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BETHANY NEVILLE – Rest In Peace

~ 2020 (Sliptrick Records) – Stil: Singer-Songwriter/Synthwave ~


Niemand ist mit seinen Ängsten alleine. Diese Scheibe verbreitet trotz oder gerade wegen all ihrer Düsternis und Verzweiflung Hoffnung, denn diesem Album zugrunde liegt der Glaube daran, dass man jeden Tag den Kampf gegen fest eingebrannte mentale Schmerzen und Zwänge auf’s Neue erfolgreich bestreiten kann … und dass sich dieser Kraftaufwand lohnt. Musikalische Therapie.

Ihre ureigenen ´Secrets Of Trauma´ entblättert die junge, in Australien lebende BETHANY NEVILLE bereits in diesem ersten Song, der sogleich die Intensität einer Maria Brink und der introvertierten, ruhigen Stücke von IN THIS MOMENT mit ebendieser geheimnisvollen Atmosphäre erreicht und im Folgenden mit ´Pretty Girl From Hell´, ´Bound To Fables ´, ´Me And The Devil´, dem wunderschönen ´Faith´ und ´What Happened To Me´ weiter vertieft und auf ein neues, intimes Level gehoben wird. Ebenso eigenständig und gefühlvoll mit Klavier wie einst Amy Lee von EVANESCENCE, weitaus düsterer als Tori Amos und mindestens so kreativ wie bei BJÖRK wirst du eingefangen zum Trip in die Psyche einer verletzlichen Person, die sich selbst neu finden muss, um mit der Vergangenheit abzuschließen. Bethanys hallunterlegte Stimme untermalt auf perfekte, gänsehautverursachende Weise diesen fragilen künstlerischen Umgang mit den eigenen Ängsten, geisterhafte Vokal-Echos im Hintergrund inklusive.

 

 

Diese Reise ist schmerzhaft, aber auch wunderschön instrumentiert und setzt ab und an bei Songs wie ´Smile´ und ´Get Away With Murder´ neben den Synthieteppichen rhythmische Elektronik ein, verliert aber niemals die erzählerischen Melodien und ihr sentimentales Umfeld aus den Augen. Es geht einfach tief unter die Haut, wenn Bethany mit ihrer Stimme ausbricht, hört euch nur ´Uncomfortable´ oder ´Unpacking The Mind´ an, die unglaubliche Spannungsbögen erzeugen. Die Verzweiflung bricht bisweilen kämpferisch, mutig und trotzig auf bei ´Dear Violet´ (welches ich natürlich unserer Dark Queen Miss Violet widme), ´Liquor´ und ´Radio‘. Zum guten Ende gibt sie euch mit ihrem Darkwavesong ´Horror Movie´ über ein Kindheitstrauma die Botschaft mit auf den Weg, dass diese negativen Erfahrungen nicht die lebenslange Triebfeder für alles Kommende sein sollte.

Bleibt mir nur die Hoffnung, dass Bethany sich selbst und andere mit diesem Album ein wenig therapiert hat, sich weiterhin erfolgreich ihren Traumata, Dämonen und Zwängen stellt und ihre Kunst auf dem Weg der positiven Erkenntnis demnächst auch in hellerem Licht weiter strahlt. Fight and create, Beth!

(9 ruhelos-friedliche Punkte)

 

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