PlattenkritikenPressfrisch

NIGHT – High Tides – Distant Skies

~ 2020 (The Sign Records) – Stil: Classic Hard-/Heavy-/Rock ~


Vier Alben haben die Schweden aus Linköpping jetzt auf der Habenseite. Vier Alben, mit denen sie eines klarmachen: Sie haben schon mit ihrem Debüt ihren NIGHT Sound gefunden und werden einen Teufel tun, davon abzuweichen. Das hat ihnen Kultstatus, eine wachsende Fanschicht und schon die eine oder andere Mittelmaßkritik eingebracht. Und ja, das vierte Album, welches ich gerade zu besprechen habe, weicht nicht einen Millimeter vom Pfad der Nacht ab. Melodischer, aber kantiger Hardrock, Heavy Metal, sogar Songs, die „nur“ Rock sind mit locker flockigem 70er Feeling und BLUE ÖYSTER CULT-Atmosphäre bringen sie zusammen und gerade der dritte Song ´Crimson Past´ ist einer dieser nichtmetallischen und doch extrem coolen Songs mit Hymnencharakter, einem entspannten US Westküstenfeeling, akustischen Gitarren, einem treibenden Beat, schönen melodischen Leadgitarren und sogar packenden Pianoläufen. Singt Oskar hier noch? Die Stimme klingt gar nicht so rostig und schrill wie sonst. Aber schön, sehr schön.

Verträumt lässt man sich eine laue Sommerbrise durch die Haare wehen und…Moment? Was rede ich hier denn für einen Bullshit? Warum habe ich Werbung mit kleinen mit Mandel, Kokoscreme und Kokosraspeln bestückten Waffelgebäckkugeln vor Augen? Pfui Spinne! Aber ehrlich, auch diese lockere, fluffige Seite der Band weiß mich zu entzücken. Wenn man NIGHT etwas attestieren muss, dann die Verbreiterung ihres Stils und das Händchen, jeden Song auf dem jeweilig aufliegenden Album zu einer Hymne zu schmieden, die sich gewaschen hat.

Charismatisch, packend, durch das konservative Rocksongwriting und den warmen Sound eine wohlige Vertrautheit ausstrahlend und doch erfrischend präsentieren sie ihre Musik. Sie waren nie die härteste Metalband auf der Welt und wollten das nie sein. Dem aktuellen Retrorocksound setzen sie die Krone auf, indem sie einerseits Hardrock, Rock und Heavy Metal von 1976 bis 1981 neu aufbereiten, aber immer wieder Songs mit Identität statt gleichklingender Massenware präsentieren. Top. Und ein solches Kunstwerk ist auch ´Falling In The Black´. Melodischer, entspannter Hardrock, dann ein Schwenk in der Mitte mit akustischer Gitarre, aber schwungvoll inszeniert, dann getragen rockende Parts, viele Passagenwechsel, tolle Harmonien und eine melancholische, aber doch zufriedene Stimmung.

 

 

Vor 40 Jahren wären die so groß wie TRIUMPH geworden. Mich erinnern sie an die Epoche, nicht an einzelne Bands. Das muss man erstmal schaffen. Und warum sollen neben den Patches von ACCEPT, IRON MAIDEN, SAXON, MOTÖRHEAD und RIOT nicht auch BLUE ÖYSTER CULT, MONTROSE, TRIUMPH und MOXY von der 1981er Metalkutte strahlen? Trotz Klavier sind NIGHT noch kein AOR, aber durchaus Hardrock, der dann gerne von feurigen Gitarrensoli unterbrochen wird, bei denen man die „Geile Macker“ Posen des Klampfers vor dem geistigen Auge sieht. Tja, das galoppierende Element des Heavy Metal könnte auch vom alten HEART-Kracher ´Barracuda´ geliehen sein, statt von JUDAS PRIEST, aber wir wollen NIGHT doch nicht unterstellen, Freunde von banalem Kommerzrock zu sein, oder?

Ach, soll jeder hören was er will und soll jeder bei NIGHT raushören, an was ihn der jeweilige Track erinnert. Denn NIGHT sind NIGHT, haben ihre Trademarks, haben Schwung, Stil und Charme und eine Ausstrahlung, die dich als Hardrockfreund förmlich zu Tränen der Ergriffenheit zwingt. Ob sie damit weit kommen? Ich würde es ihnen gönnen, statt des Bambi Galore Kellerlochs in Hamburg Billstedt die großen Sportarenen auszuverkaufen, denn kompositorisch packender, genialer und liebenswerter als die meisten dort auftretenden Rockopas sind sie allemal, auch wenn sie nicht weiter als bis 1981 denken wollen.

NIGHT sind das beste Beispiel dafür, in der Vergangenheit zu leben. Sie sind sogar noch mehr, eine Tür in die alten Zeiten. Ich kann es kaum in Worte fassen, wie sehr mich ihre Musik berührt, weil sie eben seit nunmehr vier Alben keinen Deut beliebiger geworden sind, jedoch immer wunderschönere Songjuwelen auf den Tisch packen, wo man dann hier und da laut bekannte Phrasen grölen will, es aber nicht kann, weil NIGHT dann eben doch immer wieder die Kurve zu sich selbst finden.

Mein Geld ist knapp und somit nur für absolute Highlights im Musikbereich gedacht. NIGHT sind solch ein Highlight für die Ewigkeit. Diese Band ist mit jedem Album bisher farbenfroher, rockiger, aber auch besser geworden. Und hier haben wir nicht mehr und nicht weniger als einen absoluten Classic Rock-Klassiker, der tatsächlich nicht so altehrwürdig ist, wie er klingt. Ihre beste Platte bisher. Null innovativ, zweihundertprozentig eigen und grandios. So frisch und lustvoll als hätte es diese Musik bislang nie gegeben.

Wer gerne seinen alten Mustang mit runtergekurbelten Scheiben über die Piste jagt, dabei aus Dosen leckeres Pilsbier trinkt und den in schwarzes Leder geschürzten Ellenbogen aus dem Fenster hält, wird solche Musik, damit auch alle vier NIGHT-Platten und diese hier besonders lieben.

(10 Punkte)

www.facebook.com/nightbandofficial


(VÖ: 11.09.2020)