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BE WELL – The Weight And The Cost

~ 2020 (End Hits Records) – Stil: Emotional Hardcore ~


Emo. Früher war der Kurzbegriff ein Qualitätsmerkmal. Wer auch mit GRAY MATTER, IGNITE und UNIFORM CHOICE aufgewachsen ist, weiß, was ich meine. Heute stehen die drei Buchstaben für Mode. Für inhaltsleeres Getöse. Viel Rauch um Nichts. Fast so ablehnungswürdig wie Nu Metal, der ebenfalls in den 2000ern am schlimmsten grassierte. BE WELL wiederum stehen in der Tradition eingangs genannter. Sind auch schon Anfang der 1990er relevant gewesen. Sänger Brian McTernan führte damals das Straight-Edge-Geschwader BATTERY, die Herren an den Instrumenten kennt man unter anderem von BANE und DARKEST HOUR.

´Confessional´ ist zwar der letzte Track des Albums – soll hier gleichwohl als Exempel dienen für die gehobene Qualität des gesamten Albums. Das Lied ist eine Nackenhaare-aufstellende Ode von McTernan an die Hoffnungen für die Zukunft seiner Tochter – während er daran arbeitet, sein eigenes Leben unter Depressionen und Selbstzweifel wieder in den Griff zu bekommen. Hintergrund: Der Sänger war nach seiner kleinen Karriere bei BATTERY eine Art Starproduzent im Indie-/Punk-Bereich. HOT WATER MUSIC nahmen beispielsweise bei ihm auf. Aber am Ende, sagt er, musste er bei den Projekten und Bands, die er gut fand, draufzahlen. Schließlich endete alles notgedrungen in einem Mainstream-Job. Als Bauaufseher. Baustelle nach Baustelle. Tag für Tag. Stadt für Stadt. Dann die schlaflosen Nächte, Gedankenkarussell ohne Ende. Letztlich Burn-Out.

Inhalte bestimmen die Form

Was hilft? Musik! McTernan wollte wieder was machen, was sein Blut zur Wallung bringt – und zwar im positiven Sinne. Hardcore von Herzen. Und hier kommen BE WELL ins Spiel. Das Debüt präsentiert McTernan auf ehrlichste und transparenteste Art. Er schildert seine Kämpfe mit Depressionen und Vaterschaft in Texten, die zu gleichen Teilen verzweifelt und hoffnungsvoll sind. Seine Mitstreiter wissen, wie sie dazu ein hartes Hardcore-Brett in einen soften Emo-Part übergehen lassen – so stil- wie gefühlvoll. Wo viele Hardcore-Platten ihren Inhalt an die Form der sehr überschaubaren Genre-Konventionen anpassen, zeigt ´The Weight And The Cost´ was drinsteckt, wenn der Inhalt die Form schafft. Heraus kommt: eine zutiefst persönliche Platte, die ohne Kitsch und mit gut ausbalancierten Dynamiken zahlreiche Menschen ansprechen kann.

(7,5 Punkte)


(VÖ: 21.08.2020)