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ARMORED SAINT– Win Hands Down

~ 2015 (Metal Blade) – Stil: Heavy Metal / Hardrock ~


Leute, HALTET! MICH! FEST!

John Bush, Joey Vera, die Sandoval-Brüder Phil & Gonzo und Jeff Duncan haben es mit ihrem neuen Album tatsächlich geschafft, an die Band-Klassiker ‚Delirious Nomad‘ (1985) und ‚Symbol Of Salvation‘ (1991) anzuknüpfen. ‚Win Hands Down‘ ist eine der stärksten Metal-Scheiben der letzten zwei Dekaden geworden und wird allen Skeptikern, die ARMORED SAINT nach ‚Revelation‘ und ‚La Raza‘ keinen großen Wurf mehr zugetraut haben, Herz, Seele und Hosenknöpfe öffnen.

Aber der Reihe nach.

Freilich, auch ich hatte Bammel, was uns Pasadena’s Finest fünf Jahre nach dem Zweidrittel-Knaller ‚La Raza‘ auftischen würden. Der vorab im Netz veröffentlichte Titelsong haute mit seiner umwerfenden, an ‚Creepy Feelings‘ und ‚Dropping Like Flies‘ erinnernden Frische und Power dann allerdings gleich dermaßen rein, dass die Zweifel im Nachgang noch wuchsen: Würde dieses Niveau auf Albumstrecke zu halten sein?

YES, IT CAN!

Zwar springt von den übrigen acht Songs nur das 500-PS-Knattermonster ‚With A Full Head Of Steam‘ so beherzt ins Ohr wie erwähnter Titeltrack, doch das ist keinesfalls ein Makel. Im Gegenteil: Schließlich haben sich ARMORED SAINT noch nie über plakative Eingängigkeit definiert, sondern in erster Linie über die sich langsam, aber umso nachdrücklicher entfaltende Pracht ihrer ausgefeilten Kompositionen. Bei den Kaliforniern gibt’s immer neue Details zu entdecken: hier eine funkelnde Gitarrenharmonie, dort eine verknotete Bass-Figur – doch die Hauptsache ist und bleibt stets der Song. Chefkomponist und Viersaiten-Berserker Joey Vera wurde beim Austüfteln des Materials wohl stündlich von der Muse geküsst, ebenso Schmirgelstimmengott Bush, der wie immer um sein Leben singt und seine güldenen Stimmbänder beizeiten unbedingt der Glücksforschung vermachen sollte.

Wer nach Spurenelementen SAINT’scher Backkalalog-Juwelen schürfen will, wird auf ‚Hands Win Down‘ vielerorts fündig werden. Das knallharte ‚Mess‘ atmet den Geist von ‚Tribal Dance‘, im folgenden ‚A Lesson In Debauchery‘, bei dem sich Bush textlich dem Thema Pornosucht widmet, verschleppen Gonzo und Joey geschickt das Tempo, lassen die Gitarreros eine federnde Bridge spannen, um den Lurch im Refrain gemeinsam so richtig zu würgen. Entspannung verschafft im Anschluss das melancholische ‚Muscle Memory‘. Ein Melodien-Aquarell, wie es nur ARMORED SAINT pinseln können. 24 Jahre nach ‚Last Train Home‘ ist endlich der Anschlusszug gefunden.

Und damit nicht genug. Auch zwei Premieren gibt’s auf ‚Win Hands Down‘ zu feiern. Bei der erwähnten Dampframme ‚With A Full Head Of Steam‘ hat John Bush die singende Ehefrau seines Ex-Chefs bei ANTHRAX, Scott Ian, neben sich ans Mikrofon gelassen. Mit Erfolg. Pearl Aday (MOTORSISTER, PEARL), früher als Backgrundsängerin mit ihrem Adoptivvater Meat Loaf unterwegs, ist ein energetischer Mehrwert für die Heiligen – Mr. Schmirgel hat seine Mrs. Reibeisen gefunden! SAINT-Novum Nummer zwei: In ‚Dive‘ übernehmen erstmals Pianoklänge die Führungsrolle – quasi die Vollendung dessen, was mit dem Herzwringer ‚Another Day‘ vor einem Vierteljahrhundert begonnen wurde.

Bleiben die drei Songs, die zusammengenommen den halben Punkt zur Höchstwertung kosten. ‚That Was Then, Way Back When‘, eine augenzwinkernde Abrechnung mit Facebook/Realitäts-Verwechslern, ist musikalisch nur ein höchst solider Galopper ohne herausragenden Spannungsbogen geworden, ‚In An Instant‘ mangelt es bei aller Dynamik, gesanglicher und instrumenteller Virtuosität etwas an innerem Zusammenhang. ‚Up Yours‘ schließlich fügt sich in die traditionell knallende, aber nicht sehr nachhallende Reihe der SAINT-Rausschmeißer ein, obschon die Nummer mit ihrem QUEEN-Gedächtnischor nach zweieinhalb Minuten und dem lässig-punkigen Refrain durchaus Partyqualitäten aufweist.

Lange Rede, kurze Botschaft: Wer wissen will, wie origineller, intelligenter und zeitloser Metal anno 2015 zu klingen hat, muss sich ‚Hands Win Down‘ ins Haus holen. The Saints march on!

(9,5 Punkte)