PlattenkritikenPressfrisch

EYESBERG – Claustrophobia

~ 2021 (Progressive Promotion Records) – Stil: Progressive Rock ~


Das aktuelle Kapitel in der Historie von EYESBERG füllt sich gerade mit dem dritten Studioalbum. Nachdem das erste Band-Kapitel, das Ende der Siebzigerjahre aufgeschlagen wurde, allein mit Konzerten und ohne Studioalbum im Jahre 1987 geschlossen wurde, sind Norbert Podien (Keyboards), Georg Alfter (Gitarre, Bass) und Malcolm Shuttleworth (Gesang) seit einer Dekade wieder sehr rege.

Der aus Manchester stammende Malcolm Shuttleworth stieß einst im Jahre 1980 zu EYESBERG ins Rhein-Main-Gebiet. Von den Männern der Achtzigerjahre, Michael Buchner und Thomas Klarmann, ist letztgenannter heutzutage bei ARGOS tätig. Erst dem heutzutage wieder aktiven Trio Alfter/Podien/Shuttleworth ist es jedoch überhaupt zu verdanken, dass der Name EYESBERG in der Progressive Rock-Szene geläufig und namhaft ist.

Das gegenwärtige Kapitel füllte sich 2014 mit der Veröffentlichung frisch überarbeiteter Kompositionen aus den Achtzigerjahren (´Blue´) sowie zwei Jahre später mit neuen Kompositionen in einem sehr eigenständigen Prog Rock (´Masquerade´). Bereits hier bedienten sie sich der Erfahrung und den Fähigkeiten von Jimmy Keegan (ex-SPOCK’S BEARD, PATTERN SEEKING ANIMALS) am Schlagzeug und dieses Mal sogar obendrein beim Mix und Mastering.

 

 

EYESBERGs Erfolgsgeheimnis ergibt sich aus einem Progressive Rock, der sich irgendwo in den Weiten zwischen GENESIS und IQ einfindet, aber die klebrige Süße des Neo Prog niemals an sich lässt. Zudem gelingt ihnen beim Befüllen des jetzigen Kapitels mit ´Claustrophobia´ der Spagat, Kompositionen zu präsentieren, deren musikalischer Ursprung sowohl in den späten Siebzigerjahren als auch Achtzigerjahren zu suchen ist.

Konzeptionell beschäftigt sich ´Claustrophobia´ mit dem Leben des niederländischen Malers und Zeichners Vincent van Gogh (* 30. März 1853 – † 29. Juli 1890), der zu den Begründern der modernen Malerei gezählt wird. EYESBERGs Ausführungen entsprechen in ´Claustrophobia´ indes keinem schablonenhaften Prog Rock. Der elfminütige Titelsong ´Claustrophobia´ thematisiert den Einfluss von Vincents Mutter, die als freudlos und trübsinnig charakterisiert wird, auf dessen Heranwachsen. Anfängliche PINK FLOYD-Atmosphäre wird umgehend von Neo Prog- plus 70s-Prog-Darstellungskünsten abgelöst. Infolgedessen reift in Vincent ein ´Strange Boy´ heran, gespickt mit 80s-Drums und -Keyboards. Passend zum Handlungsstrang, aber auch zur bandtypischen Handlungsweise, bauen EYESBERG ebenfalls dunklere Abschnitte ein, die dann wie hier an IQ gemahnen.

Nochmals über knapp zehn Minuten lang zeigt ´Walking In Storms´ die ablehnende Haltung und die Zurückweisung, die Vincent elterlicherseits erfahren muss, und sich in die Natur zurückzieht. Das balladeske ´Salamander Tree´, mit Background-Gesang von Emma Edingloh, fängt den Blick von Vincent auf die Natur ein, die seine Malerei beeinflussen sollte. Dagegen ist ´Sacrifice´ in Gesang, etwa in der Art von Peter Gabriel, und Instrumentarium energischer und problematisiert den 23. Dezember 1888. An diesem Tag, folglich Jahre später, schnitt sich der Maler nach einem Streit mit Paul Gauguin das Ohr (oder dieser ihm es) ab. Eine letzte Theorie besagt, dass van Gogh an diesem Tag die Panik trieb, durch eine sich angekündigte Verlobung seines Bruders, diesen als engen Freund und finanziellen Förderer zu verlieren.

Die kraftvolle Spielweise führt ´We Want You Out!´ fort, ein Song über die Menschen in der französischen Stadt Arles, die diesen betrunkenen Psychopathen nun endlich loswerden wollten. Klavier á la Tony Banks und Gitarren á la Steve Hackett führen ´Into The Asylum´, van Goghs selbst gewählten Weg in die Nervenheilanstalt. Da er keine Behandlung erfuhr, wollte er diese wieder verlassen. Am 27. Juli 1890 schoss er sich eine Kugel in die Brust (oder in den Bauch) und starb zwei Tage später im Beisein seines Bruders Theo. EYESBERG nennen es den ´Final Ride´. War es die Angst vor der nachlassenden Unterstützung seines Bruders, da dieser Vater geworden war? Wollte Vincent van Gogh zum Vorteil seines Bruders eine Preissteigerung seiner Bilder erreichen? Oder war es die verbotene Liebe zur 21-jährigen Tochter eines Arztes? Oder war alles nur ein Unfall?

(7,5 Punkte)

https://www.facebook.com/EYESBERG.PROG/


Pic: Thomas Fromm
(VÖ: 05.02.2021)