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SORCERER – Lamenting Of The Innocent

~ 2020 (Metal Blade Records/Sony Music) – Stil: Epic Doom ~


SORCERER veröffentlichen am 29. Mai 2020 via „Metal Blade Records“ ihr drittes Album.

Von der Band selbst produziert, mischte und masterte es Ronnie Björnström. Die Epic-Doomer hatten zudem nach ihrem letzten Werk einen Wechsel im Rhythmus-Sektor zu vermelden. Sänger Anders Engberg und die Gitarristen Kristian Niemann, Peter Hallgren holten ihren früheren Schlagzeuger Richard Evensand zurück und Bassist Justin Biggs neu in die Band.

Da ´Lamenting Of The Innocent´ derzeit die gesamte Streetclip-Redaktion in Wallung versetzt, möchten wir Euch erneut mit einem fast kollektiven Aufschrei in Form von drei Reviews beglücken.

Epic on!

 


Hagen Schmidt
(PAYNE’S GRAY)

 

Acht Jahre nach dem Würzburger Wunder ihrer Wiederbelebung sowie zweieinhalb hervorragender Alben haben sich SORCERER auch mit ihrer beeindruckenden Live-Präsenz in der Championsleague etabliert. Nun, mit dem dritten Longplayer ´The Lamenting Of The Innocent´ verfolgen sie den eingeschlagenen Kurs weiter, diesmal mit einem Konzeptalbum über die mittelalterlichen Hexenverfolgungen.

Ohh! Ohh! Burn the witch! Burn the witch! Burn her! Burn her! Burn her! Burn her! Burn her! Burn her! Burn her! Ahh! Ahh…

Möglicherweise durch die entsprechende Szene aus Monty Pythons „Holy Grail“ inspiriert, geht es nach einem episch einstimmenden Intro zur Sache: ´The Hammer Of Witches´, für SORCERER Verhältnisse recht flott, reiht sich ein in die stadiontauglichen Mitsinger des Livesets, der Titelsong sowieso, der doomt nach allen Regeln der Kunst und wartet mit einem monumentalen Refrain auf, ganz knapp aber elegant am Bierzelt-Schunkler vorbei, so wie es nur SORCERER meisterhaft hinkriegen. Später, ´Deliverance´:  wie eine extended version vom Intro zu ´Falling Off The Edge Of The World´, getragen, mit stimmigem Cello und atemberaubender Gesang von Anders Engberg, der hier im direkten Vergleich zu Johann Lanquist zeigt, wer heutzutage der bessere Sänger ist. Überhaupt ist Anders‘ Leistung umwerfend!

Geil auch das Drumming von Wiederkehrer Ricky Evensand: technisch verspielter als die Cozy-Powell-Tribute seiner Vorgänger wuchtet er sich prägsam durch die Songs und ist für mich das i-Tüpfelchen, dass ´The Lamenting Of The Innocent´ zum besseren Album als die davor macht. Wer seine Präzisions-Kanonensalven auf dem „Hammer of Doom“ 2018 oder das zertrümmerte, auseinanderfallende Drumkit beim „Echoes From The Labyrinth“-Festival im selben Jahr gesehen hat, weiß wovon ich spreche. Durchgehend auch Wahnsinns-Gitarren, sei es die Riffs oder Soli. Kristian Niemann shreddet wie der Weltmeister und bildet mit dem zurückhaltenderen Peter ‚Jesus‘ Hallgren das neben Rock/McAlpin beste Duo der Gegenwart.

Erhabene Tragik gibt es bei ´Condemned´. Wunderschön gesungen, mit einem Vibe als träfe ´Lost Reflections´ auf ABBAs ´The Winner Takes It All´. Bombastisch. Bei ´Dance With The Devil´ kommt nochmal Monty Python Flair auf (Pie Iesu domine, dona eis requiem. [bonk] Pie Iesu domine,… [bonk] …dona eis requiem.[bonk] Pie Iesu domine,… [bonk] …dona eis requiem) nur nicht so albern, versteht sich. Dafür mit einem Text, der meinen alljährlichen Ausflug zum Brocken in der Walpurgisnacht bildhaft untermalt. Alles in Allem, eine stimmige Umsetzung des Konzeptes mit zum Schluss nochmal grandios aufspielenden Gitarren und perfektem Finale.

Herr Lessmeister sagte, SORCERER hätten sich ein eigenes Genre geschaffen. Recht hat er: das ist Stadion-Doom, und die Band gehört eigentlich nicht erst jetzt ganz oben auf die Festival-Billings.

 

 


Michael Haifl

 

SORCERERs 2017er Werk ´The Crowning Of The Fire King´ zeigte bereits eine Veränderung zu ihrem 2015er Album ´In The Shadow Of The Inverted Cross´. Drei Jahre später prahlen die Schweden erst richtig mit einem großen Strauß voll bunter Lieder. Obwohl die Moll-Stimmung gewahrt bleibt, liegt 2020 die Schönheit im Detail und in der gebotenen Vielfalt. 

Selbstredend begeistert wie ehedem Sänger Anders Engberg sowie das melodische Twin-Gitarren-Spiel von Kristian Niemann und Peter Hallgren. Doch die Neubesetzung an Bass und Schlagzeug dürfte sich nicht für die gebotene Stilistik verantwortlich fühlen, sondern allein der gewählte Kompositionsansatz. Zudem lechzt die klare Produktion geradezu nach Massenliebe. Hätte eine andere Formation ´Lamenting Of The Innocent´ veröffentlicht, würden die Schilderungen einen Heavy/Power Metal mit Doom-Schlagseite zur Sprache bringen. Denn obgleich Doom immer noch die Grundlage der Mehrzahl aller Kompositionen darstellt, ist er es beileibe nicht mehr ausnahmslos.

Natürlich darf sich der Anhänger weiterhin an Riffs im Nachklang zu BLACK SABBATH und CANDLEMASS erfreuen, mit einem Werk über Hexenverbrennungen und Inquisition, doch im erlesenen Kreis von CANDLEMASS und SOLITUDE AETURNUS sind SORCERER nicht mehr vertreten. Vielmehr dürfen sie nunmehr als Vertreter des klassischen, skandinavischen Hardrock/Heavy Metal angesehen werden, der seine Inspiration über die Urväter DIO, RAINBOW und BLACK SABBATH im Neo-Classical Metal und Power Metal findet. Wenn ein Vergleich mit BLACK SABBATH noch zwingend erscheinen mag, dann ein solcher mit der Tony Martin-Ära sowie mit BLACK SABBATHs ´Mob Rules´, das auch zu den Lieblingsalben von Anders Engberg zählt.

Kommen wir auf den Punkt:´The Hammer Of Witches´ schwenkt aus einem Beginn wie ihn einst BLACK SABBTHs ´Children Of The Grave´ vorgab in CANDLEMASS´sches Melodienmuster um. Es zeigt sich ein Power Metal-Song mit neoklassischer Melodik, einer epischen Bridge, Shouts sowie Growls von Bassist Justin Biggs im Refrain. Letztere verleihen dem Opener eine gewisse Härte und die notwendige Modernität. Dagegen zeigt sich einer der Höhepunkte, ´Lamenting Of The Innocent´, in der Nähe von VENI DOMINE. Bedachtsam gibt sich die Komposition in ihrem Aufbau, ehe der Refrain den Song wehenden Klanges in aller Melancholie hin- und herschwingen lässt.

Ein ´Institoris´ marschiert mit großartigen Gitarren im Epic Metal. Die neue Langsamkeit enthüllt ´Where Spirits Die´ und zum Höhepunkt tatsächlich MANOWAR´schen Pathos. Weit luftiger ist der laute Akustikgitarren-Song ´Deliverance´, eine Ballade mit einem Auftritt von Svante Henryson am Cello sowie einem von CANDLEMASS-Sänger Johan Langquist. Das zur Turmglocke behutsam die Gitarrensaiten streichelnde ´Condemned´ strahlt erst zum Refrain in seiner ganzen Epic-Pracht. ´Age Of The Damned´ ist ein rüttelnder Doom-Brecher, mit der gewöhnlichen Power Metal-Chor-Note. Der Refrain des mit einem groben Riff geschmückten ´Dance With The Devil´ macht sich dagegen für Gewöhnlich gut als Post-Refrain-Bridge. Die nicht restlos zwingende Hymne ´Path To Perdition´ setzt den Schlusspunkt.

Power Metal aus dem Doom-Underground – oder besser: Power Doom für den Metal Underground. Oder gar für die Massen?

(8,25 Punkte)

 

 


Armin Schäfer

 

Tja, um es gleich eingangs etwas salopp zu formulieren: Da haben sich die Schweden von SORCERER mit ihrem letzten Album `The Crowning Of The Fire King´ wohl keinen Gefallen getan und sich selbst ins Knie gefickt. Denn wie bitteschön will man solch ein Juwel (und mein persönliches „Album des Jahres“ 2017) noch toppen? Aber selber Schuld, schließlich hat das Quintett die Messlatte eigenhändig so hoch gelegt und sich vor eine schier unlösbare Aufgabe gestellt. Und die Sache mit der Goldmedaille dürfte diesmal auch sehr schwierig werden, zumal die Konkurrenz anno 2020, bereits schon nach knapp fünf Monaten, noch eine ganze Ecke hochkarätiger erscheint als vor drei Jahren. Nun gut, die drei bereits vorab veröffentlichten Titel ´The Hammer Of The Witches´, ´Dance With The Devil´ und ´Deliverance´ lassen schon mächtig aufhorchen und hoffen – also mal hören, was das dritte (Meister?)Werk ´Lamenting Of The Innocent´ denn so alles kann…

…und die Antwort MUSS bereits schon nach einem Durchgang lauten: VERDAMMT VIEL!!! Das Album ist gerade einmal zwei Minuten alt und schon schallt es aus jeder Ecke und jedem Winkel und schießt es mir vom Klein-  bis zum Großhirn durch den Kopf: „RAINBOW, RAINBOW, RAINBOW“ – ja, hier musizieren definitiv die legitimen Nachfolger von Ritchie Blackmores Ausnahme-Formation, wenngleich auch eine Nuance härter natürlich, ohne dass man dabei aber in Sachen Qualität und Bombast irgendwelche Abstriche machen müsste. Was für ein Wahnsinns-Eröffnungsstück, dieses achtminütige EPOS `Age Of The Damned´. Und ich „befürchte“ ja fast schon, dass die Skandinavier doch tatsächlich in der Lage sein werden, dieses hohe Niveau wohl auch über die komplette Spielzeit des Albums tragen zu können. Verdammt, das teils balladeske und sehr mächtige `Condemned´ steht dem Opener in rein gar nichts nach, begeistert ebenfalls mit herrlichen Melodiebögen und tollen Gitarrenharmonien. Die Glockenklänge tun ihr Übriges, sorgen sie doch für die nötige Atmosphäre und Stimmung und runden diesen Titel perfekt ab.

Bereits vorab über den Äther zu hören war, das zu Beginn ja bereits erwähnte, überwältigende und sehr spannend arrangierte `Dance With The Devil´, das vor allen Dingen von seinen düsteren „Goosebumps“-Chorälen (könnten tatsächlich dem `Das Omen´-Soundtrack entsprungen sein) und seinem knochenharten, treibenden Rhythmus lebt, bevor immer wieder auch ruhigere Töne angeschlagen werden. Scheiße, wie geil ist das denn!? Hm, und soviel dürfte bereits nach drei Kompositionen klar sein: das Buch mit der Geschichte um das „Album des Jahres“ hat ein weiteres Kapitel, mit dem verheißungsvollen Titel `Lamenting Of The Innocent´, aufgeschlagen – was die anschließende und sehr fesselnde Ballade `Deliverance´ auf beeindruckende Art und Weise, mit genial eingearbeiteten Geigenklängen, deutlich untermauert (fast, aber nur fast so ergreifend wie CRIMSON GLORYs-Meisterstück `Lost Reflection´ – natürlich auf immer und ewig unerreicht!). Trotzdem, WUNDERSCHÖN!!!

Sänger Anders Engberg findet, wie auch schon auf den beiden Vorgänger-CDs, zu jeder Zeit und jeglicher Emotion immer die passende Ton- und Stimmlage und haucht den insgesamt neun Kompositionen (nicht zu vergessen das kurze Instrumental-Intro namens `Persecution´, das den Song `The Hammer Of The Witches´ stilecht einleitet – doch dazu später mehr) sowohl Leben und Energie, als auch Atmosphäre und Melancholie ein. Was er auch beim kurzweiligen Stampfer `Institoris´ unter Beweis stellt. Geile, wenn auch recht unspektakuläre Nummer. Monumental, extrem heavy und schwer geht es beim Titeltrack `Lamenting Of The Innocent´ zur Sache, der mit seinem beinahe schon „über“melodischen (ja fast schon am Rande des Kitsch) Refrain einfach nicht mehr aus dem Ohr zu bekommen ist. HYMNE, nennt man sowas im Volksmund wohl. Ach, habe ich eigentlich schon die großartige Gitarrenarbeit des kongenialen Duos Kristian Niemann und Peter Hallgren erwähnt? Nein? – dann sei das hiermit nachgereicht!

Sowieso glänzt die komplette Instrumental-Fraktion durch ihre präzise Handwerkskunst bis ins Detail, zeigt sich von Anfang bis zum Schluss von ihrer Schokoladenseite und lässt daher auch kaum Wünsche offen. Okay, einen vielleicht: ein wenig mehr „Speed“ hätte als Auflockerung sicherlich ganz gut getan und nicht geschadet. Andererseits wiederum kommt es bei solch einem Marathon ja eher auf die Ausdauer und nicht die Geschwindigkeit an. Außerdem würde das wohl nicht so recht zur episch bombastischen Stilausrichtung und melancholisch angehauchten Ader des schwedischen Fünfers passen. Dementsprechend atmosphärisch und mit feinstem Gitarrengedudel der Marke Michael Schenker und gefühlsbetont, wie es gar einem Uli Jon Roth zur Ehre gereicht, startet dann auch der siebente Song `Path To Perdition´ durch, bevor die mächtig schwere Rhythmuswalze, bestehend aus Bassist Justin Biggs und Schlagzeuger Richard Evensand, alles platt und dem Erdboden gleich macht und mit Orgelklängen wird dieses Spektakel sauber beendet. RICHTIG FETT!!! (wie die Formatierung hier) Und da ist er wieder: dieser RAINBOW-Moment! Ronnie James Dio (Rest In Peace!!!, kleiner Mann mit großer Stimme) hätte sicherlich auch seine helle Freude an dieser Scheibe gehabt…

Anyway, das oben bereits angesprochene Instrumental-Intro `Persecution´ läutet danach stilecht und mit schwerem Brimborium das abschließende „Double-Feature“ ein. Den Anfang vom Ende der Scheibe macht hier die schon vorab veröffentlichte Singleauskopplung `The Hammer Of The Witches´, die mit nach vorn treibendem Rhythmus für SORCERER-Verhältnisse fast schon einem Highspeed-Track gleichkommt und mit knapp über fünf Minuten „nur sehr kurz“ ausgefallen ist. Und zu allerletzt werden mit `Where Spirits Die´ nochmals ruhigere und besinnlichere Töne angeschlagen, die in einem fesselnden und ergreifenden Refrain münden. So, das war es nun also, das neue SORCERER-Album `Lamenting Of The Innocent´, Track by Track durchgehört und -analysiert, und ich muss sagen: ICH BIN ENTZÜCKT!!!

Und um hier nochmals auf den Anfang dieser Rezension zurück zu kommen: JAAA!!! – `Lamenting Of The Innocent´ ist tatsächlich der erhoffte HAMMER geworden und kann durchaus mit seinem Vorgänger Schritt halten. Ach ja, und eins noch zum Schluss: das Wort „Doom“ würde ich persönlich gänzlich aus der Stilumschreibung streichen – meine Meinung! (wie Kollege Tschamler immer so schön zu sagen pflegt). Denn SORCERER spielen „einfach nur“ fetten, „Seventies“-beeinflussten, bombastischen, epischen, monumentalen, schweren, energiegeladenen, berührenden, mächtigen, melancholisch angehauchten, powervollen, fesselnden, ergreifenden UND EXTREM GEILEN EPIC HARD- und HEAVY ROCK / METAL!!! So, ich habe fertig…

(9 „bombastische, mächtige, epische, monumentale, schwere, energiegeladene, melancholische, powervolle, fette, ergreifende, fesselnde, berührende, geile…“ Punkte)