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THE AVETT BROTHERS – The Third Gleam

~ 2020 (Loma Vista Recordings) – Stil: Rock ~


2000 aus der Grunge- (iiieeeehks – Anm. d. Verf.) Band NEMO (ist mir kein Begriff, aber Grunge war auch nie meins – Anm. d. Verf.) entstanden, hat sich die Band um die Avett Brüder Scott und Seth mit bislang zehn Alben und ein paar EPs zu einer weltweit anerkannten Truppe gemeistert, die sich dem klassischen Americana Sound verschrieben hat. Man will ab und an modernere US Folksounds aus dem Gesamtbild heraushören, aber das kann eine Sinnestäuschung sein. Die Musik auf diesem elften Album klingt frisch, aber irgendwie auch archaisch zuweilen, wenn die Band komplett auf akustische Instrumente zurückgreift. Und das tut sie gerne und häufig. Die Melodien sind schön, entspannt, von einer fröhlichen Melancholie oder melancholischen Fröhlichkeit angetrieben. Üppige, aber nicht überbordende Arrangements in dichter Verflechtung bilden für den freundlichen, eindringlichen Gesang ein sehr tragfähiges Fundament, in dessen Tiefe man sich manchmal verlieren könnte, wie in einem Laubwald an der Straße von einer Kleinstadt in die nächste.

Country, Folk, hier gibt es so gut wie keinen Rock. Eigentlich sogar gar keinen. Aber dafür Songs, die Dich aus der Hektik des Alltags in einen sonnendurchfluteten Traum vom Landleben reißen, wo Du in einer weißen Pferdekutsche vorbei an weißen Zäunen über eine sandige Landstraße fährst und links und rechts weite goldene Kornfelder siehst, die Dich an die blonden Haare Deiner Liebsten oder des kleinen Prinzen erinnern. Und Du fährst in die Abendsonne hinein und fühlst den tiefen Frieden dieser Szenerie. Die einfachen, aber wunderschönen Melodien begleiten Dich und nehmen Dir die Hast. Alles hat seine Zeit und jetzt ist schlicht das reine Dasein angesagt, ohne Gedanken an morgen, gestern oder sonstwann zu verschwenden.

So fühlt sich dieses Album an. Das ist nicht innovativ, ganz und gar nicht. Die Musik hier kennen wir von 60er und 70er Legenden wie CROSBY STILLS AND NASH, manchmal mit YOUNG dabei, DULCIMER, Nick Drake in seinen leichteren Momenten. Aber die Performance ist wunderbar, die Songs hier sind wunderbar. Sie streicheln Deine Sinne und sagen Dir, dass alles gut ist oder wieder gut wird.

Unaufgeregt wird hier in Harmonien und Gesangslinien gebadet, die Dir die Sonne ins Zimmer bringen. Hier braucht sich niemand beweisen, hier braucht niemand gewaltige Dinge zu vollbringen, denn hier regiert die kleine Welt, hier regiert die Einfachheit der Gefühle. Hier wird gelebt und sonst nichts. Kleine, bezaubernde Details gibt es natürlich überall auf diesem Album. Eine gepfiffene Melodie, ein Saitenquietschen, ja, das ist Liebe in Musik gefasst.

Weil es einfach schön ist 8,5 Punkte und eine Empfehlung an alle Americana-Freunde.


(VÖ: 28.8.2020)