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VARUS – A New Dawn

~ 2020 (Independent) – Stil: Symphonic Folk Metal


Wenn man in einer Promomail folgendes zu lesen bekommt, dann stutzt man schon mal. Entweder ist da jemand sehr mutig, sehr genial oder überschätzt sich ganz heftig. So etwas kann schon heftig in die Binsen gehen.

Geformt in den Schmieden Oberfrankens, verschrieb sich VARUS eines langwierigen und rundum tiefgründigen Konzeptes:
Die ebenso eigenständige wie epische und ästhetische Verschmelzung aus klassischer Musik, traditionellem Folk und kernigem Metal.

Jedoch, weit gefehlt. VARUS sind einfach zu gut. In die Binsen geht da nichts. Nein, der Mut wurde belohnt.

In der alten Bischofs-, Rauchbier- und Kartoffelstadt Bamberg löste sich 2012 die Band BANJAXED auf. Danach machten die Musiker zusammen weiter, mit der Maßgabe, eigenes Material zu spielen. So erschien 2014 ein erstes Album ´Till The Sun Rises´, das jetzt endlich einen Nachfolger erhält.

Technisch gesehen ist eine Mayonnaise ein Gemisch aus Fett und Wasser. Ohne Bindemittel können sich diese nicht verbinden, das Öl setzt sich ab. Das ist wie das Fettauge auf der Brühe oder der Rahm auf der Milch. Damit sich diese Stoffe verbinden, benötigt der Koch einen Emulgator, in diesem Falle das Lecithin im Eigelb. Es kommt bei einer guten Speise nicht nur auf die Qualität der Zutaten an, auch die Verarbeitung spielt eine immense Rolle. Ähnlich ist es in der Musik.

Was genau beim Sound von VARUS der Emulgator ist, kann ich nicht sagen. Gefunden haben sie es aber, das Rezept, um eigentlich unvereinbare Zutaten zu einem wohlklingenden und spannenden Gebräu zu verbinden. Die Rezeptur besteht aus einem Sud aus europäischem Power Metal, etwa frühen BLIND GUARDIAN, dicken Klassik-Scheiben, wie man sie von RHAPSODY kennt und feingeschnittenen Mittelalter und Folk-Schnetzeln. Dabei wird auch auf Instrumente zugegriffen wie Tin Whistle, Flöte und Maultrommel. Manches klingt entfernt nach NIGHTWISH, aber ohne schmerzhaftem Operngeträller.

Á propos Gesang, eine, vielleicht die wichtigste Zutat, der Emulgator, ist Frontmann Konstantin. Der orientiert sich gesanglich an CRADLE OF FILTH. Anfangs mußte ich mich ein wenig daran gewöhnen. Mittlerweile möchte ich diesen schwarzen Einschlag nicht mehr missen. Der sorgt für die nötige Agressivität, die ´A New Dawn´ erst so schmackhaft macht. Der Nachteil ist allerdings, dass der Hörer die Texte nicht so gut versteht. Dabei sind sie es wert, gehört zu werden. Selbst ein Sauflied wie ´Tränk Dein Herz´ bekommt einen Subtext, der auch die Gefahren des Alkohols benennt. ´Ascheregen´erreicht gar das lyrische Niveau der letzten MACBETH.

Heran nah’n vier Reiter am Horizont,
Preschen voran, auf bebendem Grund.
Ich schreite voran, auf der Straße ins Licht.
Die Erde ist Asche, den Tod im Gesicht.

Spannend finde ich aber vor allem, wie man es schafft, diese verschiedenen Zutaten zu verknüpfen. Da wurden meine Erwartungen mehr als überboten. Wer allerdings sich bei Orchestrierungen mit Grausen abwendet und eine gewisse „Kitschsauce“ nicht verträgt, sollte seine Finger einfach weglassen. Alle anderen, die ein bißchen offen sind für gewisse Einflüsse, sollten zumindest einmal ein Ohr leihen. Denn Zutaten und Verarbeitung stimmen.

So denk zurück an den Tag und den Bund dieser Zeit.
Erinn’rungen, die wir seit jeher geteilt.
Nächte, die schienen von Sorgen befreit.
Wir schwinden mit ihnen im ´Wandel der Zeit´.

(8,5 Bamberger Hörnchen, kann man auch gut in Mayo dippen)

https://www.facebook.com/VarusBand/

https://varus.bandcamp.com/


(VÖ: 27.06.2020)