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MAD BUTCHER – Metal Lightning Attack

~ 1984/2020 (Relics from the Crypt/Dying Victims) – Stil: Heavy Metal ~


Was war zuerst da?

Nein, hier soll nicht die Frage nach Huhn oder Ei geklärt werden. Ich habe nur gerade kurz sinniert, war zuerst die Band MAD BUTCHER oder das gleichnamige Album von DESTRUCTION da? Aber, ein offenes Ohr und ein Blick in die Annalen, schon ist alles klar. Die Proberaumnachbarn von SODOM haben die beiden Bands bekannt gemacht. DESTRUCTION fanden den Namen so gut, sie mussten ihn wohl einfach für ihre EP adoptieren.

Die Geschichte der verrückte Metzger ist eine Geschichte wie viele. Vier junge Männer entdecken gemeinsam den Heavy Metal und tun sich zusammen, machen gemeinsam Musik. Ihre Instrumente lernen sie, indem sie Songs von JAGUAR, QUARTZ oder HOLOCAUST spielen. Livekonzerte, erste Platte, bei deren Erscheinen war Harry gerade 25 Jahre alt, noch mehr Livekonzerte. Sie spielten mit STEELER, WARLOCK oder HELLOWEEN, beim Dynamo, sogar im Radio wurden sie übertragen. Für die einen kommt der Erfolg.

Andere trifft er nicht. Man kann diskutieren, wer zu Recht oder Unrecht erfolgreich ist. Nicht diskutabel ist, viele talentierte Bands hatten wenig Glück. MAD BUTCHER hatten zumindest das Glück, nicht ganz vergessen worden zu sein.

So darf ich heute, 36 Jahre nach Erscheinen, das ´Metal Lightning Attack´ abfeiern. DAS ist Heavy Metal in Reinkultur, fast eine frühe Form des Speed Metal. So waren wir auch, jung, ungekünstelt, voll in die Fresse. Das weckt Erinnerungen an damals, als wir begannen, diese Musik zu entdecken. Auch, wenn ich das vier Jahre später tat, die Gefühle und Empfindungen waren sicher ähnlich.

Wer kennt nicht diese Erlebnisse? Etwa wie Rocco, Schmidti, Rudi, Martin und ich mittels einem Kassettenrecorder der Marke „Stern“ das Freibad beschallten. Das Fass Bier bei der Gartenparty. Bahnfahrten zu Konzerten, unsere Bands hießen dann eben BIEST oder METALL, die Musik und das Lebensgefühl waren die gleichen. Nun sind wir alle 36 Jahre älter. Manches ist verblasst, andere Erinnerung sind eher verklärt. „Früher war alles besser“. Dann kommt so eine Zeitreise gerade recht.

´Metal Lightning Attack´ ist typisch für die Zeit. Die vier Jungs zauberten eine Platte hin, die genau das Bindeglied bildet zwischen dem frühen Metal aus England und den USA und dem räudigen und aggressiven Auftreten des Thrash. MAD BUTCHER haben unter anderen RIOT, JUDAS PRIEST und MOTÖRHEAD genommen und aus ihren Einflüssen ihren ganz eigenen Metal gezimmert. Dieser bildete das Fundament, für die Bands, die darauf aufbauen konnten, wie die Nachbarn im Probenraum, SODOM, KREATOR und LIVING DEATH. Die haben ihnen dann allerdings irgendwie die Show gestohlen, den Rang abgelaufen.

Aber egal, die Musik hat überlebt. „Dying Victims“ haben mit ihrem Ableger „Relics from the Crypt“ dieses Schätzchen wieder zugänglich gemacht. Und jeder, wirklich jeder, der Laune hat an Wiederentdeckungen, muss hier einfach zuschlagen.

Ach, Harry, Du hast nach meinen drei Lieblingstracks gefragt. Wie soll ich mich da festlegen. Jedes Mal entdecke ich Neues, jedes Mal habe ich einen neuen Favoriten. Gute Kandidaten sind aber wohl das instrumentale ´Zero Talk´, das britisch klingende ´Fearless, Heartless´ oder das fast schon schleppende ´Livin‘ In Sin`.

Ich kann nicht anders, weniger als 9 Punkte zu geben wäre ein Frevel.

https://dyingvictimsproductions.bandcamp.com/music