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NAVARONE – Live

~ 2021 (Independent – Fanclub Edition) – Stil: Rock ~


Livealben, egal ob mitgeschnitten bei einem einzelnen Gig wie ´Live After Death´, oder zusammengeschnitten von mehreren Abenden und Orten wie ´Two For The Show´, machen vor allem dann Sinn, wenn der Hörer in das Geschehen auf und vor der Bühne mitten hinein geholt wird. Genau dann, wenn er zusammen mit ganz Long Beach screamt, mit dem ganzen Stadion in Buenos Aires „Thunder“ shoutet, oder einfach Ritchie Blackmore auf die Finger schaut und hört, dann ist alles richtig. Dann kann ein Klassiker daraus werden.

Wer je die Chance hatte, NAVARONE auf der Bühne zu erleben, hierzulande wohl erstmals 2014 im Vorprogramm von EXTREME, damals auch meine erste Begegnung, der weiß, die Jungs aus Nijmegen sind live eine Bank. Wenn sie zu Hause vor vollen Häusern auftreten, ist kochende Stimmung angesagt (hier in einem Bericht zu erleben).

Nachdem sie 2020, außer einigen kleinen Open Air-Auftritten unter Hygieneauflagen, kaum auftreten konnten, erfreuen sie nun ihren Fanclub mit dieser Doppel-CD. Mitgeschnitten wurden sie 2019 bei mehreren Konzerten.

Das Intro beginnt, die Augen geschlossen, so kann man sich zurückerleben. Rechts steht der Metaller, der in einer MAIDEN-Tribut-Band die Gitarre zockt. Unisono mit Roman spielt er auf seiner Luftgitarre die Soli mit. Links sieht man die erklärte QUEEN-Fanatikerin, singt mit geschlossenen Augen alle Lieder mit. Die junge Frau hinter ihr ist erklärte Indie Pop-Hörerin. Daneben steht der langbärtige Techno-DJ.

Und alle feiern NAVARONE. Sie feiern alte Hits wie ´Smash ’n Grab It´ oder ´The Red Queen Effect´, feiern das harte ´Cerberus´, das eingängige ´Surrender´. Da wird ´Snake´ bejubelt, das fast grungige Klänge mit dem Orient verbindet, oder der Blues Rocker ´Leave´. Schon ist die kurzweilige erste CD zu Ende.

Der mit dem gefühlvollen ´December´ beginnende zweite Teil gefällt mir gar noch besser. Hier sind eine Reihe weiterer Hits (und die meisten meiner erklärten Lieblingslieder) enthalten. Das treibende ´Chrome´ etwa, oder das kompakte ´Showtime´ treiben die Stimmung nach oben. Und dann folgt schon mit dem Epos ´Days Of Yore´ ein Gänsehauttreiber.

Scarlett fingertips cast a spell
Tainted hearts all broken, painted everywhere
I’m all alone in this bed of stone
Took a little for the days of yore
It’s far away till the break of day
Leaving all your love like a shipwreck on the shore
Well my head is kind of dizzy now, it’s kind of woozy now
And it’s not where it should be and it’s plain for all to see
You drain my love

Wer da ohne Gefühlsregung bleibt, der dürfte mir leid tun. Und schon sind wir auf dem Weg zum Finale. ´Free Together´ (mit Einsatz eines Saxofons) eignet zum kurzen Durchatmen, danach folgt mit ´Wander´ (inklusive Singspiel) vom Debüt und dem Party-Kracher ´Lonely Nights´ noch einmal Heizmaterial, auf dass es in der Halle nicht auskühle. Selbst hier, von der CD, ist es zu spüren, wie der Schweiß von der Decke tropft. Und ich sehe die glücklichen Gesichter von Arie, Wendy, Yvonne oder Alex. Hinten, am Ende der Halle, steht, wie fast immer der Vater von Sänger Merijn. Drummer Robin hat schon lange seine Fellweste abgelegt, Bassist Bram bewegt sich mehr als die meisten seiner Kollegen. Die beiden Gitarristen Roman und Kees spielen um ihr Leben.

Einer fehlt noch. Ich weiß nicht warum, von ´Sage´ haben sie eine Fassung aus 2014 ausgewählt. Das war der Song, mit dem sie sich in jenem Jahr einen Platz in meinem Herzen erspielt haben. Diesen Platz haben sie bei vielen Fans.

´Live´ klingt für ein Livealbum ziemlich ausgewogen, nicht zu trocken und mit der nötigen Fülle. Einzig das Publikum hätte etwas prominenter abgemischt sein dürfen.

Jetzt muss nur noch die Zeit zeigen, ob NAVARONE auch einen Platz im Olymp der Rockmusik erhalten, neben GOLDEN EARRING und FOCUS. Und es muss die Zeit zeigen, ob ihr Livealbum einen Stellenwert bekommen kann, wie oben erwähnte. Für mich ist ´Live´ auf dem Weg dahin.

 

https://www.facebook.com/NavaroneOfficial

 


Foto: Richard Kuipers