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PAIN OF SALVATION – Panther

~ 2020 (InsideOut Music) – Stil: Prog Metal ~


PAIN OF SALVATION musizierten schon immer Abseits der Norm, sei es in den progmetallischen Anfängen oder innerhalb experimenteller sowie retrogresker Ausreißer. Das letzte Werk ´The Passing Light Of Day´ setzte 2017 nicht nur Maßstäbe, sondern entpuppte sich als ein Fixstern innerhalb der Diskografie. Die Rückkehr von Gitarrist Johan Hallgren, der zuletzt im Studio bei den ´Road Salt´-Werken zugegen war und Ragnar Zolberg ersetzt, führt jedoch nicht zu einer Wiederkehr eben jener Klänge vor gut einer Dekade. Mastermind Daniel Gildenlöw komponiert weiterhin abseits jeglicher Erwartungshaltung und präsentiert seine Band in diesem Jahr in einem aufgefrischten Sound, ohne die Identität von PAIN OF SALVATION preiszugeben.

´Panther´ ist ein in drei Kapitel unterteiltes Konzeptwerk, das mit der Androhung „to be continued …“ wohl in weiteren Kapiteln seine Fortsetzung finden wird. Es behandelt die Daseinsform des Menschen als Individuum und betrachtet die Spaltung der Gesellschaft in Menschen, die der Norm entsprechen („Hunde“), und solche, die dieser nicht entsprechen wollen oder gar nicht können („Panther“). Menschen, die anders sind, besonders sind, aber in der Gemeinschaft an ihren Rand gedrängt werden. Menschen, die mit Medikamenten behandelt werden, um sich der Norm anzupassen. Aber auch Menschen, die von der öffentlichen Doktrin abweichen.

Der Gegenwartskampf um Werte, um die Norm hat längst begonnen. Chapter 1: Denn der Eine, der, der sich außerhalb der Norm bewegt, ist immer das Problem, einer, der das Feuer angezündet haben soll, einer, dem die Schuld zugesprochen werden soll. Und noch während die Diskussion über Schuld und Unschuld läuft, brennen die Häuser weiter ab, steht die Welt in Flammen. Elektronische Beats und synthetische Läufe säumen diesen Weg. ´Accelerator´ eröffnet á la Electronic-Singer-Songwriter das Werk im Verbund mit der gewohnten Magie von PAIN OF SALVATION.

„Willkommen in der neuen Welt!“: ´Unfuture´ bahnt sich seinen Lauf im bluesigen Prog Metal. Nicht erst hier treten Vergleiche zu ARK 2.0 auf. Daniel Gildenlöw lässt die Rhythmus-Sektion – Léo Margarit und Gustaf Hielm – hüpfen und die Tiefe schwingen. Echte Emotion im Härtegrad tritt aber immer erst dann auf, wenn die Gitarre bebend eingreift. Die Elektronik breitet sich ganz in ´Restless Boy´ aus, eine Roboter-Stimme fängt gar an zu singen. „Willkommen im neuen Du!“: Doch wie soll ein so zappeliger Junge in dieser für ihn so langsamen Welt überleben?

Chapter 2 zeigt ein siebenminütiges ´Wait´, das von Klavier und Akustikgitarre angefacht wird und sich mit seiner bandtypisch sehnsuchtsvollen Gesangsline zu einem der Höhepunkte aufschwingt. Doch wer gibt ihm, dem Jungen, die Zeit, Tage und Jahre? Damit er so wird wie der Rest? Reine Fixierung auf die Gedanken, um die Stimmen im Kopf zu kanalisieren. Fixierung? Da will sich ein zwirbelndes, im 7/8-Takt vorgetragenes ´Keen To A Fault´ nicht hinten anstellen. Das mit südländischen Akustikgitarrenklängen aufwartende, kurze ´Fur´ schließt das Kapitel ab.

Daniel Gildenlöws Sprechgesang erschallt in Chapter 3 zum Titelsong, gleichwohl singt er den Refrain in aller angekratzten Schönheit. Doch der Unnormale brennt schon von allen Seiten lichterloh. Und nur weil die Anderen nicht mithalten können, wird er ruhig gestellt? In der Natur braucht die Anormalität nicht der Norm entsprechen. Nachrichten zu meiden kann bereits helfen. Der Junge flieht in die Natur. Doch wer bringt der Menschheit die Heilung? Wer heilt die Zeit? Dazu hat das heavy-halb-balladeske ´Species´ etwas von COVERDALE/PAGE als Antwort parat.

Das finale ´Icon´ verrät in aller sinfonischen Ausbreitung über dreizehn Minuten in einem Nebensatz, dass ein gewisser Elektronik-Einfluss von RADIOHEAD stammt. Und der Eine? Der Anormale? Als Hosenmatz zu alt, als Erwachsener zu jung. Noch eine Nacht zu leben? Wie lange noch?

Willst Du Hund oder Panther sein? Nicht jeder hat die Wahl.

 

 

(8,5 Punkte)

https://www.facebook.com/Painofsalvation/


(VÖ: 28.08.2020)