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GREEN CARNATION – Leaves Of Yesteryear

~ 2020 (Season Of Mist) – Stil: Prog Metal/Epic Doom ~


 

GREEN CARNATION waren zu Beginn der Nullerjahre die Könige. Ihr Klassiker, ihr Ein-Song-Album ´Light Of Day, Day Of Darkness´ aus dem Jahre 2001 strahlt bis in die Jetztzeit. Der Mammutsong in progressiver Ausführungsvariante der Siebzigerjahre erklang im Prog Metal-Sound der Neunzigerjahre, und ebnete GREEN CARNATION den Weg in die Annalen der Metal-Historie.

Die norwegische Formation aus Kristiansand präsentierte bereits ein Jahr zuvor mit ´Journey To The End Of The Night´, in der Besetzung Tchort (Gitarre, ex-EMPEROR, ex-CARPATHIAN FOREST), Christopher Botteri (Bass), Christian Botteri (Gitarre), Alf T. Leangel (Drums) und zahlreichen Gastsängern, ihr Debüt. Das Gründungsjahr ist dennoch bereits im Jahr 1990 belegt.

Bei ihrem Meisterwerk sah die Besetzung bereits völlig anders aus. Tchort konnte Stein Roger Sordal am Bass (ex-IN THE WOODS), Bjørn Harstad an der Gitarre (ex-IN THE WOODS, ex-CONSPIRACY), Schlagzeuger A. Kobro (ex-IN THE WOODS, ex-CARPATHIAN FOREST) und Sänger Kjetil Nordhus (TRISTANIA, ex-SUBTERRANEAN MASQUERADE) für GREEN CARNATION gewinnen. Letztlich vergingen jedoch Glanz und Glorie schneller als sie gekommen waren, da die Männer auf den Nachfolgern ´A Blessing In Disguise´ (2003) und ´The Quiet Offspring´ (2005) rockiger agierten. Das finale Lebenszeichen war vorerst ´Acoustic Verses´ (2006), ehe sie sich ein Jahr nach ihrem spektakulären Auftritt unter einem 30m hohen Staudamm in den Bergen auflösten.

 

 

Nach mehreren Live-Auftritten in Europa und Nordamerika seit dem 15. Jahrestag von ´Light Of Day, Day Of Darkness´, war es nur eine Frage der Zeit, wann GREEN CARNATION zu einem Studio-Comeback ansetzen würden. 2020 ist es soweit, nach 14 Jahren der Abstinenz erscheint ´Leaves Of Yesteryear´. Gitarrist Tchort, der in den Neunzigerjahren in den Zeiten der wohlbekannten Brandstiftungen wegen Körperverletzung verhaftet wurde und im Gefängnis saß, firmiert derzeit unter seinem bürgerlichen Namen Terje Vik Schei. Von der 2001er Besetzung sind Gitarrist Bjørn Harstad, Bassist Stein Roger Sordal und Sänger Kjetil Nordhus beteiligt. Keyboarder Kenneth Silden war schon Mitte der Nullerjahre involviert und Schlagzeuger Jonathan Alejandro Perez (ex-TRISTANIA, ex-CARPATHIAN FOREST) ist es seit den Wiedervereinigungsauftritten.

Bereits der achtminütige Opener ´Leaves Of Yesteryear´ besitzt alles, was ein GREEN CARNATION-Klassiker braucht. Er hat eine wunderbare Gitarrenmelodie und eine ebensolche, einprägsame der Klaviertasten vorzuweisen, so dass der Refrain bereits zum instrumentalen Einstieg im Kopf mitgesungen werden darf. Doch der düstere, elektronisch verzierte Beginn erinnert in Verbindung mit dem einsetzenden Gesang ohne Frage an AYREON. Der Schwenk aus dieser Klammer erfolgt selbstverständlich umgehend, damit die Fanfaren-Keys sowie Kjetil Nordhus‘ Gesang den Himmel behelligen können: „Mind over matter, we are leaves of yesteryear, where loneliness feeds of the crumbs left behind, I hope you’ll remember my name.“ Dem entgegengesetzt ist ´Sentinel´ der düstere Gegenspieler. Langsam ergeht sich die Formation in ihrem Spiel und macht ihn somit zum halben Doom-Epic im Sinne von VENI DOMINE. Die Keyboards treiben ihn dann im beschleunigenden Rhythmus von Steigerung zu Steigerung an, für diese sich Kjetil Nordhus gleich mehrere Melodielinien aufgehoben hat: „Am I just too blind to see, the sentinels of chaos, for the truth shall set you free, the sentinels of chaos … and I walk my given path, and I walk on my behalf, and I speak when spoken to, all in the eyes of the first.“ Das zehnminütige ´Hounds´ beginnt schmiegsam mit Akustikgitarre und rifft sich zu einem weiteren typisch schweren, skandinavischen Prog Metal-Stück empor.

 

 

Echten Doom hätten GREEN CARNATON sodann zum Abschluss der knapp 45-minütigen Scheibe mit der Huldigung vor BLACK SABBATH ausschenken können. Allerdings wird die bereits ursprünglich sehr ruhige Iommi-Butler-Osbourne-Ward-Nummer ´Solitude´ aus dem Jahre 1971 schlichtweg sphärisch vorgetragen. Gleichwohl ist nicht nur dieser eine Song grundsätzlich bekannt, sondern auch das längste Stück dieser Scheibe, das fünfzehnminütige ´My Dark Reflections Of Life And Death´. Auf ihrem Debüt war das Lied noch wenige Minuten länger und enthielt mit weiblichem Gesang mehr Gothic-Schmalz. Nunmehr ertönt die Nummer erstmals aus einer Studioaufnahme mit dem wahren GREEN CARNATON-Sänger Kjetil Nordhus. Die Zeilen „Light of Day, Day of Darkness I will never be trustful again“ rücken in der Neuaufnahme und in dem Neuarrangement in den Mittelpunkt und anders als bislang ergeht sich der Ausklang in Dauerschleife mit „White bewinged angel of light wants me to be, in one with the light“.

Selbst wenn sich bei dem einen oder anderen anfangs eine klitzekleine Enttäuschung runzelnd auf der Stirn entfalten sollte, da sich unter den fünf Darbietungen dieses als vollwertig angepriesenen Albums eine Coverversion und eine Neuaufnahme eines Banddebüt-Songs befinden, die gemeinsam beinahe die Hälfte der Werklänge belegen, muss den Norwegern zu diesem Comebackwerk und seiner musikalischen back-to-good sowie up-to-date Ausrichtung gratuliert werden. GREEN CARNATION sind weiterhin eine der größten Prog Metal-Formationen, nicht allein Skandinaviens.

(9 Punkte)

Michael Haifl

 

 

 

Es ist viele vergangene Jahre her, doch das autumnesque schimmernde Laub des Megaalbums, des einstündigen Megasongs, ´Light Of Day, Day Of Darkness´ ist nie verblichen. Ein Werk, das ganz tief in den Wald hineinführte. Eine Zeltübernachtung war gar nötig, eine unruhige, aber doch bewusstseinserweiternde und epische Nacht mit bedrohlichen Stimmen aus Nah und Fern und Rascheln aus dem Gebüsch und das ganz ohne Pilze.

Bis 2006 ließen die Norweger noch drei Alben mit rockigerem Duktus folgen, bevor sie wohl einsahen, dass man an dem Meisterwerk für alle Ewigkeit verzweifeln würde. Aber nach den jüngsten Liveaktivitäten wagt man wieder, ein musikalisches Ausrufezeichen in Form dieser EP zu setzen. Inhaltlich besteht der Rundling aus drei neuen Songs, einer bemerkenswerten Neuaufbereitung und einem BLACK SABBATH-Cover.

Und man nähert sich dem Klassiker zumindest, allerdings von einer eingängigen, melodischen und epischen Seite. Ich möchte schon fast von einem Melodiefeuerwerk sprechen. Düsternis ist zumindest bei den neuen Songs nicht wirklich vorhanden, es ist eindeutig mehr ´Light Of Day´ als ´Day Of Darkness´. Dafür steht alleine schon der titelgebende Eröffnungstrack. ´Sentinels´ stropht dagegen SOLITUDE AETURNUS like, mit einem flotten Wechsel nähert man sich bereits schnell dem Refrain und aufgrund der Eingängigkeit finden wir und dann fast schon in einer GRAND MAGUS Welt wieder.

Das 15-minütige ´My Dark Reflections Of Life And Death´ ist dann quasi das Herzstück der EP, obwohl es die Neuvertonung des Songs vom 2000er Album ´Journey To The End Of The Night´ ist. Der Song zitierte damals das bereits im Folgejahr kommende, bereits benannte Meisterwerk vorweg, war aber insbesondere was Arrangements betrifft, noch zu unausgereift. Das hat man nun perfekt gelöst. Mit der Neuausrichtung werden wir durch nie vergessene Laute und Riffs in besagtem üppigen Wald zurückversetzt. Jemand hat hier nun ein Baumhaus hingesetzt und vorne ist eine Pilzsammlerin unterwegs. Nicht ganz so einsam fühlt es sich an, aber doch fast wie damals.

Mit den ´Hounds´ (Of Existence) folgt noch ein weiterer 10-minütiger neuer Song, der sich in die bereits beschriebene melodischere Neuausrichtung einreiht, während das Cover ´Solitude´ am Ende zusätzlich auch etwas ASHBURY Feeling aufkommen lässt.

Das Laub ist noch lange nicht verwelkt. Man muss akzeptieren, dass hier kein vollwertiges neues Album vorliegt, auf das man aufgrund der hier festgehaltenen Qualität aber spitz sein darf. Bis dahin verbleibe ich mit…

(erlösenden 9 Punkten)

Markus Gps

 

 

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