Redebedarf

HUMAN FORTRESS

Epic Tales & Untold Stories

~ Interview mit Volker Trost – Gitarrist und Gründungsmitglied der Epic-Power Metal-Band HUMAN FORTRESS ~


Hallo Volker, ich freue mich sehr, dass wir anlässlich der neuen Veröffentlichung von HUMAN FORTRESS mal wieder zusammenkommen. Die am 22. Januar via „Massacre Records“ erscheinende Doppel-CD enthält auf einer der beiden CDs eine Zusammenstellung von Songs aus euren bisherigen Alben, was mir die Gelegenheit bietet, auch näher auf eure nunmehr zwanzigjährige Karriere einzugehen, bevor wir uns mit den bisher unveröffentlichten ´Untold Stories´ beschäftigen. Fangen wir also gleich mal mit der Geschichte der ´Epic Tales´ an.

Du bist mit Torsten Wolf das letzte verbliebene Gründungsmitglied aus dem Jahr 1999. Davor hattest Du bereits mit ihm bei TIMEZONE gespielt. Gibt es von TIMEZONE Aufnahmen?

Da muss ich echt überlegen…

Tatsächlich haben wir damals in Luthe ein Demo aufgenommen und wir hatten eine Sängerin, die durch Zufall Michaela Senger hieß. Kein Scherz! Unser Produzent war der mittlerweile verstorbene Hilmar Staake, Gitarrist bei ROUGH SILK. Das war ja damals noch weit vor der Zeit, wo Frauen am Mikro normal waren und Michaela hat unserer Meinung nach sehr gut zu unserer Musik gepasst, weil sie eine soulige Stimme hatte. Das wäre eine der ersten Metalbands mit Frauenstimme gewesen, ist dann aber leider nichts geworden. Man kann TIMEZONE aber schon als Vorläufer von HUMAN FORTRESS bezeichnen, obwohl wir dazu erst geworden sind, als Jioti (Parcharidis) dazugekommen ist. Mit Jioti haben wir dann in einem kleinen Studio in Hannover-Bothfeld, das nicht mehr existiert, ein weiteres Demo aufgenommen. Muss irgendwann zwischen 1997 und 1999 gewesen sein, denn 2000 waren wir bereits bei Tommy (Newton, ex-VICTORY) im Area 51 Studio. Da war dann sogar Burkhard Becker, der Keyboarder von CHATEAU (Anm.: Melodic Power Metal Band aus Salzhemmendorf, bei der auch Jioti Parcharidis gesungen hat), daran beteiligt.

Eure selbstbetitelte-EP mit vier Stücken entstand also noch vor 2000?

Ja. Davon haben wir dann selber, wenn es hoch kommt zwanzig Stück gemacht und sie an Labels verschickt, um uns zu bewerben, denn wir wollten eine CD produzieren. Zu dem Zeitpunkt hatten wir auch schon weitere Songs fertig.

Tommy hatte also nichts mit dem Demo zu tun?

Ne, wir haben etwas in der Nähe gesucht und Tommy hat sich nach dem Hören des Demos dazu bereit erklärt, unsere CD zu produzieren. Mit dem Song ´The Dragons Lair´, von dem ersten von ihm produzierten Album, haben wir dann auch 2000 die vom Rock Hard Magazin veranstaltete Battle um den besten ungesignten Song gewonnen.

Neben diesem Song waren auch noch die vier Stücke vom Demo auf eurem Debüt ´Lord Of Earth And Heavens Heir´ drauf, die ihr dafür bestimmt neu aufgenommen habt, oder?

Ja klar, wir hatten das Demo ja nur sehr einfach auf Band mit ein paar Spuren aufgenommen. Die Technik im Studio von Tommy war wesentlich besser und eine ganz andere Nummer.

Neben ´The Dragons Lair´ befindet sich nur noch ´Lord Of Earth And Heavens Heir´ auf der ´Epic Tales & Untold Stories´, aber keines der vier soeben angesprochenen Stücke von eurer EP. Wie kommt das?

Wir wollten einen Querschnitt von allen Veröffentlichungen haben und jeder in der Band hat ja so seine Favoriten. Der eine findet den einen Song besonders gut, oder hat sich in einen Song besonders eingebracht und der andere hatte in einem anderen Song eine besonders schöne Idee für den Chorus. So hat eben jeder seine kleinen Highlights im Songwriting und entscheidet sich dafür diesen oder jenen Song für die „Best-Of“ auszuwählen.

 

 

Und wie fand die Auswahl konkret statt? Habt ihr euch Listen zugeschickt, oder tatsächlich irgendwo getroffen.

Wir haben uns, als die (Corona-)Regeln etwas lockerer waren und man sich wieder treffen konnte, tatsächlich einmal getroffen. Das war aber bereits auf dem letzten Drücker, denn ursprünglich war die Veröffentlichung für November/Dezember geplant. Auf jeden Fall haben wir uns bei André (Hort, Bassist von HUMAN FORTRESS, ex-ROUGH SILK) in Lauenau getroffen und haben da so einiges besprochen, also z.B. wie wir das mit den Videos machen wollen und vieles andere. Jedenfalls hat da jeder von uns von jeder Veröffentlichung seine Favoriten genannt. Massacre hatte uns gesagt, dass es zwischen 12 und 16 Songs werden könnten, je nach Länge der einzelnen Songs. Am Ende standen aber natürlich mehr Song auf der Liste. Aber trotzdem haben wir noch in die sozialen Medien geschaut um zu sehen, was sonst noch ganz gut läuft. Interessanterweise ist dort ´Dark Knight´ von der ´Raided Land´ sehr stark nachgefragt, den keiner von uns so richtig auf dem Schirm hatte. Ist ein Hammersong und ich weiß noch genau wie Gus den eingesungen hat. Der Song ist so hart, schon fast grenzwertig für ihn einzusingen, denn das geht richtig auf die Stimme. Auf jeden Fall waren wir von der Beliebtheit des Songs sehr überrascht und haben uns gefragt, wie die Leute auf den Song gekommen sind. Irgendetwas Besonderes muss er ja haben, damit er so gut bei den Fans ankommt. Also haben wir nachgeschaut, was sonst so an Stücken ungewöhnlich stark nachgefragt wird, die wir nicht auf unserem Zettel hatten. Am Ende hatten wir dann 18 oder 19 Stücke, die wir für Massacre in die drei Kategorien ´Muss´, ´Kann´ und ´falls noch Platz ist´, unterteilt haben.

Bei dem von euch natürlich ausgewählten Titelstück steht ein ´Edit´ dahinter. Was habt ihr bei dem Stück im Vergleich zum Original verändert?

Das Ende. Um Zeit einzusparen haben wir das Ende nach den Spoken Words ausgefadet und knapp zwei Minuten Zeit gespart, womit wir noch einen weiteren Song auf die CD bekommen haben.

Zwei Jahre nach Eurem Debüt erschien dann 2003 euer zweites Album ´Defenders Of The Crown´ von dem ´Defenders Of The Crown´, ´Gladiators Of Rome´ und ´Border Raid In Lions March´ auf der ´Epic Tales & Untold Stories´ enthalten sind und das wieder sehr gute Kritiken erhielt. Jetzt hättet ihr eigentlich durchstarten sollen, aber stattdessen verließen mit Jioti Parcharidis und Dir zwei Gründungsmitglieder die Band. Was war passiert?

Ja, was war passiert?

Es stellte sich einfach die Frage, wie geht es weiter und wie machen wir weiter. Es gab dann auch Diskussionen in der Band, ob man sich musikalisch etwas verändern und vielleicht noch eine Schippe drauf legen sollte.

Ich habe eine solche Aussage in einem Interview mit Torsten gelesen.

Nein, eigentlich wollte Jioti in diese Richtung gehen. Auf jeden Fall gab es da unterschiedliche Ansichten darüber, wie man weiter machen sollte und das ganze Hin und Her hat es nicht gerade einfacher gemacht, sechs Leute unter einen Hut zu bekommen. Nach der ´Defenders…´ kam so eine Unruhe in der Band auf und da mein Sohn noch nicht einmal ein Jahr alt war, habe ich der Band gesagt: “Leute, passt mal auf. Bis hier jeder weiß was er will, nehme ich erstmal ein bisschen Abstand. Überlegt Euch was ihr wollt.“

Ich habe erst später erfahren, dass auch Jioti und danach Laki die Band ebenfalls verlassen hatten.

War das Angebot von VICTORY, für sie zu singen, der Anlass dafür? 

Nein, nein. Das kam später. Hier und da hat Jioti immer schon was nebenbei gemacht.

Bei eurem Auftritt in Wacken im Sommer 2003 warst Du dann ja eigentlich bereits in deiner Auszeit, was auch die drei Gitarren auf der Bühne erklärt, oder?

Ne, wir hatten entschieden, dass Wacken für mich der Abschluss vor meinem kleinen Päuschen sein sollte. Wir hatten auch schon mit meinem Nachfolger geprobt und alles war wunderbar. Auf dem Rückweg am Sonntag haben wir dann sogar im Hamburger ´Headbangers Ballroom´ noch einen Boxenstop eingelegt und eine Show gespielt. Mike Terrana hat da auch eine ´Drum Clinic´ gegeben und dann war das für mich erstmal erledigt.

Sicherlich euer bislang größtes Erlebnis, oder? Welche Erinnerungen hast Du daran?

Also, wenn ich das mal sagen darf…da waren schon ein paar „Blaue“ drin, weil wir einfach so nervös waren. Und wir haben gleich als erstes im Zelt gespielt, also nicht auf der großen Bühne. Aber als wir angefangen haben zu spielen, kamen mit den ersten Tönen auch die Leute ins Zelt. Ich hätte niemals gedacht, dass so viele Leute da sein würden. Ich hatte gedacht, wir spielen da vor ein paar People, aber das Zelt war dann voll. Keine Ahnung, ob man das glauben kann, aber ich meine irgendwo gelesen zu haben, dass wir nach SLAYER die beste Live-Performance-Band des Festivals gewesen sind. Nach dem Gig waren wir dann aber auch total fertig.

Ich habe dazu übrigens noch eine Anekdote. Wir sind, ich glaube wir haben auf einem Freitag gespielt, einen Tag vorher angereist und da wir ja keine VIPs sind (aber wir mussten auch kein Geld mitbringen) hat man uns in einem abgesperrten Bereich einen Zeltplatz zugewiesen. Die haben uns mit Wacken-Merch, also mit Handtüchern, T-Shirts und so einen Kram versorgt und dann sind wir auch gleich zu der Pre-Show hin. Als ich dann zum Zeltplatz zurückkomme, ist meine Luftmatratze platt. Ich habe auf dem Boden geschlafen und musste am nächsten Morgen den Gig spielen. Gefühlt habe ich die ganze Nacht kein Auge zu gemacht. 

 

 

Bevor wir das erste Bandkapitel abschließen, hätte ich noch eine Frage zu Jioti. Nach seinem Weggang von HUMAN FORTRESS hat er zwischen 2005 und 2011 zwei Scheiben für VICTORY und eine für HERMAN FRANK eingesungen, musste dann aber aus gesundheitlichen Gründen aufhören, da seine Stimmbänder stark angegriffen waren. Das letzte Mal, dass ich Jioti mit VICTORY live gesehen habe, ist bereits viele Jahre her. Hast Du noch regelmäßig Kontakt zu ihm?

Also regelmäßig ist so eine Sache…nicht wirklich. Wir sehen uns einmal im Jahr, oder alle zwei Jahre, oder wenn mal was Besonderes ist, wie an meinem 50. Geburtstag.

Macht er gerade musikalisch etwas?

Nicht das ich jetzt wüsste. (Anm.: Für das vierte Album des Bandprojektes WOLFPAKK mit dem Titel ´Wolves Reign´ welches 2017 erschien, hat er den Titel ´Inside The Animal Mind´ eingesungen.) Für den ´Defenders…´-Re-Release (erschien 2016) hat er zwei Demo-Stücke eingesungen. Der eine heißt tatsächlich ´Human Fortress´ (Anm.: der andere ist ´We Are Legion´. Siehe auch weiter unten.).

Der Kontakt ist also nicht wirklich abgerissen, irgendwer aus der Band hatte immer mal wieder Kontakt mit ihm. Ich habe ihm z.B. gerade eine DVD mit Konzertmitschnitten, die ein Fan von uns gemacht hat, weitergeschickt. Und die neue CD samt LP bekommt er auch, schließlich sind zwei von ihm gesungene Songs drauf. Aber ein regelmäßiger Kontakt besteht leider nicht.

Nach der ´Defenders…´ passierte erstmal fünf Jahre lang nichts, bis 2008 ´Eternal Empire“ erschien. In einem Interview aus dem Jahre 2004 hatte Torsten ein Soloalbum angekündigt, auf dem er, wie er es ausdrückte „moderner“ klingen wollte. Ist denn daraus was geworden

Ja, die Band heißt THE TROPHY. (Anm.: Das Album mit dem Titel ´The Gift Of Life´ erschien 2009 bei „Frontiers Records“ in Zusammenarbeit mit Michael Bormann und Marco Grasshoff).

Wie oben bereits angesprochen hat Torsten nach eurem zweiten Album in einem Interview mal gesagt: “Unser nächstes Album soll auch härter werden und da hätten wir gerne jemanden an der Hand, der sich mit Thrash-Produktionen und moderneren Ausrichtungen auskennt. Wir wollen dann einfach auch anders klingen.“ Ich weiß nicht, ob er das Ergebnis dieser Scheibe damit gemeint hatte, aber das Album kam bei den Fans von HUMAN FORTRESS überhaupt nicht gut an. Es war die erste Platte ohne Drummer Laki, Jioti und Dich. Was sagst Du dazu rückblickend? Hättest Du bei so einem Album mitgewirkt?

Die Aussage von Torsten stimmt. Tatsächlich war er aber mit der neuen musikalischen Ausrichtung überhaupt nicht glücklich. Letzten Endes wurde es dann ja mit Carsten Frank auf der ´Eternal Empire´ deutlich härter. Wenn alles gut gelaufen wäre, hätten wir nach der ´Defenders…´ in der gleichen Besetzung weitermachen und noch einen draufsetzen sollen. Dann wäre es wahrscheinlich so gekommen, wie Du weiter oben gesagt hast. Vielleicht hätte man uns mehr wahrgenommen und uns wäre dann der Durchbruch gelungen.

Mir persönlich gefällt die ´Eternal Empire´. Ich habe im Nachhinein mit unserem ersten Bassisten Pablo gesprochen und sagte auch zu ihm „Mensch Pablo, das Album gefällt mir gut. Musikalisch komme ich damit klar.“ Ich mag es ja durchaus auch etwas härter, auch gesanglich mit diesen Growls und so, aber ich glaube, Jioti hätte so etwas nicht gemacht. Härter ja, aber nicht so. Auch Pablo hat gesagt: „Musikalisch alles gut, aber es passt nicht zu uns und hätte unter einem anderen Namen erscheinen sollen…oder vielleicht sogar müssen.“

Konsequenterweise findet sich davon auch kein Song auf der ´Epic Tales & Untold Stories´ wieder.

Ja, wir haben sie bewusst ausgeklammert. Es hätte vielleicht sogar der ein oder andere Song davon gepasst, aber letzten Endes ist von der Besetzung außer Torsten ja niemand mehr dabei und Torsten hatte dann auch andere Favoriten.

Und danach löste sich die Band auf, oder?

Wenn`s so einfach wäre. Aufgelöst eigentlich nicht wirklich. Hinter den Kulissen ist viel passiert. Es war dann tatsächlich Laki (Anm.: Apostolos „Laki“ Zaios war Schlagzeuger auf allen Alben von HUMAN FORTRESS außer der ´Eternal Empire´ und auch ehemaliger Schlagzeuger von CHATEAU) der auf mich, Torsten und Jioti zukam und wir trafen uns hier in einem Lokal. Mir war ja klar, dass Jioti nicht mehr singen konnte. Aber er war absolut Willens und sagte „Lass uns mal gucken.“. Aber Laki war die treibende Kraft. Wir saßen da beim Bierchen und haben so vor uns hin philosophiert und uns gefragt, ob wir überhaupt wirklich wollen. Aber wenn, dann war uns auch klar, dass das wieder in der annährend alten Besetzung sein musste, um wieder die alte Richtung hinzubekommen. Tja und dann haben wir verabredet, uns noch ein paar Mal zu treffen und zu schauen, was noch geht.

Laki hatte zu der Zeit in Hasede, bei Hildesheim, einen Proberaum und wir haben dann beschlossen unser Zeug dahin zu verfrachten, gemeinsam eins, zwei, drei, vier Songs zu zocken und zu schauen, was geht. Das Witzige ist tatsächlich: Du kommst in den Proberaum, fängst den ersten Song an und Du merkst richtig…ich kann Dir das gar nicht erklären, was dann mit einem passiert…Du kriegst Gänsehaut. Die Magie war einfach da. Dann haben wir uns ein zweites Mal getroffen…Jau…ein drittes Mal getroffen…Jau…und dann haben wir, also Laki, Torsten, Jioti und ich uns gefragt „Was machen wir denn nun? Da müssen wir uns wohl ernsthaft nach einem Keyboarder und Basser umsehen.“ Damals hat uns Ingmar von Berg bei den Gigs begleitet. Komischerweise haben viele Mischer ein Problem, wenn die Band über einen Keyboarder verfügt. Da können viele nicht mit umgehen. Das hatten wir irgendwann mal festgestellt und waren dann bei jedem Gig mit Ingmar dabei, der unseren Live-Sound optimiert hat. Ingmar spielt aber auch Bass und da er auch mit Laki im Kontakt stand, haben wir ihn gefragt, ob er es sich vorstellen könne, mal so ein bisschen mit uns zu zocken. Dann brauchten wir aber auch noch einen Keyboarder und Ingmar seinerseits kannte Dirk Liehm. Und mit einem Mal standen wir da zu sechst im Proberaum. Und dann haben wir angefangen Songs zu schreiben.

Von der ´Raided Land´ sind dann ja immerhin vier Songs, nämlich ´Wasted Years´, ´The Chosen One´, ´The Gladiator Of Rome (Pt.II)´ und das bereits angesprochene ´Dark Knight´ auf der ´Epic Tales & Untold Stories´ gelandet.

Wir hatten zu dem Zeitpunkt aber noch nichts in der Hand. Keinen Plattenvertrag, nichts. Dann setzt man sich natürlich auch selber unter Druck. Willst es ja besonders gut machen. Im Nachhinein muss ich sagen, dass die ´Raided Land´ eine richtig fette Scheibe geworden ist.

Dieses, ich nenne es mal „Come-Back-Album“, knüpft musikalisch wieder bei euren Anfängen an und war die erste Scheibe mit dem brasilianischen Sänger Gus Monsanto und Basser André Hort, der von der Hannoveraner Band ROUGH SILK kam.

Das war ganz witzig. Torsten und ich waren da im Plattenladen von Christoph Speidel in Hannover und stöberten so durch die CDs und da haben wir Christoph gefragt „Du sag mal, kennst Du eigentlich irgendeinen Basser?“ Und er: “Kennt ihr André Hort? Der hat bei ROUGH SILK gespielt.“ Oder spielte da noch, dass weiß ich nicht mehr genau. Auf jeden Fall hat er dann den Kontakt zu André hergestellt. Und ich muss wirklich sagen…hammermäßig…wir haben die ´Raided Land´ 2012 aufgenommen und da war Gus (Monsanto) bei mir und wir haben die Pre-Produktion gemacht, weil wir bereits drei Tage später für die Gesangsaufnahmen zu Michael Bormann ins Studio gefahren sind.

Kurz vorher hatte ich André angerufen und der hat dann gesagt er würde vorbeikommen, um sich das mal anzuhören und sich über den Background der Band zu informieren. Wir haben dann bei mir im Wohnzimmer gesessen, Gus war auch dabei, und haben ihn gefragt, ob er sich vorstellen könne Teil von HUMAN FORTRESS zu sein. Und er: „Ja, habe ich Bock drauf. Die Mucke ist cool!“. Er hatte dann nur noch ein paar Wochen Zeit sich mit den Songs zu beschäftigen, die wir bereits geschrieben hatten und musste die dann ja auch noch einspielen. Also aus dem Nichts heraus Vollgas!

Und zu Gus…Torsten hatte Kontakt zu Andrew McNeice von Melodicrock.com und er hat netterweise eine Annonce gepostet, weil die eine ordentliche Reichweite haben. Gus hat ja vorher bei den Franzosen ADAGIO gesungen, war aber zu dem Zeitpunkt bereits wieder zurück in Rio. Aber ein Kumpel von ihm in Frankreich hat die Annonce gelesen und hat dann Gus angetickert. Dann hat Gus Kontakt zu uns aufgenommen und wir haben ihm einen Demo-Song von der ´Raided Land´ zugeschickt und er hat das Ding dann da eingesungen und zurückgeschickt. Wir haben dann gleich gesagt: “Alter, das ist unser Sänger! Aber wollen wir das wirklich? Der sitzt in Rio!“

War das für Euch eine Art „Make-or-Break“-Album?

Wir haben die Messlatte wirklich hoch gelegt. Aber viel wichtiger war, dass wir einen neuen Keyboarder und einen neuen Bassisten an Board hatten, die sich nach einer Findungsphase auch am Songwriting beteiligt haben. Nach drei, vier Songs wussten wir bereits, dass, wenn wir es schaffen, Songs in dieser Qualität weiterzuschreiben, es dann funktionieren würde. Also haben wir uns echt angestrengt und uns zwar auf der einen Seite Zeit gelassen, aber auf der anderen auch selbst etwas unter Druck gesetzt. Und je weiter Du mit dem Songwriting fortschreitest und feststellst „Alter, die sind alle so gut!“, umso mehr machst Du Dir Gedanken darüber, wie es weitergeht. Also haben wir bereits zu diesem Zeitpunkt bei „AFM“ angeklopft.

Warum nicht wieder bei Massacre, wo ihr außer eurem Debüt, das bei ´Limb Music´ erschien, alle eure Alben veröffentlicht habt und ihr jetzt ja auch wieder seid?

Wir haben damals bei mehreren Plattenfirmen angeklopft und „Massacre“ waren auch darunter. Aber letzten Endes sind wir bei „AFM“ gelandet, weil Timo (Hoffmann), zu dem wir Kontakt hatten, ein großer Fan der ´Lord Of Earth…´ ist. Dem haben wir die ersten Demo-Songs geschickt und er hat das dann mit seinen Chefs besprochen. Außerdem war „AFM“ am Re-Release von unserem Debutalbum interessiert. Und das war’s dann. Aber wir waren da noch mitten im Songwriting-Prozess. Die Scheibe war noch gar nicht fertig. Und jetzt mussten wir auch liefern und wollten das ja auch! Da kam dann noch richtig Druck auf.

Auf der ´Raided Land´ habt ihr euch von Tommy Newton getrennt, der eure beiden ersten Alben produziert, gemischt und gemastert hatte und Seeb Levermann (ORDEN OGAN) das Heft in die Hand gegeben, der dann auch ´Thieves Of The Night´ produziert und abgemischt hat. (Anm.: ´Thieves Of The Night´ wurde von Dennis Köhne gemastert.) Was war der Grund dafür?

Seeb war eine Empfehlung von „AFM Records“. Sie haben den Kontakt hergestellt, da ORDEN OGAN dort unter Vertrag ist und uns der Sound der zweiten MASTERPLAN für ´Raided Land´ vorschwebte. Wir wollten mit der ´Raided Land´ keine zweite ´Defenders…´ machen, sondern auch mit dem Sound etwas härter werden.

Zur ´Raided Land´ noch eine interessante Begebenheit. Es kam mal ein Zuschauer nach einer Show auf mich zu, der uns offensichtlich bis dahin noch nicht gekannt hatte und fragte mich: “Hör mal, wenn ich jetzt eine CD von Euch haben möchte, von welcher würdest Du behaupten, dass es die bisher am wenigsten beachtete ist?“ Ich habe ihm gesagt, dass die ersten beiden mittlerweile jeder kennt und auch die neueste ´Thieves Of The Night´ recht gut ankommt, aber wenn er mich so fragt, dann hätten wir bisher das geringste Feedback zur ´Raided Land´ gehabt und er solle sich die holen.

Ist das immer noch so?

Ja, wenn man sich die Reviews zu der Scheibe anschaut und auch die Leute die man kennt dazu fragt, oder in Interviews auf die Scheibe zu sprechen kommt, dann finde ich, dass die Scheibe etwas untergegangen ist. Klar, nach so vielen Jahren, die wir weg waren, hat sich niemand mehr richtig für uns interessiert. Was darüber geschrieben wurde war zwar OK, aber wer brauchte zu dem Zeitpunkt schon eine neue CD von HUMAN FORTRESS?

Und dann kamen mit jeweils drei Jahren Abstand und in unveränderter Formation 2016 die ´Thieves Of The Night´, aus der die Stücke ´Rise Or Fall´, ´Thieves Of The Night´ und ´Thrice Blessed´ entnommen worden sind, und 2019 ´Reign Of Gold´, von der ´Thunder´, ´Lucifer´s Waltz´ und ´Surrender´ stammen. Dieses Album wurde wieder von Tommy Newton produziert, gemischt und gemastert. Wie kam es zu dieser neuerlichen Zusammenarbeit? Wer wird es auf eurer nächsten Scheibe sein?

Wir brauchen aber auch die drei Jahre, um ein Album fertigzustellen. Mit wem wir die nächste Scheibe machen werden können wir noch gar nicht sagen. Das ist immer auch etwas der Logistik geschuldet. Wenn Gus rüberkommt, dann müssen wir die Zeit immer so intensiv wie möglich nutzen. Laki hat immer im Kontakt mit Tommy gestanden. Er (Laki) hat ja eine neue Aufnahmemöglichkeit für Schlagzeuge erfunden und die Firma Soundhoops gegründet. Wir haben sehr viel darüber nachgedacht, wie wir das mit der Aufnahme des Schlagzeugs und dem Gesang von Gus machen. Wir haben schlussendlich die Scheibe in zwei Sets aufgenommen. Die ersten Gesangsparts haben wir bei Tommy Newton aufgenommen. Dann war Gus wieder weg. Und vor dem zweiten Set mit Gus haben wir uns dann überlegt, wie wir die CD produzieren, ohne dass der Spagat zu groß wird. Michael Bormann sitzt ja im Ruhrpott und bei dem ist dann tatsächlich der zweite Aufnahmeteil mit Gus, also mit Chören und restlichen Songs, entstanden. Um möglichst wenig Zeit zu verlieren haben wir das Schlagzeug parallel dazu bei Tommy aufgenommen, zu dem Laki sowieso durchgehend Kontakt hat. Die örtliche Nähe zu Tommy ist einfach ein gewichtiges Argument. Er hat bei der Gelegenheit dann auch Gus kennengelernt.

Die Songs der „Best Of“-CD sind alle von Alexander Krull im Mastersound Entertainment Studio remastered worden. Warum? Wart ihr mit dem ursprünglichen Sound nicht mehr zufrieden?

Unsere ersten beiden Scheiben sind fast zwanzig Jahre alt. Wenn Du die Technik in Tommys Studio von damals mit seiner heutigen vergleichst, dann siehst Du, dass die Zeit nicht stehen geblieben ist. Du hast heute durch die neuen Tools beim Mastering einfach Möglichkeiten, die es damals noch nicht gab.

 

 

Und nun sind wir im Hier und Jetzt angekommen und mit ´Epic Tales & Untold Stories´ wird am 22. Januar etwas neues von Euch als Doppel-CD und LP in den Läden stehen, obwohl das Wort „Neu“ etwas näher erläutert werden muss. Übernimm Du das mal!

Die CD-Version enthält zwei CDs, von denen die zweite die eben besprochenen bekannten Stücke enthält, die ´Epic Tales´ eben, und die erste bisher noch nicht, oder nicht in dieser Form veröffentlichte Stücke, also die ´Untold Stories´.

Für die ´Reign Of Gold´ hatten wir 18, 19 Songs aufgenommen. Wir wollten ein schlüssiges Album haben und einige dieser Songs, wie z.B. ´Cruel Fantasy´, ´Free´ und ´Fernweh´, haben unserem Gefühl nach einfach nicht auf dieses Album gepasst.

Die Originalversion von ´Pray For Salvation´ findet sich aber auf der „Raided Land“ wieder.

Ja, bei dem Song haben wir bereits damals alles ausgeblendet und uns nur noch die Keyboards, also das Orchesterarrangement dahinter, angehört und waren begeistert.

Der Song hat also gut sieben Jahre auf diesen Moment gewartet?

Ja, wir wissen ja, was wir haben. Der Song hat so eine Tiefe. Darin geht es darum, dass ein Ritter auf dem Schlachtfeld fern der Heimat mit einem Speer im Bein stirbt. Der Song handelt von seinen letzten Gedanken, in denen er für die vielen Fehler, die er in seinem Leben gemacht hat, um Vergebung bittet. Wir haben uns gedacht, dass jetzt genau der richtige Zeitpunkt dafür ist, diesen Song genau so neu zu produzieren. Wir haben jetzt auch ein Lyric-Video (produziert von Gabby Vessoni – FLEESH) dazu veröffentlicht.

Der Song hat nun den Zusatz „Orchestral Edit“ und ich habe tatsächlich beim ersten Hören geglaubt, dass ihr euch eine Handvoll Orchestermusiker ins Studio geholt habt.

Nein, es gibt da Tools, die mit Originalsamples arbeiten. Der normale Hörer kann das nicht mehr unterscheiden, weil die Samples, egal ob z.B. Fagott oder Trompete, von Originalinstrumenten eingespielt worden sind.  Das ist schon High-Tech. Aber wenn man etwas macht, dann sollte man es richtig machen. Den Anfang von ´Dark Night´, bei dem ein Dudelsack zu hören ist, hat Dirk sogar selbst produziert. Echte Orchestermusiker wären einfach zu teuer für uns.

Es wird erstmalig von Euch etwas auf Platte geben und zwar in einer 300 Stücke umfassenden handnummerierten Auflage in rotem und schwarzem Vinyl. War das eure Idee/ euer Wunsch, oder der von „Massacre Records“?

Wir hatten bereits mit „AFM“ die Idee zu einer LP, aber das ist ja auch mit Kosten verbunden. Allerdings haben wir das irgendwie nie hingekommen. Und bei dieser 20-Jahres-Geschichte hatten wir das nun gar nicht mehr so richtig auf dem Schirm. Wir waren noch so richtig auf die ´Reign Of Gold´ fokussiert, da wir dafür ja so viele Songs aufgenommen hatten. Aber dann kam doch noch, auch von Seiten von „Massacre“, der Stein ins Rollen.

Und wie kam der Song ´Masquerade´ auf die LP? Er ist ja nicht auf der CD, sondern exklusiv nur auf der Platte enthalten.

Für mich ist das wie ´Pray For Salvation´ oder ´We Are Legion´ ein Song der ersten Stunde und über die Jahre beschäftigt dich der ein oder andere Song einfach. ´Masquarade ´ wurde für die ´Defenders…´ geschrieben, jedoch nie veröffentlicht. Erst auf dem 2013er Re-Release der ´Lord Of Earth…´ wurde er als Bonus draufgepackt. Durch das spezielle Vinyl-Mastering hat der Song aber nochmal richtig gewonnen.

Ja, aber wieso nur auf die LP?

Ich denke, „Massacre“ wollte auf der CD eben auch nur tatsächlich bisher (in dieser Form) unveröffentlichte Stücke, eben ´Untold Stories´ haben. Aber ein ´Epic Tales´ ist es ja so gesehen auch nicht und für die LP-Käufer ist es somit ein besonderer Bonus.

Wieso habt ihr euch für diese Art von Veröffentlichung entschieden? Viele Bands haben die aktuelle Zwangspause für das Komponieren, Aufnehmen und Veröffentlichen neuer Alben genutzt. Wieso ihr nicht?

In Corona-Zeiten ist das schon schwierig. Soll sich da jeder von uns zu Hause hinsetzen und fünf, sechs Songs alleine schreiben? Das ist doch fürchterlich.
Ich persönlich kann aber auch nicht mittels Kommunikation über die sozialen Medien neue Songs schreiben. Soll ich da irgendwie vor dem Bildschirm sitzen und Riffs zocken? Ich brauche den Kontakt zu mindestens ein zwei Leuten aus der Band, mit denen man über die Sachen sprechen kann. Ich brauche dieses „hmmm, ja…und nein…oder doch…“ und dann muss beim Jammen auch mal ein „Unfall“ passieren.

Ich will keiner anderen Band unterstellen, dass es steril klingen würde, was sie machen, aber ich kann das so nicht. Du kannst zwar alleine zu Hause Ideen entwickeln, aber die musst Du dann, meiner Meinung nach, mit den anderen weiterentwickeln. Der eine hat dann eine Idee und damit kommst Du wieder auf eine neue Idee und dann kommt der Keyboarder oder Schlagzeuger dazu und sagt “Hey, lass uns mal folgendes versuchen!“. Oder der Basser spielt „aus Versehen“ mal irgendetwas anderes und wir dann „Was war das denn gerade? Wie geil. Spiel das nochmal!“ und so entwickelt sich das immer weiter. Außerdem hatten wir durch „Massacre“ die Möglichkeit bekommen, zum 20-jährigen Bandjubiläum ein neues Album zu veröffentlichen.

Oder kommt da in 2021 noch etwas anderes von euch?

Nein. Das ist echt schon anstrengend gewesen, was wir so die letzten eineinhalb, oder nun fast zwei Jahre gemacht haben. Jetzt wollen wir mal ein wenig durchatmen und schauen wie der neue Release ankommt, gerade auch in Bezug auf die LP.

Natürlich enttäuschen HUMAN FORTRESS ihre Fans nicht und bieten zumeist, wie beispielweise auf ´Disappear In Dark Shadows´, ´Vain Endeavour´ und ´Cruel Fantasy´ melodiegetriebenen Powermetal europäischer Prägung, der mit epischen Chören und Elementen aus der Folkmusik angereichert wird. Würdest Du mir da recht geben?

Jaaaa…

´Disappeared In Dark Shadows´ war uns ein bisschen zu…wie soll ich das sagen…zu anders und hätte unserer Meinung nach deswegen auch nicht auf das Album (´Reign Of Gold´) gepasst. Auch für ´Cruel Fantasy´ gilt das unserer Ansicht nach. Bei ´Vain Endeavour´ haben wir lange darüber nachgedacht, es mit aufs Album zu nehmen, haben uns aber dann dagegen entschieden. Du musst Dir den aber auf LP anhören. Da hat der echt nochmal gewonnen!

Was war denn dann ausschlaggebend dafür, ´Vain Endeavour´ nicht auf die ´Reign Of Gold´ pressen zu lassen?

Er hätte absolut drauf gepasst, aber wir haben uns letzten Endes dagegen entschieden, weil bereits genug „Mord und Totschlag“ auf der Scheibe war und wir gar nicht wussten, wo wir ihn hätten platzieren sollen. Und da uns die Platte, so wie sie dann veröffentlicht wurde, schlüssig schien, haben wir ihn dann weggelassen.

Ihr geht also davon aus, dass sich eure Fans die Texte durchlesen und wissen, wovon die Songs handeln.

Ja, und wir legen auch sehr viel Wert darauf, dass sie schlüssig sind.

´The Grimoire´ hat mich hingegen richtig überrascht hat. Ein sehr eingängiges und melodiöses Stück, das mich stark an die Anfänge von HUMAN FORTRESS erinnert. Eine, wie ich finde, sehr gelungene Nummer. Warum hat es dieses Stück nicht regulär auf eure letzte Scheibe geschafft?

Der Song würde eigentlich aufs Album gehören. Ich liebe diesen Song, aber irgendwann muss man sich als Musiker auch die Frage stellen, wann es genug ist. Zu viel ist genauso schlecht wie zu wenig. Gehört der Song wirklich noch drauf? Und wenn, wo passt er dann aufs Album? Irgendwann hast Du dann das Gefühl…besser nicht…obwohl Torsten und ich verdammt lange daran rumgefeilt haben.

´Free´ ist eine Ballade, in der nur das Keyboard und die Stimme von Gus zu vernehmen sind. Wieder eine eher ungewöhnliche Nummer, oder?

Den Song habe ich geschrieben. Da saß ich abends vor dem Fernseher und habe mir die Gitarre gegriffen und vor mich hin gespielt und fand das auf einmal gar nicht so schlecht, was ich da gehört habe. Ich habe dann versucht, eine Melodie reinzubringen, und habe das Ganze aufgeschrieben. Das Ding ist eigentlich für Akustikgitarre geschrieben. Ich besitze davon zu Hause Aufnahmen in mehreren Versionen und habe mit den Jungs hin und her überlegt, aber wir haben uns dann letzten Endes für diese Version entschieden. Mir schwebt aber tatsächlich eine Version mit Piano und Akustikgitarre vor, in der Gus im Duett mit einer Sängerin agiert. Eine richtig schöne soulige Frauenstimme, wie damals die von Michaela Senger. Viele Bands beenden ja gerne ihre Alben mit einer Ballade, aber wir haben uns dagegen entschieden und so hat es der Song dann nicht aufs Album geschafft.

Apropos Keybords. Ist es richtig, dass Dir ein Rezensent einer eurer Scheiben mal gesagt hat, dass es zwar eine recht ordentliche Scheibe ist, er aber für die Keyboards einen Punkt abzieht, was Dich maßlos geärgert hat? Wie siehst Du solche Aussagen heute?

Ja, das war nach unserer ersten Scheibe und ich glaube, das war sogar mein erstes Interview. Ich war also noch richtig unerfahren und habe da einen Schreiber am Telefon, bei dem man ja auch möglichst gut aussehen will. Ich war auch ein bisschen naiv zu der Zeit und habe erst Jahre später mitbekommen, dass er musikalisch auf ganz andere Klänge steht. Das Interview war ja ganz OK, aber er hat tatsächlich wortwörtlich gesagt: „Für Newcomer ist eure Scheibe echt cool, aber ich bin ja nicht so der Freund von Keyboards.“ Aber ich glaube wir haben dann doch acht Punkte bekommen. Ich finde jedoch die Einstellung etwas krass. Man sollte doch meinen, dass ein Rezensent etwas neutraler an eine Scheibe herangeht.

Heute sehe ich das gelassener. Aber ich finde es trotzdem schade, dass man immer wieder mit solchen Einstellungen konfrontiert wird.

Beim recht bombastisch beginnenden ´Fernweh´ könnte man einen deutschen Text vermuten, dem ist aber nicht so. Das Stück weist meiner Ansicht nach ein ungewohnt aggressives Gitarrenriffing auf, welches teilweise stark mit dem Gesang von Gus kontrastiert. Was sagt der Gitarrist dazu?

Wir haben dem Song bewusst einen deutschen Titel gegeben. Mit ´Schattentor´ haben wir so etwas auch bereits auf der ´Defenders Of The Crown´ gemacht. Da fanden wir den Klang des Wortes mitten im Song so cool. Wir hatten den Song mit Chorusmelodie fertig und das Drumherum war noch ein wenig Baustelle, da erinnerte sich Torsten an den Song ´Schattentor´ und hatte die Idee, erneut eine deutsche Vokabel zu Verwenden. Fernweh…läuft! Und das Riffing…ja, fast schon zu modern. Dann kommt irgendwann der Chorus und das Riff läuft unter der Strophe weiter. Der Song hat sich einfach so ergeben.

Aber den Begriff ´Fernweh´ gibt es tatsächlich nur im Deutschen, weswegen dafür im englischen Sprachraum ´Wanderlust´ oder eben auch ´Fernweh´ genutzt wird. Ähnlich wie mit den deutschen Begriffen ´Kindergarten´ und ´Rucksack´.

Ist doch nicht dein Ernst, oder? Das wusste ich nicht, dass im Englischen auch unsere Vokabel Fernweh bekannt ist. Ich hätte es tatsächlich in „painful wish to see distant places“ übersetzt, aber Fernweh passt einfach perfekt.

Danach kommt mit ´We Are Legion´ wieder ein Song in bewährter HUMAN FORTRESS-Tradition mit Spinett-Klängen vom Keyboard, welche im Kopf sogleich das Frankreich des 17. Jahrhunderts aufleben lassen. Gus singt sehr variable zwischen melodiös harmonisch, stellenweise aber sogar, für seine Verhältnisse, auch aggressiv. Das Stück verfügt über den Zusatz „Gus Version“. Was hat es damit auf sich?

Das Stück existierte tatsächlich bereits in einer von Jioti eingesungenen Demo-Version (siehe oben), die wir selber produziert haben und die er damals eigentlich aufgrund seiner gesundheitlichen Situation nicht mehr hätte einsingen dürfen. Der Song ist für das 2016er Re-Release der ´Defenders…´ extra geschrieben worden. Nach der ´Raided…´ sollte die ´Defenders…´ re-released werden und da wollten wir etwas Besonderes für die Fans machen. Wir haben dann Kontakt zu Jioti aufgenommen und er sagte: „OK, lass uns mal treffen.“ Daraus sind dann ´Human Fortress´ und ´We Are Legion´ entstanden, die sich auf dem Re-Release der ´Defenders…´ wiederfinden. ´We Are Legion´ ist, wie ´Pray For Salvation´ oder ´Masquarade´, so ein Ding, an dem irgendwie das Herz hängt und Du auch genau weißt, dass dieser Song ein Mega-Potential hat. Und dann haben wir mit Jioti gesprochen, der kennt übrigens Gus mittlerweile auch und kommt richtig gut mit ihm klar, und haben dann beschlossen, den Song nochmal von Gus einsingen zu lassen.

Und was die Aggressivität angeht…ja, das hat vielleicht auch etwas mit dem Songwriting zu tun, in das Jioti immer viel Herzblut reingelegt hat. Für mich ist das Stück auch ein kleines Masterpiece und Gus hat die Gesangslinie fast Eins zu Eins von Jioti übernommen. Und ja, der Song hat, ähnlich wie ´Dark Knight´, eine richtig heftige Vocal-Performance.

Von ´We are Legion´ gibt es noch eine Japan-Edition, die wir mit Saeko Kitamae, aufgenommen haben. Internet macht´s möglich. Saeko ist übrigens als erste japanische Sängerin in Wacken aufgetreten.

 

 

Und nun, wie könnte es anders sein, möchte ich auch kurz auf die aktuelle Situation von HUMAN FORTRESS eingehen, die ja gerade für Bands eine besondere Herausforderung darstellt. Wie sehr seid ihr von den Auswirkungen der Pandemie betroffen. Ihr wart ja in der Vergangenheit nicht gerade die Tour-Monster, die einen Auftritt nach dem anderen absolviert haben.

Live zu spielen ist tatsächlich schwierig mit Gus. Wir würden gerne auf Festivals und viel in Deutschland und Europa spielen, aber alleine Gus einzufliegen, ist mit Kosten verbunden. Da zahlen wir bei den Angeboten, die wir erhalten, im Endeffekt drauf. Seitens unserer Fans erhalten wir regelmäßig Fragen, wann wir denn mal bei ihnen in der Nähe spielen würden. Sei es hier in Deutschland, in Spanien, Italien, Frankreich, oder sogar in den USA.

Wir haben aber auch schon versucht, über eine Booking-Agency, die sich für uns reinhängt, eine Tour oder eine Festival Season zu spielen. Leider ist es aber nicht so ganz einfach. Wir hatten zwar gehofft, dass wir Gus von Juli bis Ende August hier rüber holen können, aber auch das hat aufgrund der aktuellen Lage nicht geklappt. Wir überlegen auch selbst, Festivals anzuschreiben. Gerade zum Jubiläum denken wir, dass man sich vielleicht für uns interessiert. Das wäre optimal. Wir wollen ja keine Millionäre werden, aber wir hätten unheimlich Lust, wieder mal live aufzutreten.

Das letzte Mal habe ich euch am 16.07.2017 im Doppelpack mit KING LEORIC im kleinen LUX hier in Hannover gesehen. Liegt eine Wiederholung 2021 im Rahmen des Möglichen?

Das war nach der Tour mit ORDEN OGAN. Mal schauen was die Zukunft bringt. Ich kanns Dir nicht sagen, aber ich würde mich riesig darüber freuen.

Dann bemüht euch mal und am besten zockt ihr dann die 102:45 Minuten beider CDs in genau der dort vorliegenden Songreihenfolge runter.

Da haben wir noch gar nicht drüber nachgedacht. (lacht).

Dann bleibt mir nur noch, Dir ganz herzlich für dieses wirklich sehr ausführliche Interview zu danken und Dir und der Band viel Erfolg mit der neuen Veröffentlichung zu wünschen.

 

LINE-UP
Gus Monsanto – Vocals
Torsten „Todd“ Wolf – Gitarren
Volker Trost – Gitarren
André Hort – Bass
Dirk Liehm – Keys
Apostolos „Laki“ Zaios – Drums

Ehemalige Bandmitglieder
Jioti Parcharidis – Vocals
Pablo J. Tammen – Bass
Dirk Marquardt – Keys

http://www.human-fortress.de
https://www.facebook.com/humanfortressofficial


(HUMAN FORTRESS – ´Epic Tales & Untold Stories´; VÖ: 22.01.2021)