MeilensteineVergessene Juwelen

BULBOUS CREATION – You Won’t Remember Dying

~ Aufgenommen 1969/70, Rockadelic 1995 (LP) / O Music 2011 (CD) ~


Manche Alben kommen spät zu einem. Ich selbst habe als großer Heavypsychedelic Rock-Fan seit meinen späten Teenagertagen – seit ich im Grunde BLACK SABBATH und die DOORS, dazu CREAM und HENDRIX für mich entdeckt hab‘ – diese Band erst 2006 in meinen Fokus bekommen. 1996 als ich meine erste große Entdeckungsreise in die Welt von Underground Prog und Acidrock der 60er und 70er begann, gab es dieses Kleinod auch erst ein knappes Jahr. Aufgenommen um die Jahrzehntwende ´69/´70 herum, schlummerte das Material 25 Jahre im Bandarchiv.

Das kultig verquere „Rockadelic Label“ hat dann die Aufnahmen in die Finger bekommen und eine erste reguläre (nehme ich mal an) LP Version auf die Menschheit losgelassen, damals schon kaum erschwinglich für den eher wenig Geld habenden, jungen Musikliebhaber. Bei Odin, ich hätte sie mir wohl trotzdem gekauft. 2006 lernte ich BULBOUS CREATION dann über diverse Download-Blogs kennen und bekam sie als überirdisch geniales Heavy Psychedelic Rock-Monster angepriesen. Das geschah bei vielen Platten damals so, die im Original außer Reichweite, stilistisch ansatzweise im richtigen Genre und qualitativ okay waren.

Und irgendwie beginnt das Album mit ´End Of The Page´ auch sehr zahm und verhalten im typisch verträumten Spät-60er Acidfolk-Stil mit bluesigen Untertönen, einer romantisch – melancholischen Atmosphäre, die an laue Sommerabende auf den Klippen über der Bucht von San Francisco denken lässt. Der Song sticht nur mit seiner textlichen Endzeitstimmung aus der Masse heraus. Ein schöner Song natürlich, gefühlvoll umgesetzt, aber an dieser Position irreführend. Wäre was für die Albummitte gewesen, denn so war das Album für mich kein HEAVY PSYCHEDELIC MONSTER, sondern eine typische Hippiescheibe.

Der Download verschwand im CDr Archiv, weitere zehn Jahre gingen ins Land und ich stolperte über eine CD-Neuauflage. Gekauft, ´End Of The Page´ als schön empfunden und weitergehört.  ´Having A Good Time´ ist dann tatsächlich der Acid Rock-Feuersturm, den ich eigentlich als Albumopener erwartet hätte. Forsches, treibendes Drumming, angriffslustige Rockgitarren, eine dreckige, helle Stimme, die das Rock’n’Roll-Leben preist und dabei immer etwas manisches, verzweifeltes mit sich trägt. Geiler Scheiß. Schön fuzzige, wilde Soli veredeln diesen Donnerschlag, der bereits die großartigen Talente von vier jungen Musikern zeigt. Gerade das Schlagzeug spielt nicht einfach nur den 4/4-Takt durch, sondern groovt polyrhythmisch und schwungvoll auf den Punkt.

Kann es noch besser werden? Der mittelschnelle, bluesige Heavyrock von ´Satan´ bejaht dies. Die Melodien sind eigentlich typisch für diesen düsteren Blusrock und Hardrock jener Tage, die Notenfolgen weichen nicht von den damals schon Jahrzehnte geltenden Schemata des Blues ab, aber die Art und Weise ihrer Zusammensetzung ist neu, frisch und bringt Wiedererkennungswert. In der Tat hat die Platte eine sehr eigene Seele und auch wenn sie im Stil dem archetypischen 1970er Heavy Acid-Sound folgt, sie ist absolut eigenständig. ´Satan´ brodelt derweil unaufhaltsam in die Seele des Hörers hinein und raubt ihm die bunten Illusionen der Hippietage.

Das hier duftet nach Großstadt, Hinterhof, Schlaglöchern in den Straßen, Verlassenheit, Resignation. Noch besser kommt das im walzenden ´Fever Machine Man´. Das Schlagzeug fällt wieder als erstes auf und wenn man genau hinhört, besteht der besessene Groove aus vielen kleinen, technisch virtuos zelebrierten Figuren. Gesang und Gitarre duellieren sich gerne, gerade im vollkommen irrsinnigen Mittelteil. Die Gitarre ist hier schön schmutzig, knirscht und sägt. Eine coole Orgel hat sich als gleichwertiges Leit – und Begleitinstrument eingeschlichen, lässt fantastische Soli vom Stapel. Der Bass hält derweil ganz entspannt ein bis zwei Variationen des Grundlaufes präsentierend den Song zusammen. Wenn der Gitarrist dann hier und da komplett ausgeflippt und soliert, springen beim Hörer definitiv alle Sicherungen raus.

Aber es wird noch eine Schippe draufgelegt. ´Let’s Go To The Sea´ beginnt mit einem wuchtigen Lauf aus Bass und Schlagzeug, entpuppt sich dann als epischer Hardrock mit betörender Gesangsmelodie, verhaltener in der Strophe, in Richtung Refrain dann immer überbordender und wilder. Genauso wie die in schillernden Farben explodierende Gitarre, deren eruptiver Ausdruck auf dem ganzen Album schon beeindruckt, aber hier wirklich alle Ketten sprengt. Coole Riffs, die sicherlich auch bei anderen Rockbands ihrer Zeit vorkommen, werden hier zu einer echten Bedrohung für die Seele. Der hypnotische Jam im Mittelteil ist absolut entrückt. Da wird sogar ein atonales Mundharmonika Solo zu einer klanglichen Köstlichkeit. Urplötzlich schlägt der Song um, jetzt kommt hier tatsächlich der typische ´Evil Woman´-Vierviertel und die Band rockt hart. Gesang, dann ein absolut entfesseltes Solo, coole bluesrockige, aber härter vorgetragene Riffs und Ende. Wow, ich liege am Boden.

Diese Band aus Kansas City hatte eigentlich anderes im Sinn, als komplett vergessen zu werden. Heute sollten sich Fans von echtem Heavypsychedelic nicht mehr lumpen lassen und eine der vielen Reissues in LP und CD Format zu sich holen. Leider haben Sänger Paul „Parky“ Parkinson und Gitarrist Alan Lewis nichts mehr von ihrem späten Ruhm, beide verstarben schon 2001 (Parkinson) respektive 1998 (an Krebs). Umso eindringlicher wirkt das Album, wie ein letzter Gruß aus der jenseitigen Welt. ´Hooked´ ist der sich anschließende knarzende Grooverocker mit Orgel, zerrig-dreckiger Gitarre und einem seiner Wut und Verzweiflung Luft machenden Sänger. Dabei sind hier die Merkmale des Bluesrock am deutlichsten. Textlich geht es um Knast, Drogen und das Leben am Rande der Welt. Keine bunten Tücher, keine Liebe, keine Blumen, kein Frieden. Lewis soliert hier wieder als ginge es um sein Leben, wenn er nicht gerade seine zerstörerischen Akkordfolgen vom Stapel lässt. Parkinson geht extrovertiert aus sich heraus. Er ist kein großer Techniker, sondern ein Rocker, ein Blueser, ein Geschichtenerzähler von der Straße, eine Art Protopunk und dadurch einzigartig.

´Under The Black Sun´ schließt sich ´Hooked´ an, ist aber energetischer, treibender, wilder, bei gleichbleibend hoher, kaum zu ertragender Intensität. Die Orgel spielt sich zuweilen wild solierend in den Vordergrund, während Bass, Schlagzeug und Gitarre für einen fiebrig brodelnden Unterbau sorgen. Der Beat reißt Dich derweil komplett mit sich in einen Strudel aus Wahnsinn. Urplötzlich ist der Song vorbei.

´Stormy Monday´ am Ende des Albums ist dann Blues, reiner Rockblues auf Basis der alten Musik, allerdings etwas extrovertierter und wuchtiger durch die Rockinstrumentierung mit abgeflogenem Drogenfeeling. Das hier ist der Kater nach all den Exzessen der letzten 35 Minuten. Und noch einmal scheint die Band wirklich aufdrehen zu wollen, gerade im Bereich der Leadgitarre. Dieser typische 70er Bluesrock hätte sich sehr gut auf dem ersten LED ZEPPELIN-Album oder bei BLUE CHEER gemacht. Mich erinnern BULBOUS CREATION an die Texaner JOSEFUS mit ihrem ´Dead Man´-Album, welche ebenfalls Blues, Psychedelic und Hardrock vermengten und gleichsam verzweifelt, düster und wütend klangen.

www.facebook.com/BulbousCreation