Position neu besetzt werden sollte. Einen Stilwechsel leitete die Band mit der neuen musikalischen Ausrichtung ein. In Deutsch gesungen, waren die Songs auf ´Razzia´ kompakter und direkter, ein Vergleich mit der zeitgleich grassierenden Neuen Deutschen Welle unvermeidbar, aber bandintern weder geplant und erst recht nicht gewünscht. Gerade so ein Titel wie ´Schweine im Weltall´ lief bei GROBSCHNITT strategisch gewollt unter der Rubrik „NDW-Persiflage“.

Dennoch agierten die Herrschaften weit entfernt von den oftmals nur mit drei Akkorden auskommenden Combos dieser Welle. Vor allem waren GROBSCHNITT eine echte und über einen langen Zeitraum gewachsene Band. Dies konnten die meisten Gruppen der Neuen Deutschen Welle nicht von sich behaupten. Gleichzeitig wurden mit dieser Stilausrichtung aber auch Leute angesprochen, die nun erstmals näheren Kontakt mit den Band-Klassikern ´Solar Music´ und ´Rockpommel´s Land´ aufnahmen. Letztlich musste ´Razzia´ bei den Live-Shows geliebt und genossen werden. Die Band setzte mit ihren Bühnendekorationen und Kostümen neue Maßstäbe. Das Bühnenbild sollte die Gegensätze des Albums widerspiegeln und wurde daher ganz in „Schwarz-Weiß“ gehalten. Als Keyboarder kam Jürgen Cramer ins Boot.

Die Songs ´Wir wollen sterben´, mit dem Tod im weißen Gewand und einem Kirchenfenster mit dem Zeichen für Radioaktivität, die Live-Persiflage ´Schweine im Weltall´, mit Fleischermeister „Ferdinand Presssack“ und der gesamten Band in schweißtreibenden Kostümen, und das allerorts mitgesungene ´Wir wollen leben´ waren letztlich überaus aufwendig gestaltet und verlangten auch physisch von den Musikern alles ab. Natürlich alles mit dem einmaligen GROBSCHNITT-Humor gewürzt.

Unerwartet entwickelte sich derweil ´Wir wollen leben´ zum Protestsong, natürlich flankiert von der Plattenfirma. Zeitgleich mit den Protesten zum Bau der Startbahn-West am Frankfurter Flughafen kam der Umweltbewegung der von Lupo und Wildschwein komponierte sowie von Eroc getextete Song gerade recht. Urplötzlich wurde die Band auch zu TV-Auftritten eingeladen, und alle, die GROBSCHNITT nicht wirklich kannten, reduzierten die Band auf diesen Song. Selbst heutzutage hat der Titel nichts von seiner Strahlkraft verloren und avancierte zuletzt beim Stuttgart-21-Bahnprojekt wieder zum Symbolsong.

Und so wurden GROBSCHNITT bei den anstehenden Konzerten gefeiert, obwohl der erste Abschnitt der Konzerte ausschließlich aus Material von ´Illegal´ und ´Razzia´ bestand. Die anschließenden Songs aus allen Band-Perioden inklusive ´Solar Music´, das das reguläre Programm abschloss, ließen schließlich niemanden unglücklich nach Hause gehen.

Die ´Razzia´-Tour war zudem nicht weniger erfolgreich als die Tourneen zuvor, und paradoxerweise standen bei den Livekonzerten diejenigen, die GROBSCHNITT von vielen Konzerten her kannten, in Reih und Glied mit denen, die die Band live noch nie gesehen hatten und für die GROBSCHNITT die ‚Wir wollen leben‘-Startbahn-West-Frontmusikanten waren. Das hatte schon etwas besonderes und steigerte sich dann darin, dass beide Gruppen ‚Solar Music‘ und ‚Wir wollen leben‘ gleichermaßen abfeierten. Wer GROBSCHNITT und das ´Razzia´-Album in dieser Zeit verstehen wollte, musste ins Konzert kommen.

 

 

… to be continued …

 

 

 

 

Alben:

Grobschnitt (1972) (Review hier)
Ballermann (1974) (Review hier)
Jumbo (1975) (Englisch)
 (Review hier)
Jumbo (1976) (Deutsch)
 (Review hier)
Rockpommel’s Land (1977)
 (Review hier)
Solar Music Live (1978)
 (Review hier)
Merry-Go-Round (1979) 
(Review hier)
Volle Molle (1980)
 (Review hier)
Illegal (1980)
 (Review hier)
Razzia (1982)
 (Review hier)
Kinder und Narren (1984)
 (Review hier)
Sonnentanz (1985)
Fantasten (1987)
Last Party Live (1990)
Grobschnitt Live 2008 (2008)
Acoustic Album (2022) (Review hier)

 

Archive-Releases:

Die Grobschnitt Story 1 (1994)
Die Grobschnitt Story 2 (1998)
Die Grobschnitt Story 3: The History of Solar Music Vol. 1 (2001)
Die Grobschnitt Story 3: The History of Solar Music Vol. 2 (2002)
Die Grobschnitt Story 3: The History of Solar Music Vol. 3 (2002)
Die Grobschnitt Story 3: The History of Solar Music Vol. 4 (2003)
Die Grobschnitt Story 4: Illegal Tour 1981 Complete (2003)
Die Grobschnitt Story 3: The History of Solar Music Vol. 5 (2004)
Die Grobschnitt Story 5 (2004)
Die Grobschnitt Story 6: Rockpommel’s Land And Elsewhere… (2006)

 

Compilations: Grobschnitt (1978), The International Story (2006)


Box: 79:10 (2015)

 

In jahrelanger Vorarbeit haben Lupo und Eroc an der Restaurierung des gesamten Werkes der Band gearbeitet. Sie entdeckten in ihren Archiven nicht nur viele unentdeckte Schätze, sondern ließen diese Aufnahmen vom Remastering-Spezialisten Eroc überarbeiten. „Das ist ein Wahnsinns-Cocktail aus zum Teil ganz frühen Improvisationen, Studiosessions, nie gehörten Alternativ-Mixen und epischen Live-Mitschnitten“, sagt Lupo. Der Kenner dürfte insbesondere von den drei bisher unveröffentlichte ´Solar Music´-Live-Aufnahmen entzückt sein, inklusive der 53 minütigen Version vom ´Last Party´-Konzert am 4. Dezember 1989 in Hagen. Das limitierte Deluxe-Boxset ´79:10´ umfasst folglich neben allen 14 Alben auf 17 CDs allein sieben Stunden Bonusmaterial. Jedes Album besitzt interessanterweise eine einheitliche Länge von „79 Minuten und 10 Sekunden“. Dies wurde nicht nur anschaulich im Artwork mit der „79:10 Uhr“ dargestellt, sondern erklärt zudem den Namen der Box.

Diese enthält außerdem ein dickes 92-seitiges Buch in gleicher Größe – inklusive Bildern, Presseberichten, Songtexten und persönlichen Geschichten, die die Bandhistory von den späten Sechzigern bis Ende 1989 dokumentieren. Ferner sind Erinnerungen an die Vorgängerband THE CREW aus der Zeit von 1966 bis 1969 berücksichtigt worden. Ein Kunstdruck des Innencovers von ´Rockpommel’s Land´ liegt, handsigniert von den Gründungsmitgliedern Lupo, Eroc und Willi, ebenfalls bei. Alle Alben befinden sich in einem edlen Mintpack, einem dünnen Gatefold-artigen Digi. Das Remastering der Alben soll nun das letzte seiner Art sein, sozusagen das ´Grobschnitt-Klang-Vermächtnis´.


Pics: Grobschnitt