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SODOM – Genesis XIX

~ 2020 (Steamhammer / SPV) – Stil: Thrash Metal ~


Das erste Buch Moses, Genesis genannt, Kapitel 19: Das Gericht über Sodom und Gomorra

„Da ließ der Herr Schwefel und Feuer regnen vom Himmel herab auf Sodom und Gomorra und vernichtete die Städte und die ganze Gegend und alle Einwohner der Städte und was auf dem Lande gewachsen war.“

SODOM heute, Gelsenkirchen: Trotz bald 40-jähriger Bandgeschichte versprühten die Männer um Tom Angelripper erst einmal vor zehn Jahren ´Sodomy And Lust´:

„Bath in sin. Sadistic souls. Break their crust. Sodomy and lust.“

Das brandaktuelle, 16. Werk der rippenden Sodomie, ´Genesis XIX´, nimmt sich endlich dem Ursprung allen Übels an, besingt ´Sodom & Gomorrah´:

„Mature fruits turns into ashes, flowing life rotten to death, godlessness,
and glowing hatred, grace refused, hell damnation.

The golden wine cups were empty and their swollen lips were cold,
they could not resist the evil inside, when the frozen morning dawned in…

Sodom & Gomorrah, Sodom & Gomorrah, Sodom & Gomorrah, Sodom & Gomorrah.“

 

Bevor sich jedoch SODOM herablassen, Gottes Zorn auf Sodoms einzigartigen Sündenpfuhl in einen Song zu gießen, eröffnet das einminütige Intro ´Blind Superstition´ von der 1988er Tournee das Album. Zur Begrüßung beim Blick nach vorne ein kurzer zurück. Die Vergangenheit der sündenvollen Menschheit und der eigenen Bandgeschichte allzeit präsent. Dann kann es endlich in ´Sodom & Gomorrah´ Feuer und Schwefel regnen.

 

 

Die Trennung von Bernd „Bernemann“ Kost und Markus „Makka“ Freiwald hat dem Ruhrpott somit kein Krisen-Szenario aufgedrängt. SODOM zeigen sich derzeit in einer echten Hochphase kraftvoll und verspielt, das Gitarrenteam, Frank Blackfire (erstmals seit 1989 wieder auf einem SODOM-Album) und Yorck Segatz (NECK CEMETARY), in großartiger Form agierend. Dass sich der Hörer dabei an ´Agent Orange´ (1989) oder sogar mehr an ´Persecution Mania´ (1987) erinnert, bleibt etwa in ´Euthanasia´ oder ´Waldo & Pigpen´ nicht aus.

Völlig zeitlos, langsam zermalmend, lauern insbesondere in längeren Songs kurze Doom-Passagen auf. Death- und Black Metal-Versatzstücke schauen bei dem variablen Dauerfeuer ebenfalls hinter dem aus Schwefel und Feuer in der Luft hängenden Vorhang hervor. Selbst Neuzugang Toni Merkel gibt sich hinter seinem Drum-Kit machtvoll und zerstörerisch. Krasser Weise entstehen bisweilen sogar gesanglich Querverweise zu SLAYER und KREATOR, gar zu beiden besonders wonnig im Titelsong nachzuhören.

 

 

SODOM geben sich also entgegen aller Traditionswahrung nicht nur als schlichte Teutonen Thrasher aus. Auch auf einem SODOM-Album zahlt sich Abwechslung aus. Die musikalische Schlachtplatte ´The Harponeer´ behandelt dafür nicht den grausamen Walfang, sondern die Geschichte von Herman Melvilles Roman „Moby Dick“. ´Glock N‘ Roll´, über einen Serienkiller mit einer Glock-Pistole, ist heftiger als nur fieser Heavy Metal und ´Indoctrination´ nimmt sich kurz vor dem Abschied einen Schuss Punk aus der Pulle.

Sozialkritische Aspekte bleiben bei Tom Angelrippers Geschrei ebenfalls nicht außen vor. Im deutsch gesungenen, krachenden Wegweiser ´Nicht mehr mein Land´ prangert er die Kurzsichtigkeit der Politik an, nicht an die Generationen von Morgen zu denken, soziales Unrecht und dementsprechenden Missstand. Die Menschlosigkeit der Gegenwart lässt in ´Dehumanized´ die Alarmglocken läuten. In die schwarze Zukunft blickt Tom Angelripper hingegen mit ´Occult Perpetrator´, wenn sich die Menschen der südlichen Halbkugel, etwa bei der Impfung eines Virus im Stich gelassen fühlen, gewaltsam Richtung Norden aufmachen, oder in Science-Fiction-Weise mit ´Indoctrination´, in dem die Menschheit zu willenlosen, gechipten Individuen verkommt.

„…Und er blickte hinab auf die Fläche von Sodom und Gomorra
und auf die ganze Fläche des Landes in der Ebene des Jordan, und er sah:
Und siehe, Rauch stieg vom Land auf, wie der Rauch eines Schmelzofens.“
(1. Mose 19, 28)

(8 Punkte)


Pic: Mumpi Kuenster