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HEARTSCORE – Sculptures

~ 2020 (Independent) – Stil: Prog Metal ~


Gedanklich nimmt uns ´Sculptures´ in einem Zeittunnel zwanzig Jahre in die Vergangenheit zurück, emotional sogar dreißig Jahre. Dirk Radloff und sein Projekt HEARTSCORE debütierten nach einem Demo 2002 mit dem Album ´Sculptures´. Die Kritiker waren gelangweilt und verschmähten in der Mehrzahl dieses Prog Metal-Kleinod. Dabei nimmt es uns doch von neuem musikalisch in die legendären Neunzigerjahre mit, als der Prog Metal noch Metal und auch Progressive in seiner Auslegung war. Vielleicht lag es dereinst fürderhin nur an den jungfräulichen Tagen der Musikrichtung, dass alle so glänzend auftraten. Es gab schließlich neben den frühen SIEGES EVEN gleichfalls PRKLZ, DETERRENT, TELLTALEHARD oder SORE PLEXUS, um nur wenige von hunderten wahllos zu nennen. Vergleiche, ´Sculptures´ auf puren Metal oder gar auf LED ZEPPELIN zu reduzieren, schossen völlig an den Kompositionen vorbei. Außer jemand dachte irrsinnigerweise bei ´Sculptures´ an das schwarze Obelisk-Objekt auf dem Coverartwork von ´Presence´.

Um der Schönheit des Debüts zu neuem Glanze zu verhelfen, hat sich Dirk Radloff diesem Werk nochmals angenommen und präsentiert 18 Jahre später eine frisch aufgenommene Version. Die Arrangements wurden leicht verändert und den einst von Dirk Radloff (mit der dramatischen Unterstützung durch Oliver Hartstack) präsentierten Gesang übernimmt jetzt Giacomo Rossi, den wir schon auf dem 2019er HEARTSCORE-Album ´Black Riders Part II´ erleben und bewundern durften. Ebenfalls wurde die Songreihenfolge neu ausgewürfelt, da Dirk Radloff die ehemalige B-Seite weit metallischer als die A-Seite erschien. Er selbst widmet sich wie immer den Kompositionen und Arrangements, die weniger dunkel als in der Urfassung wirken, sowie allen Instrumenten. Daher ist ´Sculptures´ bereits als Debüt eine Verschmelzung von Achtzigerjahre Heavy Metal mit der Progressivität der Neunzigerjahre unter Einbeziehung von Klassik-Elementen und der Verarbeitung von Gedichten aus den Federn von Langston Hughes, Emily Dickinson, E.E. Cummings und Edwin Arlington Robinson gelungen.

HEARTSCORE sind jederzeit unruhig und hektisch, dabei rau und besonders eigen. Der ursprüngliche B-Seiten-Opener ´The Saddest Noise, The Sweetest Noise´ eröffnet nunmehr das Werk. Die klassischen Einflüsse, kurz spürbar, zeigen einen Song des frühen prog-metallischen Zeitalters. Zum dezent vertrackten Rhythmus präsentiert sich eine angenehme Melodie, die in den angesprochenen Dekaden des letzten Jahrhunderts nicht falsch aufgehoben wären. Die Lässigkeit einer coolen Rhythmik zeigt sich erst recht hernach – erwartungsgemäß – in ´Judgement Day´. Genauso metallisch, aber mit einem vereinzelt auftretenden mehrstimmigen Gesang, der in seinen Höhen im Background und in seinem letzten Ton auch an YES erinnert, ist ´Little Julie´ dieser gern gesehene Mini-Ohrwurm.

Weit kribbeliger in seiner Progressivität erweist sich ´What If A Much Of A Which Of A Wind´ mit einer bandtypischen, epischen Melodie. Mit schön langgezogenem, hohem Gesang trägt Giacomo Rossi den Galopper ´John Evereldown´ vor. In einem rockigeren Ansatz versucht sich ´Blue Bayou´ und vermag sich gleichwohl, mit Chorgesang einzuschmeicheln. Eher im schweren Gleichschritt sucht dagegen ´All I Want Is You´ den richtigen Pfad. Dann folgt das ehemalige Eröffnungsstück ´Men Treats Woman´ mit seinem unbefangenen Groove und seinem mehrstimmigen Gesang á la MOZART, der US-Band, „on Prog“. Die Fähigkeit des Projektes, wahllos, nein, wohldurchdacht eine Stelle des jeweiligen Gedichtes als Refrain auszuwählen, zeigt sich abermals in ´When Sue Wears Red´ und ´Aunt Sue’s Stories´, die ursprünglich die A-Seite, jetzt das Werk in seiner Gänze abschließen. Zudem trumpfen beide neuerlich mit außergewöhnlichem Gesang auf.

HEARTSCOREs Debüt eignet sich keinesfalls für die Schäbi-Metal-Sammlung, denn ebenso wie all die Bands der Neunzigerjahre aus der angeblich zweiten und dritten Reihe, die sich eigentlich von Beginn an als Kult erwiesen, entfaltet die anfänglich vermeidliche Schrägheit von ´Sculptures´ peu à peu ihren vollen Reiz.

(8 Punkte)

https://heartscore.bandcamp.com/album/sculptures-2

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