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KING BUZZO WITH TREVOR DUNN – Gift Of Sacrifice

~ 2020 (Ipecac) – Stil: Experimental/Psychedelic ~


Mit den MELVINS waren Buzz Osborne und Dale Crover seit Ende der 80er stets an der Spitze des klanglichen Fortschritts in den Bereichen tonnenschwerer Musik. Das Gleiche gilt für den Bassisten Trevor Dunn, der auf dem Album ´Freak Puke´ bereits intensiv mit den beiden Klangriesen zusammenarbeitete und mittlerweile zu einer produktiven Ikone des progressiven Bassspiels geworden ist, unter anderem aufgrund seiner langjährigen Mitarbeit bei Mike Pattons Projekt MR. BUNGLE. Auf dem zweiten KING BUZZO-Album ´Gifts Of Sacrifice´ kommt es nun erneut zu einer Liaison, wobei die beiden dieses Mal als akustisches Duo aus Gitarre und Kontrabass fungieren.

Auf dem Vorgänger ´This Machine Kills Artists´ pflügte Osborne noch 17 treibende Rock-Nummern durch, die selten die Drei-Minuten-Marke überschritten, um die Akustikgitarre als primär rhythmisches, manchmal fast perkussives Instrument neu zu interpretieren. Im Gegensatz dazu bietet ´Gift Of Sacrifice´ meist lange, atmosphärische Tracks, die eine dunkle, fast schon nachdenkliche Schönheit erzielen, zweifellos das Verdienst der zusätzlichen Anwesenheit von eben Trevor Dunn.

´Delayed Clarity´ – ganz offensichtlich das Kernstück des Albums – unterstreicht dabei einmal mehr Osbornes meisterhafte Fähigkeit, seltsame Klangwelten durch Verlangsamung zu erkunden, indem er das Tempo herunternimmt und die Textur über reine Melodie betont. Der Song beginnt mit einer Reihe von brütenden, stark angeschlagenen Akustikakkorden, denen er schließlich einen herrlich melancholischen Gitarren-Lick hinzufügt, während Dunn seinen Stand-Up-Bass einsetzt, um mithilfe erheblicher Verzögerungseffekte eine unheimliche, wirbelnde Klanglandschaft zu erzeugen, die den Gesang wie in einen psychedelischen Nebel taucht.

´Housing, Luxury, Energy´ kehrt die Struktur von ´Delayed Clarity´ geradezu um, mit einem weiteren Satz brütender, stark angeschlagener Akkorde und kratzenden, atonalen Sounds. Aus einem brodelnden Kessel an Geräuschen heraus entwickelt sich eine zunehmend bedrückende Atmosphäre und die traurige Melodie zerfällt schließlich in einen vernichtend harten und schweren Groove, der sich mit zunehmender Intensität bis zum letzten Akkord weiterentwickelt.

Weit mehr als sechs Minuten intensiviert der Song bis zu dem Punkt, an dem Osbornes bellender Gesang und ein donnerndes Klimpern einen überwältigenden Strudel erzeugen.

Das Album hat einen insgesamt sehr lebhaften, sich jedoch immer erst anbahnenden Charakter – eine klangliche Aura, wie wenn ein Aasgeier schelmisch auf dich herabstarrt, mit dem kalten Blick eines Schiedsrichters des Todes. Jedes Gefühl des Jubels wurde aus dem musikalischen Kontext herausgerissen und die Texte sind ein lautes Gebrüll gegen die wachsende Ignoranz und Intoleranz, insbesondere in den U.S.A.

´Gift Of Sacrifice´ flirtet insofern geradezu mit dem Chaos und es ist ein ungewöhnliches musikalisches Geschenk, das aus Osbornes Opfer der Konventionalität für seltsamere, noch breitere Möglichkeiten hervorgegangen ist.

(8 Punkte)

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(VÖ: 14.08.2020)