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NAPALM DEATH – Throes Of Joy In The Jaws Of Defeatism

~ 2020 (Century Media) – Stil: Grindcore/Experimental/Noise ~


NAPALM DEATH waren noch nie eine Band, die musikalisch stehen geblieben ist. Als Söhne der Anarchie und unumstrittene Vorfahren des Grindcore, hielten sie vor allem in den 90ern die Death Metal-Flagge immer höher und integrierten auf ihren letzten Werken zudem starke Anteile von Progressive sowie Noise Rock. Die vier Birminghamer etablierten im Laufe ihres langjährigen Bestehens einen Sound wie ein kunterbuntes Graffiti an einer Clubwand, das ihnen als Blaupause für ihre kühnen, teils wahnwitzig versponnenen Ideen diente.

Diese Notwendigkeit, immer an den äußeren Rändern der musikalischen und politischen Extremität zu sein, treibt sie auch anno 2020 immer noch weiter voran und erschlägt nun mit einer besonders prachtvollen Wucht und Härte.

Der Napalm der Neuzeit ist zwar genauso brutal und verstörend wie eh und je, aber die große Zeitspanne zwischen ´Apex Predator – Easy Meat´ und dem mittlerweile 16. Album hat zweifellos dazu geführt, dass ein weit expansiverer und noch ausdrucksstärkerer Sound entstanden ist. Es ist ein Album voller aufregender musikalischer Kontraste und beißender sozialer Kommentare, das sich für die Zeit, in der wir leben, zudem völlig zeitgemäß und relevant anfühlt.

´Fuck The Factoid´ knallt auf Anhieb mit den harten Blast-Beats von Danny Herrera und stampfenden Groove-Abschnitten drauflos und ist ein sofortiges Beispiel dafür, dass die Veteranen nach wie vor viel Gift in sich tragen. Der pandemiegroße Banger ´Contagion´ ist ein weiterer, rasanter Höhepunkt, wohingegen das experimentelle, fast schon avantgardistische ‚Joie De Ne Pas Vivre’ mit seinem verdrehten Industrial-Ambiente und Shane Emburys schwerem Bass zu begeistern versteht.

Der Titeltrack entwickelt sich anfangs aus Barneys isolierter, geradezu höhlenartiger Stimme heraus und katapultiert sich in einen Wirbel aus chaotischen Explosionen und schneidendem Riffing. ´A Bellyful Of Salt And Spleen´ beendet schließlich das Album mit einem episch angelegten SWANS-Vibe und seinen kommandierenden Drums, die eine Klanglandschaft von eindringlichem Industrial führen.

In den zwölf Stomping-Songs der Briten gibt es jedenfalls gleich eine ganze Menge Nuancen zu loben, die Stücke sind höchst abwechslungsreich und gehen zudem überwiegend auch schnell ins Ohr.

´Throes Of Joy In The Jaws Of Defeatism´ ist ein weiteres zeitloses Zeugnis an Grindcore-Brillanz, das sowohl vergangene, gegenwärtige und zukünftige Sounds enthält, und es ist eine unablässige Flut an spitzer Wut und aufrichtiger Aggression. Mit jeder Ära scheinen NAPALM DEATH immer noch höchst aktuell und an vorderster Front des Genres zu sein, um erneut mit einer ungeheuer kraftvollen Botschaft zurückzukehren, die nur unter der gewichtigen Brutalität ihrer Musik vermittelbar ist. Klassiker. Wieder einmal.

(9,5 Punkte)