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BRIGHT EYES – Down In The Weeds, Where The World Once Was

~ 2020 (Dead Oceans) – Stil: Singer-Songwriter ~


Er besaß die eine, in schmerzhafter Melancholie erklingende, schauderhaft zerbrechlichste Stimme der Jahrhundertwende: Conor Oberst. Er war die Stimme einer ganzen Generation, die sich nun samt ihrem Sprachrohr mit dem Älterwerden arrangieren muss. Dieses veröffentlichte mit 13 Jahren sein ersten Album und wollte nach 2011 auf ´The People’s Key´ kein weiteres BRIGHT EYES-Werk folgen lassen. Die letzte Show ging am 21. November 2011 in Honolulu, Hawaii, über die Bühne. Es folgten drei Solo-Alben – ´Upside Down Mountain´ (2014), ´Ruminations´ (2016) und ´Salutations´ (2017) – und zuletzt das Projekt BETTER OBLIVION COMMUNITY CENTER mit Phoebe Bridgers (2019).

 

 

Jetzt ist Conor Oberst 40 Jahre alt, verlor vor vier Jahren seinen Bruder und trennte sich nach sieben Jahren von seiner Ehefrau Corina Figueroa Escamilla. Trübsinn und Weltschmerz haben sich folglich reichlich angesammelt. Zeit, mit seinen Kumpels Mike Mogis und Nathaniel Walcott das zehnte BRIGHT EYES-Studio-Album anzugehen: ´Down In The Weeds, Where The World Once Was´.

 

 

Jubel, Trubel, Heiterkeit im Jahre 2020? Selbstredend nicht. Regsamkeit im Saloon von Omaha. Conor Obersts Ex-Partnerin Corina Figueroa Escamilla führt an eben diesem imaginären Ort in das Werk ein: „¡Buenas noches damas y caballeros! Estamos llenas de emoción de que estén aquí con nosotros esta noche Acompañanos mientras caminamos por el largo pasillo y salimos por las puertas de la memoria y el olvido Démosle la más cordial bienvenida al escenario a Your Most Vivid Nightmares Interpretando su más nueva composición, ¡Pageturners Rag!

Piano, Trompete u. a. erschallen und beinahe wird ´When I’m Sixty Four´ angespielt. Dann aber steigt urplötzlich die Band ein und diese zitternd-bebende Stimme erklingt wieder so als hätte es die letzten neun Jahre nie gegeben. Eine Pedal Steel schenkt der Atmosphäre ihr Übriges. Conor sinniert über die eine große Liebe, behauptet, für Gott Tränen vergossen zu haben, weil er gelesen habe, er wäre tot. Er will es nicht wieder tun, aber dagegen die Liebe, oder dazu, die kann er nicht vergessen. Bei all dem Wahnsinn in der bleihaltigen Welt hilft allein durchzutanzen (´Dance And Sing´). Die Zeit zurückzudrehen, das Leben und den ganzen Rest, bietet die Natur leider nicht an. Allein eine südländische Gitarre kann ich selbst spielen (´Just Once In The World´).

Conor reicht es, sich mit Susan Sanchez an flackernde Synthesizertasten zu setzen, derweil die Welt in Flammen steht (´Pan And Broom´). Er träumt von seiner Ex-Frau (´Hot Car In The Sun´), schweißgebadet von seinem Bruder und schreit auf (´Tilt-A-Whirl´). Sogar der Papst und das Bataclan stehen einmal wortwörtlich im Mittelpunkt der Gedanken (´To Death’s Heart (In Three Parts)´), auf der Suche nach Gottvater, Gottsohn und dem Heiligen Geist.

Zuweilen wird es sinfonisch (´One And Done´ oder ´Stairwell Song´), einmal erschallen gekonnt drei Dudelsäcke (´Persona Non Grata´), die zitternde Stimme obligat. Und falls Conors Anhänger ihn in den letzten Dekaden vergessen haben sollten, hören sie vielleicht irgendwo, in irgendeinem Äther ´Mariana Trench´ oder ´Forced Convalescence´. Sie werden ihn anschließend nicht ein weiteres Mal vergessen.

(8,5 Punkte)

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