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IN MOURNING – Monolith

~ 2010/2020 (Agonia Records) –  Stil:  Progressive/Melodic Death Metal ~


2010? Was belästigt Ihr mich mit altem Scheiß, wenn der zum sogenannten „Modern Metal“ gehört, den ich schon aus Prinzip verachte? Micha (Haifl, unser Chefredakteur), was hab ich Dir getan? Nun, was es auch immer war, also muss Strafe sein.

IN MOURNING aus Falun im Norden des unteren Drittels von Schweden haben also wahrscheinlich anlässlich des zehnten Veröffentlichungsjubiläums ihres Zweitwerkes ´Monolith´ einen Rerelease im Deluxe Format angestrebt, als Geschenk an alte Fans und neugewonnene Jünger, die ihre alten Werke, dieses hier ursprünglich auf „Pulverised Records“, nicht mehr in den anscheinend vergriffenen Erstauflagen haben erstehen können. Löblich, sollten die genialen SALEM’S WYCH mit ihrer ´Betrayer Of Kings´-LP auch endlich tun. Aber ich schweife ab. Einleitung durch, kommen wir zur Musik. Lohnt sich das überhaupt?

Jünger von IN FLAMES, die einen Mix aus den neueren Werken und der Melodic Death-Phase ab dem Zweitling lieben, könnten, müssen sofort in den Laden stürmen oder bei Ebay respektive sonstwo im Internet die „Agonia Records“-Neufassung ranholen.

Wer sich darauf jetzt keinen Reim machen kann, dem sage ich, dass sich IN MOURNING als echte Kompositionstalente entpuppen. Modern ist die Chose allemal, der Sound oft sehr clean, nahe an reiner Digitalsynthetik, was gerade in den verzerrten, lauteren Parts ein wenig in meinen Ohren kitzelt. Hier und da schlägt noch das alte Metalfeeling durch, aber dieser moderne Digitalsound ist allgegenwärtig. Muss man entweder mögen oder sich dran gewöhnen.

Ich wollte mir die Band schon abgewöhnen, weil es eine rein klangliche Herausforderung ist und ich ein von Natur aus denkfauler Mensch bin, der sich viel lieber mit dem Stoff auseinandersetzt, den er kennt, aber nützt nix. Befehl ist Befehl (Müssen muss hier niemand – Anm. d. Red.), das Review wird gemacht. Also, was geht ab?

Sie mischen epische Passagen, bei denen tatsächlich coole Riffs mit cleanem Art Pop auftauchen, der sich in den 80ern auf so manch, inzwischen klassischem Charttopper-Album gut gemacht hat. Sie schreiben eingängige, eindringliche Songs, die aber gerne von den wuchtig kräftigen Passagen über ruhige, melancholische Brücken hin in andere Parts übergeleitet werden, bei denen gleich der gesamte Stil über den Haufen geworfen wird. Hier erklingt dann auch einmal sphärischer Post Rock mit leichtem Pop-Rock-Drall, den David Gilmour und Richard Wright nicht besser hätten entwerfen können.

IN MOURNING arbeiten mit schönen Melodien, das muss ich ihnen lassen. Sie können mich persönlich damit packen. Wenn sie klassische Metalelemente einbringen, erfreut mich das sowieso. Ein knisterndes Stakkatoriff-Feuerwerk moderner Art hier und da lockert die Musik auf. Und rasante, aber dennoch melodiedurchtränkte Abgehparts schocken erst recht. Und aus all diesen Elementen bauen sich IN MOURNING ihre Songs, die durchaus hymnischen Charakter besitzen. Selbst der Grollgesang ist abwechslungsreich und wird zuweilen heller, fauchender.

Man muss das Album öfter hören. Wenn die „Metal Archives“ IN MOURNING als progressiven melodischen Death Metal bezeichnen, dann haben sie durchaus Recht. Die Stücke haben mehr Tiefe, rein kompositorisch, als durchschnittlicher Schlagermetal für die Wacken Bühne. Wobei sie tatsächlich auch ob ihrer modernen Art die Wackenmetaller ansprechen dürften, die sich gerne AMON AMARTH und IN FLAMES tieftun. Aber darauf will ich nicht hinaus. Also, IN MOURNING schreiben sehr erzählerische Stücke, die trotz ihrer Drehungen und Wendungen stets einen roten Faden vorweisen.

20 Jahre gibt es die Band nun und ich finde schon, sie machen alles richtig. Art Pop statt Schlager, Post Rock statt Mainstream, Epik und Prog statt Oberflächlichkeit. Das passt. Dieses Album muss gehört werden, wieder und wieder, bis jedes verborgene Detail ans Tageslicht dringt. Selbst dann ist die Musik noch spannend. Und mit der Zeit gewöhnt sich das Ohr sogar an den übersatten Digitalsound.

Für mich ist dies ein Album, welches mir die Tür in die moderne Musik öffnet und trotzdem die Wahl lässt, ob ich dort verweilen möchte. Ein modernes und doch zeitloses Stück Metal, wo der Death Metal sich dem Progrock und Art Pop öffnet. Wo RIVERSIDE und HAKEN mit AMON AMARTH und IN FLAMES tanzen und PINK FLOYD neben Mike Oldfield auf der Tribüne stehen und applaudieren. Empfehlenswert.

(8,5 Punkte)