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WALTER TROUT – Ordinary Madness

~ 2020 (Provogue Records) – Stil: Blues ~


Altbluesrocker Walter Trout ist also auch wieder mal am Start. Mein Klient Florian Lohoff hat mit ihm schon die Bühne geteilt und ist wohl mit ihm auf „Du“. Ich bin dezent mit ihm und seinem Stil vertraut, muss sagen, er kann was. Bluesrock kann er, Bluesrock der absolut traditionellen, ja schon konservativen Variante.

Aber das erste Stück, der Titelsong des neuen Albums, hat bei allem konservativen Beharren auf den altehrwürdigen Melodien und Läufen eine coole, tiefe Atmosphäre und ein schönes Blues Electric Blues Solo. Und was geht sonst noch so? Der Sound klingt irgendwie verregnet, ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll. Es ist ein dichter, erfrischender, kühler aber lebendiger Klang. Und das kommt einem Classic Rocker wie ´Wanna Dance´ zugute. Auch hier finden sich alle urklassischen Rock- und Bluesrock-Elemente, aber auch hier legt Walter Trout wieder all seine Gefühle in ein Stück Musik hinein.

´My Foolish Pride´ hat eher einen warmen Sound, was durch die schöne Orgel kommt, ist eine entspannte Ballade im Americana / Westcoast-Stil, wie sie auch vor 50 Jahren von einer der großen Bands der Epoche hätte stammen können. Viel Gefühl wird investiert und das zahlt sich aus. Der Song ist schön, auch schön arrangiert. Man kann sich von ihm tragen lassen und einfach entspannen. Rockig wird es dagegen erneut mit ´Heartland´, einer erdigen Malochernummer, die dem Komponisten aus dem tiefsten Winkel seiner Seele entspringt. Schöne Melodien ziehen einen in ihren Bann. Es sind bodenständige, einfache Melodien mit gütiger Ausstrahlung.

´All Out Of Tears´ bringt den rockenden Chicago Blues zu uns, ist eine zutiefst melancholische Barbluesnummer, wie sie es natürlich zuhauf gibt. Trouts Gesang ist herausragend, weil er eben auch eine charismatische Stimme besitzt und die Performance zieht die gute Standardkomposition auf die Habenseite. Ich kann mich grad nicht entsinnen, an welche bekannte Nummer mich das Lied erinnert, aber ganz klar, das hier gibt es schon. Das könnte natürlich ein Manko des Walter Trout sein oder sein großes Plus. Er klingt immer irgendwie verTROUT (dieses Wortspiel musste ich mir geben, nix für ungut – der Verf.) und daher geht seine Musik leicht ins Ohr, von da in die Seele und erfüllt Dich als Ganzes für die Zeit, die so eine Platte eben dauert. ´Final Curtain Call´ nimmt wieder Fahrt auf, zumindest ein wenig. Bluesrock, Boogie, ja, sind dabei. Aber die Nummer hat einen herrlich schmutzigen Südstaatenrockgroove und schöne Harmonien dabei. Knackige Gitarren treten Dir gehörig in den Hintern. Cooler Song.

´Heaven In Your Eyes´ ist ein entspannter Rocksong, keine Ballade, sehr melancholisch, wieder mit der eingangs erwähnten, regnerischen Atmosphäre. Die Melodien stimmen nachdenklich, die Performance ist wieder erstklassig und wenn es dieses alles nicht schon gegeben hätte, würde ich von einem Jahrhundertrocksong sprechen.
´The Sun Is Going Down´ brodelt wie irre, ein elektrifizierter Blues mit üppigem Arrangement, dessen Atmosphäre Dich fast erdrücken will. Schöne Gitarren, schöne Orgel, toller Gesang. Hier wird die Komposition auch wieder von der Darbietung allein auf das Level eines kommenden Klassikers gehoben. Bravourös. Die kraftstrotzenden Gitarrensoli sengen Dir die Nackenhaare weg. ´Make It Right´ ist dann eher ein grooviger Classic Rocker, beseelt und lustvoll gespielt, geile Musik fürs entspannte Cruisen mit der Amikarre. Und ja, Walter Trout ist insgesamt einfach uramerikanisch mit seiner Musik.

Das rechtfertigt oft natürlich keine 18 Euro, die man für eine CD hingeben muss, aber insgesamt geht die Tendenz bei mir dazu, dieses Album dem geneigten Bluesrockfan und Altrockern aller Altersklassen zu empfehlen. Weil hier einfach satter, dampfender Rock gespielt wird, ohne Kompromisse, nicht zu hart, aber mit genug Power.
´Up Above My Sky´ ist eine verträumte Nummer, sehr sphärisch, bluesig in der Gesangsmelodie, hat aber auch was von den Mittsiebzigern PINK FLOYD. Du fliegst förmlich, wie es der Titel andeutet, hoch über den Wolken der Sonne entgegen. Besser hat es ein Song selten auf den Punkt gebracht. Mich packt die Nummer. Superschön. Nach der Hälfte ungefähr nimmt sie etwas Fahrt auf zum Solo hin, welches förmlich aus den Boxen birst und Feuer speit. Walter Trout gibt hier alles, aber restlos alles. Dann kehrt wieder die Ruhe ein, diese mächtige Friedfertigkeit des Schwebens hoch über den Wolken. Viele Songtitel haben einen nachdenklichen Unterton, als ob Meister Trout sich langsam aber sicher mit dem Lebensende auseinandersetzt und fragt, wohin die Reise gehen wird.

Grooviger Powerrock beschließt dann das Album. Walter Trout rechnet sehr sarkastisch mit der Millennialgeneration ab, „I’m a boomer, I’m ok“ singt er, preist die geilen Zeiten seiner Jugend und ist vollends mit sich und seinem Leben zufrieden. Und wieder gibt es tolle Soli, eine kräftige Performance, die jedem schnodderigen Millennial Lappen ordentlich in den platten Arsch tritt.

Und dafür kann man Walter Trout einfach nur lieben. Ich gebe der Platte für ihre wohlvertraute Großartigkeit 8 Punkte. Scheiß auf Innovation, das hier ist purer bluesiger Rock in allen Varianten, das ist Liebe.

 


(VÖ: 28.08.2020)