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U.D.O. & das Musikkorps der Bundeswehr – We Are One

~ 2020 (AFM/Soulfood) – Stil: Heavy Metal ~


Über die Verbindung von Rock bzw. Metal und einem Orchester lässt sich trefflichst streiten. Zwei Wege der Verbindung gibt es. Zum einen nimmt man einfach Songs, zu denen man das Orchester hinzuarrangiert. PROCOL HARUM haben das 1972 mit dem „Edmonton Symphony Orchestra“ vorexeziert. Da deren Songs wie ´Conquistador´ allerdings dank ihrer natürlich innewohnenden Epik geradezu prädestiniert sind, ist dies ein gelungenes Unterfangen gewesen. METALLICAs ´S&F´ hingegen war ein regelrechter Rohrkrepierer. Das passte nicht hinten und nicht vorne. Dabei, das bewiesen APOCALYPTICA, passt auch zu METALLICA der klassische Ansatz.

Weg zwei: Das Orchester wird von vornherein als „Instrument“ und Klangfarbe mitkomponiert. Die Blaupause hierfür lieferte JON LORD mit seinem ´Concerto For Group & Orchestra´ und verschiedenen Soloarbeiten. Wer liebt nicht den mitreissenden Groove der ´Bourée´ vom ´Sarabande´-Album? Unter dem Namen LINGUA MORTIS ORCHESTRA haben RAGE eine ganze Reihe spannender Sachen gemacht, legendär das Konzert im Januar 97 in Dortmund. RHAPSODY will ich noch erwähnen. Und BLIND GUARDIAN, die ganz konsequent dann mal ganz auf die Band verzichteten und nur mit Orchester aufnahmen.

Jetzt kommen wir also zu unserem liebsten Tarnklamottenbrüllwürfel. Passend zur Camouflage hat sich Herr Dirkschneider mit einer der weltweit renommiertesten Militärkapellen zusammengetan, dem Musikkorps der Bundeswehr mit Sitz in Siegburg. Erstmal tat er das 2015 für einen Auftritt in Wacken, Teile davon konnte der Verfasser im TV erleben. Dort waren seine Songs von ACCEPT und U.D.O. zu erleben, Songs, die tatsächlich geeignet waren, da ein gewisser Klassikanteil immer enthalten war. ´Metal Heart´ ist das Beispiel schlechthin, wenn es um die Benutzung klassischer Einflüsse geht. Oder eben auch ´They Want War´.

Erstes Fazit: ´We Are One´ klingt in sich geschlossen und homogen. Die Mischung Metal und Orchester wirkt hier nicht künstlich aufgesetzt. Alles paßt wunderbar zusammen. Das liegt aber sicher auch an der Erfahrung des Songwriterteams. Da waren neben uns Udo auch die Ex-ACCEPT-Kollegen Peter Baltes und Stefan Kaufmann, sowie die musikkorpseigenen Komponisten Guido Rennert und Alexander Reuber beteiligt.

 

 

Und musikalisch hat man eine lange Leine gelassen, sich nicht eingeschränkt. Orientalische Instrumente gefällig? Oder ein Dudelsack? Kein Problem, haben wir! Chöre? Klaro!!! Darf es ein bisschen mehr sein? So erschuf man Klänge, direkt wie aus einem Orchestergraben im Operntheater (´Love & Sin´), ´Here We Go Again´ hingegen bekommt einen jazzigen Big Band-Sound. Auch tempomässig geht es vom schleichenden ´Children Of The World´ bis hin zum speedigen ´We Strike Back´. Letzteres hat dann auch einen Soloteil, der wunderbar an die ´Keepers´-Ära erinnert. ´Pandemonium´ und ´Between Good And Evil´ begrenzen mit gleichen Themen das Album. Diese Leitmotivik verschafft ´We Are One´ etwas Soundtrackartiges. Und in ´Future & The Reason Why´ darf dann auch marschiert werden, der einzige Moment, der an Militärmusik erinnert.

Darüber gerät die Hauptattraktion ein wenig ins Hintertreffen. Zwischen den fetten Chören singt Udo doch zu wenig. Aber wenn, dann thront er über Band und Orchester. Wenn sie darf, beherrscht seine kratzige Stimme das Geschehen.

Was mir auffällt, und das verursacht einen leichten Beigeschmack, Metal, auch und gerade Udo D., hat sich immer auch zu gesellschaftlichen Themen geäußert. Aber hier scheint mir das doch ein wenig zu stromlienienförmig. Nichts gegen klare Worte. Aber das ein oder andere klingt doch ein wenig missionarisch.

Es wird sicher viele Fans geben, denen die Grenze zum Kitsch schon zu oft überschritten wird. Das ist mir hier ziemlich egal, ich liebe solch fetten Scheiß. Wenn er denn gut gemacht ist. Und er ist gut gemacht. Und, um ehrlich zu sein, ohne den Beitrag eines der besten Klangkörper Deutschlands, würden einige Songs gnadenlos untergehen. Sie wirken erst durch den fetten Klang. Im Bandkontext aber wären sie zu unspektakulär. Hier jedoch und auf diese Weise ist alles richtig gemacht.

Wenn sie auch nicht fliegen und schießen können, ihre Musikinstrumente funktionieren. Es klappt also doch was bei der Truppe.

(8 Punkte)

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