MeilensteineVergessene Juwelen

FRANKIE MILLER – Standing On The Edge

~ 1982 (Repertoire Records) – Stil: Rock ~


Frankie Miller – das ist einer meiner absoluten Lieblingssänger und ´Standing On The Edge´ ist für mich eine der besten Rockscheiben, die in den 80er Jahren veröffentlicht wurde. Schnörkellos, geradlinig, erstklassig eingesungen und auch instrumental ohne jegliche Schwäche.

Aber Frankie – „Fuckin‘ who?“ – Miller ist auch ein ewiger Geheimtipp, der es trotz fast nur hochqualitativer Alben nie so richtig geschafft hat. Was könnten die Gründe sein?

  • Sein einziger Hit war das grausame Schunkellied ´Darlin‘ ´, welches er eigentlich fast nie live gespielt hat und das auch überhaupt nicht repräsentativ für sein raues Rockwerk ist.
  • Seine Plattencover waren meist vor Einfallslosigkeit nicht zu übertreffen und zeigten fast ausnahmslos einen sinnlos in die Kamera schauenden oder grinsenden Frankie (oft mit Hut) oder wie in diesem Fall einen in die Kamera schauenden Frankie mit sexistischen Anleihen. Auch die Texte hätten niemals einen literarischen Preis gewonnen. Aber die von STATUS QUO zum Beispiel auch nicht.
  • Herr Miller war (ist?) kein einfacher Zeitgenosse und hat als echter Schotte und geborener Glasgower dauerhaft ordentlich alkoholischen Getränken zugesprochen. Die Geschichte mit der durchgetrennten Aorta von THIN LIZZYs Brian Robertson hatte ich an anderer Stelle schon ausführlich dargelegt. Im August 1994 erlitt Miller leider eine Hirnblutung und kann seitdem nicht mehr singen.
  • Andere Künstler hatten da mit seinen Songs (wie Kim Carnes oder Rod Stewart) schon mehr Erfolg. Auf ´Double Take´ (2016) zollten ihm der stimmlich ähnliche Rod Stewart, Joe Walsh, Elton John, Francis Rossi und viele andere Tribut, in dem sie digitale Duette mit ihm aufnahmen (sogar ziemlich gut).

 

 

Beim Rockpalast Lorelei-Konzert am 28.08.1982 bin ich auf ihn aufmerksam geworden. Damals spielte er vor allem Songs eines seiner stärksten Werke und auf jeden Fall härtesten Albums ´Standing On The Edge´. Darauf enthalten ist superstarker, zeitloser Rock mit Hard Rock-Anleihen – nicht mehr, aber schon gar nicht weniger. Die zehn Songs (fünf davon zusammen mit dem 2015 verstorbenen FREE-Bassisten Andy Fraser geschrieben), wie das kraftvolle Titellied, der ungestüme Opener ´Danger, Danger´, das rockige ´It’s All Coming Down Tonight´ (mein Lieblingslied früher vor dem freitäglichen Ritual-Biertrinken) oder die Megaballade ´Jealousy´, halten dem Vergleich mit jedem Rock Song stand. Die Platte strahlt all das aus, was guten Rock so unsterblich macht: Street credibility, Schweiß, Dreck, Härte und Machotum (über die textlichen „Unter-der-Gürtellinie“-Ausrutscher des auch saustarken ´Don’t Stop´ sehen wir mal hinweg). Die Stimme Frankie Millers macht dann noch diesen kleinen entscheidenden Unterschied zur Unsterblichkeit aus. Und geniale Musiker aus der zweiten Reihe, die keiner kennt, die aber hochkarätig sind wie der Dauer-Geheimtipp Chris Spedding an der Gitarre oder Roger Hawkins und Dave Wood aus dem TRAFFIC-Umfeld.

Zumindest wer eine gewisse Affinität zu hartem Rock und rauem Gesang hat, kann auch alle anderen Frankie Miller-Veröffentlichungen blind goutieren. Vielleicht werde ich die eine oder andere Veröffentlichung noch nachreichen. Wer das alles für alten, langweiligen Scheiß-Rock hält, hat auch das Recht dazu.