PlattenkritikenPressfrisch

PHILM – Time Burner

~ 2021 (Metalville) – Stil: Avantgarde Rock / Metal ~


PHILM zeigen mit jedem Werk ein neues Gesicht. Musikalisch betrachtet. Eine weitere Sternstunde bahnt sich auch beim dritten Studioalbum ´Time Burner´ an, ganz gleich welches Mega-Ego hinter dem Schlagzeug sitzt. Denn Schlagzeuger Dave Lombardo verkündete nach dem letzten Werk frank und frei, dass er höchstpersönlich PHILM beendet hätte. Sänger/Gitarrist/Pianist Gerry Nestler (CIVIL DEFIANCE, KKLEQ MUZZIL, SUPER RIDER) und Bassist Pancho Tomaselli (WAR, PROJEKT N-FIDELIKAH, ULTRAPHONIX) lachten nur kurz über diese niemals zuvor miteinander kommunizierte Aussage und klärten die rechtlichen Angelegenheiten.

Gerry Nestler musste bei seinen Planungen für das Projekt PHILM ohnehin bereits 2002 auf den flatterhaften Schlagwerker verzichten, als dieser nochmals zu SLAYER stieß. Und so produzierte er dereinst das geplante Album einfach ohne Lombardo unter dem Namen KKLEQ MUZZIL. Jahre später blühte das Trio Infernale tatsächlich unter dem Banner PHILM auf und veröffentlichte die bekannten Göttergaben ´Harmonic´ (2012) und ´Fire From The Evening Sun´ (2014). Zu einer Fortführung kam es bekanntlich nicht, dabei wurde ´Time Burner´ noch vor Gerry Nestlers wunderbarem Solo-Klavier-Werk ´Mama’s Child´ (2018) komponiert.

Aktuell sitzt der in Venezuela geborene Schlagzeuger Anderson „The Beast“ Quintero als neuer Mitstreiter hinter den Kesseln und feiert mit Gerry Nestler und Pancho Tomaselli die Wiedergeburt von PHILM. Selbstverständlich gibt es ein Leben nach und ohne Dave Lombardo.

 

 

Das Drittwerk ´Time Burner´ ist ein neuerliches Schaulaufen des Avantgarde Rock / Metal geworden, mit Spritzern aus dem Jazz, aus dem Psychedelic Rock sowie nicht zu vergessenden Zutaten aus den goldenen Tagen von CIVIL DEFIANCE. Ohne CIVIL DEFIANCE gäbe es schließlich weder KKLEQ MUZZIL und PHILM noch andere Formationen, die mit eben jener Stilistik auf noch hörbarer Reichweite sogar weit berühmter wurden. Dieser einmalige Klang des versammelten Instrumentariums zeigt sich sogleich in ´Cries Of The Century´. Doch diese Komposition ist gegenwärtig wilder und hüpfwilliger. Der Gesang schreit genauso ekstatisch und wenn er dabei so richtig in einen Taumel gerät, drängt er direkt aus der tiefen Magengegend hervor. Mittendrin gönnt sich der Opener jazzige Ausbrüche, die zum Ende andächtig ausklimpern.

Im weiteren Verlauf können bei ´The Seventh Sun´ ebenfalls wehmütige Gedanken aufkommen, die jedoch durch Wutausbrüche und Heavy-Riffs unterbunden werden. Dagegen ist ´Steamroller´ ein Wirbelwind mit schrubbenden Gitarren und lustvollem Gesang. Das Death-Riff wandelt sich dabei zum Doom-Schwinger aus Birmingham. Die Trio-Konstellation gönnt sich unterdessen wieder wilde Ausflüge, baut die Schwere des Riffs aber bis zum Abgang wieder auf.

Spanische Zeit ist diesmal Psychedelic-Time. ´Spanish Flowers´ wandert aus einem dunklen Singer-Songwriter-Stück geradezu postrockig auf der strahlenden Leiter in die himmlischen Sphären. Psychedelia im Sinne der Sechzigerjahre in der Offenbarung der Gegenwart. Mit ´1942´ widmen sich PHILM dem Völkermord mitten in Europa, der spätestens 1942 systematisch begann. Deportationszüge aus fast ganz Europa fuhren jüdische Familien in Konzentrations- und Vernichtungslager. Das schwingende Markenzeichen von PHILM zeigt sich dabei mit Fuzz im Stoner-Doom-Blues. Solche Kompositionen wären in einer anderen Trio-Konstellation niemals möglich gewesen.

Eine imaginäre Vereinigung von Miles Davis und Jim Morrison zu Soundsheets von Daniel Lanois führt ´Like Gold´ in eine weitere Dimension. Vielleicht gar nicht so weit von VELVET UNDERGROUND und New York entfernt. Das Klavier steht dafür bei den beiden jazzigen Instrumentals ´Wade Through Water´ und ´Evening Star´ im Mittelpunkt. Bei dem sehr aufgeräumten ´Wonka Vision´ sticht der Funk-Groove hervor. Ein leicht täuschendes Ablenkungsmanöver, ehe der Song einen wilden Hardcore-Ausbruch erlebt. Das längste Stück, ´Time Burner´, beschließt über elf Minuten dieses Ausnahmewerk der Band aus Los Angeles. Diese pure instrumentale Verständigung von drei Musikern bezeugt ihre erste gemeinsame Zusammenkunft und schenkt dem Album maßgeblich seinen Titel.

(8,5 Punkte)

https://www.facebook.com/PHILMband/


(VÖ: 19.02.2021)