PlattenkritikenPressfrisch

STREET KOMPASS April 2020

Liebe Artgenossen!

Da Meinungsmache in allen Bereichen des Lebens voranschreitet, wollen wir Euch hier und heute gar nicht belabern, was gut und schlecht ist, insbesondere musikalisch, sondern Euch wie jeden Monat einen großen, bunten Strauß an Plattenreviews liefern, der es – wie so meist – in sich hat.

Unsere Anregungen, anschließend selbst hineinzuschnuppern – kann sich eigentlich noch jemand an den Duft seiner Jugend erinnern, wenn man ein frisches Vinyl-Scheibchen samt Hülle unter der Nase entlang zog ? – sollen Euch schlicht bei Eurer künftigen Musikzusammenstellung helfen. Ängstliche und zögerliche Zeitgenossen greifen einfach zu beiden Monatsherrlichkeiten, so easy bei der Entscheidung und so brillant in der Qualität.  

Bleibt gesund und sauber!

Euer Michael

 

 

 

M o n a t s h e r r l i c h k e i t en

 

 


Q u i c k – R e v i e w s


… AND YOU WILL KNOW US BY THE TRAIL OF DEAD – X: The Godless Void And Other Stories
2020 (Inside Out) – Stil: Alternative

Die Truppe mit dem wahrscheinlich wortreichsten Bandnamen der Welt legt nach sechsjähriger Pause (Conrad Keely lebte fünf Jahre in Kambodscha) mit einem ähnlichen langen Albumtitel nach.

Die Eindrücke vom Aufenthalt scheinen verarbeitet. Das neue Material ist in der Summe entschleunigter, ruhiger, noch melancholischer und weniger energiegeladen als früher. Leider muss ich aber sagen, dass die Songs sich nur in Ausnahmefällen – wie den beiden Hits ´Don’t Look Down´ und ´Gravity´ – so einprägen wie ich mir das wünsche.

Vom Niveau solcher Ausnahmealben wie ´Worlds Apart´ oder ´So Divided´ bleibt man leider relativ weit entfernt.

(knappe 7 Punkte – Markus Gps)


BLACK PHANTOM – Zero Hour Is Now
2020 (Punishment 18 Records) – Stil: Heavy Metal

True Banger aufgepasst: BLACK PHANTOM schwingen zum zweiten Mal die Fahne der Tradition. Ursprünglich 2014 als Solo-Projekt von MESMERIZE-Bassist Andrea Tito gestartet, ist BLACK PHANTOM zu einem Geheimtipp aus Italien geworden. Das Quintett spielt auch auf seinem zweiten Werk ´Zero Hour Is Now´ das, was sie am besten können: Achtzigerjahre Heavy Metal mit einer pfiffigen Dosis IRON MAIDEN.

Neun Songs lang darf Manuel Malini in allen Tonlagen den Bruce geben, obwohl zu seiner Ehrenrettung gesagt werden muss, dass er tatsächlich ein verdammt starkes Organ hat und besser als die unzähligen MAIDEN-Epigonen tönt, und nie hautnah am Munde des Meisters klebt. Ebenfalls äußerst positiv bei dieser erstklassig produzierten Scheibe: BLACK PHANTOM klammern sich weder retrohaft an alte NWoBHM-Zeiten noch an JUDAS PRIEST oder SAXON. Und: der Song ´Schattenjäger´ schallt am Ende nochmals komplett in Deutsch gesungen aus den Boxen. Fett. Bang this.

(7 Punkte – Michael Haifl)

https://www.facebook.com/bewaretheBP


CAPTAIN BLACK BEARD – Sonic Forces
2020 (AOR Heaven) – Stil: Hardrock / AOR

BÄÄM! In die (Muscle-)Karre oder noch besser in den Privatjet gesprungen, ´Headlights´ ein, Fliegerbrille auf und los geht’s! Nach dem zehnten Bandjubiläum präsentieren die Schweden sich runderneuert und fackeln ein Feuerwerk ab, das in gefährlich gleicher Höhe des NIGHT FLIGHT ORCHESTRAs explodiert – zumal der schwarzbärtige CAPTAIN mit seinem Debüt 2011 schon ein Jahr vor den SOILWORKern abhob.

Eine ähnliche Bandbreite an Einflüssen von JOURNEY, SURVIVOR, NIGHTRANGER oder FOREIGNER versammelt der CAPTAIN mit dem BLACK BEARD auf seinem fünften Album, wenn diese auch zur anderen Gesangsfarbe einige wenige Unterschiede beinhalten, im Gesamtergebnis aber eine ähnlich erfreuliche Abfeier-Melange ergeben. Schon einige Pilot(-inn)en am Mikro wurden verschlissen, aber irgendwie hat man immer wieder granatenstarke Fronter(-innen) rekrutiert.

Wer also für seinen Flug eine Umbuchung für die Tageszeit sucht, wird hier bestens bedient. Auch wenn’s langsam langweilig zu lesen wird: Top-Abräumer-Empfehlung für das H.E.A.T.-Festival!

Anspieltipps: ´Lights And Shadows´, ´Sonic Forces´, ´Time To Deliver´, ´Midnight Cruiser´, ´Emptiness´

(8 sonisch-mächtige Punkte – Less Flightmeister)   www.facebook.com/captainblackbeardband


DARKER HALF – If You Only Knew
2020 (Massacre Records) – Stil: Melodic (Power) Metal

Damn! Es reißt einfach nicht mehr ab, dieses Jahr mit seiner unglaublichen Schwemme an erstklassiger Mucke. Mannmannmann (und Frau und auch Mittendrin, klar) – wer soll das alles hören? Und doch, ihr müsst, denn ihr liebt es. Ihr wollt es. Unkitschigen, melodischen Powermetal mit bockstarkem Sänger, der sofort in die Gehörgänge bollert und auch nach mehrmaligen Durchgängen einfach eine diebische Freude bereitet, weil er einfach so unverkrampft, unkompliziert, unverkaspert, straight und frisch daherkommt.

Ihr braucht DARKER HALFs viertes Album. Aus Australien. Es muss nicht immer der Blumentopf der Progressivität oder Komplexität sein, manchmal tut’s einfach Power und starke Melodien. That’s Metal, Suckers! Könnte sogar neben allen anderen Heavy Festivals nächstes Jahr was für das H.E.A.T.-Festival sein und unser guter Geoff Tate hatte Glück, dass die Tour ausgefallen ist, sonst wäre er mal massiv vom Opener an die Wand gespielt worden.

Wem die aktuelle CONCEPTION aus irgendwelchen Gründen nicht so richtig gefallen hat, sollte keine Sekunde zögern und sich als auch seinen Ohren was verdammt Gutes tun. Verdammt!

Anspieltipps: ´Glass Coloured Rose´, ´Into The Shadows´, ´If You Only Knew´

(8 wissende Punkte – Less Darkmeister)   www.facebook.com/darkerhalf


DEVIL`S BRIDGE – Endless Restless (EP)
2020 (Fastball Music/BOB Media) – Stil: Modern Metal

Die aktuell veröffentlichte EP von DEVIL`S BRIDGE ist nach den Vorab-Singles der Vorgeschmack auf wohl kommende Großtaten.

Die Schweizer wollen auf ´Endless Restless´ mit Meldodic Metal überzeugen, doch es kommt weder glatt gebügelter Heavy noch Power Metal zum Vorschein, sondern eher Modern sowie Alternative Metal.

Sängerin Dani Nell öffnet die Schleusen, um die Anhänger von ARCH ENEMY, EVANESCENCE bis NIGHTWISH zu begeistern. Sechs neue Kompositionen, mit etwas Pop hier, etwas Sinfonic dort, unterstreichen den Anspruch auf eine breite Öffentlichkeit, die DEVIL`S BRIDGE hören soll.

(Michael Haifl)


ELECTRIC POISON – Live Wire
2020 (Doc Gator Records) – Stil: Heavy Metal

Ihr seid gelangweilt von den europäischen und amerikanischen Vertretern der NWoBHM-Aufwärmheizkissen-Herstellern und wollt einfach mal andere Erzeuger begutachten. Dann seid Ihr bei ELECTRIC POISON an der richtige Adresse. Denn diese 2014 in Salvador, Bahia-Brasilien, gegründete Formation gibt sich ganz dem klassischen Heavy Metal hin.

Gewohnt in traditionell flotter südamerikanischer Spielweise, muss der Europäer sogleich zugeben und folglich sagen, dass hier keine Gefangenen gemacht werden. Als Einflüssen benennen sie JUDAS PRIEST, ACCEPT, RUNNING WILD, TANK und EXCITER. Gleichwohl kennen sie ebenfalls die neuen Banden von ENFORCER, AMBUSH und NIGHT DEMON.

In den letzten Jahren folgten 2015 eine Single und 2019 eine EP  sowie endlich ihr Debüt ´Live Wire´ über „Classic Metal Records“. Um die europäischen Freunde ordentlich zu beglücken, veröffentlicht das Schweizer Label „Doc Gator Records“ in diesem Jahr in einem schönen Digipak – als auch auf Vinyl ! – dieses gute Stück in unseren Breitengraden. Get it while you´re hot, too.

(7,5 Punkte – Michael Haifl)


ELIXIR – Voyage Of The Eagle
2020 (Dissonance Productions) – Stil: NWoBHM/Heavy Metal

Zehn Jahre nach dem letzten Studioalbum `All Hallows Eve`, welches in seiner Gesamtheit ein totaler Langweiler war, kommen die Briten mit einem weiteren Album an. Was ist anders im Vergleich zum Vorgänger? Nicht viel, leider.

ELIXIR waren eh nie eine Band mit einem Sound für die breite Masse, so auch hier. Ihr Ruf begründet sich einzig auf ihr gutes Debüt `The Son Of Odin` von 1986 und dem Umstand, dass einmal IRON MAIDEN-Drummer Clive Burr in der Band spielte. Danach hatten sie ihr Pulver verschossen.

Das sich auf `Voyage Of The Eagle` vier der Musiker vom Debüt finden, ist zwar ehrenwert, aber ändert nichts an dem Umstand, dass ihre Songs nichtssagend sind. Das Material meist schleppend, fast schon doomig zu nennen, wirkt belanglos. Die bluesige Hard Rock-Nummer `Almost There` ist zweifelsohne gut und ein Highlight. Ebenso wie das flottere `Press Ganged` oder das melodisch metallische `Evermore` mit eindeutiger NWoBHM-Note. Aber irgendwie wirkt das komplette Album zerfahren und orientierungslos. Ist mir persönlich zu bieder und nichtssagend.

(5 Punkte – Jürgen Tschamler)


ETERNAL ARMAGEDDON – In Light In Dark In Hate
2020 (Independent) – Stil: Blackened Thrash Metal

Bangladesh fällt nicht nur negativ durch Überbevölkerung und einen fundamentalen Islam auf, das kleine Land überrascht auch hier und da immer wieder mal. Ich habe allen Respekt vor ETERNAL ARMAGEDDON, einem Trio, das sich dort dem Thrash Metal mit Black Metal-Einfluss verschrieben hat. Bei solch einem religiösen Umfeld mehr als erstaunenswert.

`In Light In Dark In Hate` ist der dritte digitale Release des Trios und wurde ursprünglich nur auf Konzerten verkauft. Man hat das Album nun von James McBain (HELLRIPPER) neu mastern lassen, um sich auch international etablieren zu können. Was die Jungs bieten hat Schmackes und ist technisch auf internationalem Niveau – und in der Schnittmenge aus MIDNIGHT, VENOM und HELLHAMMER anzusiedeln. Trotz einer immensen Heavyness wirkt das Material dennoch auch melodisch, was unlogisch klingt aber dennoch so ist. Also ganz klar, kein ultraderbes Zeugs, sondern gut durchdachte Songstrukturen. Die Taktung ist eher dem Thrash Metal zu zuordnen, nur selten prügelt man sich ins Koma wie bei `No Lord Above`. `Hate Reincarnated` ist einer der abwechslungsreichsten Tracks. Interessant auch, dass man ohne Intro gleich mit dem ersten Song in die Vollen geht. `Black Thrash Bastards` wirkt daher im ersten Moment wie ein Rudel Ohrfeigen im morgendlichen Aufwach-Modus.

ETERNAL ARMAGEDDON liefern knapp 33 Minuten sauber abgehangenen Thrash Metal mit deutlichen Black Metal-Tendenzen und sind dennoch auch für den normalen Thrash Metal-Fan hochinteressant. Unterstützt die  Jungs und zieht euch für eine kleine Handvoll Dollar das Album. Die Jungs können es gut gebrauchen.

(7,5 Punkte – Jürgen Tschamler)

https://eternalarmageddon.bandcamp.com/album/in-light-in-dark-in-hate


GRAND DESIGN – V
2020 (GMR Music) – Stil: AOR

Das vierte Album ´Viva La Paradise´ war vor zwei Jahren mein Einstieg in die Welt der seit 2009 aktiven Schweden.  Viel geändert hat sich nicht, empfohlen sei der Stoff insbesondere und fast schon unbedingt DEF LEPPARD-Maniacs (´Strandead´, ´Walkin‘ The Wire´ – die Chöre!!, ´Take Me To Yer Heaven´….). ´The Warrior´ tönt dagegen in Richtung DANGER DANGER, während die STARSHIP-Zitate in ´Wut Are You Waiting For´ etwas überbordend sind.

Das Songwriting ist an sich echt hervorragend, die absoluten Highlights sind ´Shame On U´ und ´Gimmie The Fire´. Leider zerstört der nasal-quäkende Froschgesang von Bandbegründer Pelle Saether meinen Hörgenuss aber weiterhin erheblich. Das verursacht leider erhebliche Abzüge in der B-Note einer Platte, die eigentlich ansonsten 8 Punkte verdient hätte.

(6,5 Punkte – Markus Gps)


HELLHOOKAH – The Curse
2020 (Independent) – Stil: Doom

HELLHOOKAH sind ein Doom-Duo aus Litauen. Arnas (Gitarre/Gesang) & Gintarė (Schlagzeug) spielen seit 2012 zusammen und haben bereits 2016 auf einem US Label ihr Debüt ´Endless Serpents´ veröffentlicht.

Der Heavy-Rock ihres, in Eigenregie herausgebrachten Zweitwerkes kommt schön natürlich rüber, ohne in einer Bombast-Produktion künstlich aufgeblasen worden zu sein. Die angeraute Stimme von Arnas trägt zur Düsternis bei. Natürlich ist das Riff von ´Running Through Time´ oder dies von ´Flashes´ aus dem BLACK SABBATH-Katalog, doch in den Feinheiten der Kompositionen sind auch andere, zartere Rock-Einflüsse erkennbar. Bei ´Supremacy´ klingt der Gesang nach Ozzy, jedoch ca. zehn Minuten nach einem Lachgas-Selbstversuch. Den schweren Groove und die wohltuende Ausbreitung desselben findet ´The Creature´. Und dem Hörer wird klar, dass diese Stimme die Normalität bedeutet.

HELLHOOKAH agieren imho viel zu nah an Riffmeister Iommi, so dass allein aufgrund dessen die Bewertung angeglichen werden muss.

(6 Punkte – Michael Haifl)


THE MARLBORO MEN – How The West Was Lost And Other Vivid Hallucinations
2020 (Independent Release) – Stil: Stoner-/ Psychedelic Rock

`How The West Was Lost And Other Vivid Hallucinations` ist der perfekte Sound für einen Roadtrip in wüstenähnlichen Ecken dieser Welt. THE MARLBORO MEN ist das Baby von Dave Talon, POOR LITTLE THINGS, CAPTAIN CONTROL, ex-KINGS OF THE SUN. Der Australier mit Wahlheimat Schweiz hat einen ausgeprägten Hang zu eher unkonventioneller Musik, die sich überwiegend aus Siebziger Einflüssen speist.

Sein Stil läst wenig Raum, macht aber auch eindeutig klar wo man musikalisch steht. Treibender, harter Rock mit bedingungsloser Nähe zu coolen Rhythmen und Melodien. Wo andere sich in kreativer Selbstverwirklichung versuchen läßt Talon seinen Gefühlen freien Lauf. Das kann mal druckvoll sein wie bei `Grogan`s Run` oder `Sabata`, aber auch etwas ausschweifender wie bei  `Festa Die Serpari`. Aber auch schräg mit coolen Effekten wie `Antarctica And Beyond`. Wobei der Rhythmus einen förmlich aufsaugt und in einer Endlosschleife nicht mehr loslässt.

Cooles Album für musikalische Freigänger die keinen Schwerpunkt auf „Hart und Heavy“ haben und sich dem hingeben was gefällt.

https://themarlboromen.bandcamp.com/album/how-the-west-was-lost-and-other-vivid-hallucinations

(7,5 Punkte – Jürgen Tschamler)


MARMALADE KNIVES – Amnesia
2020 (Electric Valley) – Stil: Heavy Psych/Progressive Rock

Unterteilt in zwei Themen-Blöcke und betitelt mit `A1 – A4´ und `B1 – B3´, proggen und rocken sich die aus Santa Cruz/Kalifornien kommenden MARMALADE KNIVES rein instrumental durch ihr Debütalbum `Amnesia´ und geben dabei eine ganz ordentliche Figur ab. Die Stücke sind trotz Überlänge meist sehr eingängig und nachvollziehbar ausgefallen und sollten, wenn möglich, bei gedämpftem Licht oder im Kerzenschein und mit geschlossenen Augen eingesogen werden, wo sie am besten zur Geltung kommen und am ehesten ihre volle Wirkung entfalten können.

Die von der Band selbst genannten Einflüsse wie frühe PINK FLOYD, AMON DÜÜL II oder aber auch TANGERINE DREAM spiegeln stilistisch in etwa den Sound ihrer eigenen Kompositionen wider, wenngleich das Quintett eine gehörige Portion rockiger ans Werk geht. Und die in ihrer Stilumschreibung ebenfalls selbst erwähnten psychedelischen Elemente blitzen aber nur ab und an und sehr dezent auf. Kommt sehr gut, um die Füße hochzulegen, etwas abzuschalten und den stressigen Alltag für rund 45 Minuten einmal hinter sich zu lassen. Starkes Teill!!!

(7,5 Punkte – Armin Schäfer)


MIDWIFE – Forever
2020 (The Flenser) – Stil: Ambient “Heaven Metal”

Vorsicht – natürlich KEIN Metal, hehe. Geboren in den Sphären des experimentellen „Dream Pop“ entpuppt sich ´Forever´ als ein hypnotischer Traum. Nicht nur in Zeiten wie diesen muss man mal komplett runterfahren, die Seele baumeln lassen und einfach mal entspannen, wenn nicht sogar nach Innen schauen und meditieren.

Den optimalen Chillout-Sound dafür liefern MIDWIFE. Die beruhigende Stimme von Madeline Johnston flüstert dich in einen Ozean der Ruhe, in dem du dich dem Flow der zarten Klänge bedingungslos hingeben kannst. Auch die fast gehauchten Lyrics sind passend zur Musik mantra-artig repetitiv gestaltet und noch nie hat ein „Get the fuck away from me“ so sanft geklungen.

Nach etwas für den songorientierten Hörer augenscheinlich unnützem Gelaber – das jedoch ein von Colin Ward gelesenes Gedicht über ein fallendes Herbstlaub-Blatt darstellt – wirft dir das sechste Stück ´S.W.I.M.´ erneut den Rettungsring zu und trägt dich mit schrammelnden, hypnotischen Gitarren davon. Sehr gelungen, sehr atmosphärisch.

Ebenfalls ein Soundtrack dieser Tage für die runtergefahrene Seele, die zur ultimativen Entspannung die richtigen Klänge sucht.

This is really happening to me…You can’t run for your whole life..
How do I say this? In every language?
I will never forget you

(punktlos verzückend – Less Wifemeister)   www.facebook.com/Midwife


MINATOX69 – Collapse
2020 (Independent) – Stil: Thrash Metal

MINATOX69 sind wütend und kotzen ihren Frust über Rassismus, Kriegstreiberei, Umweltverschmutzung oder den ganz normalen Wahnsinn innerhalb der Sozialen Medien unmissverständlich aus. Aggressivo Metal aus Bassano del Grappa, Vicenza, in Italien kracht demnach aus den Boxen.

Gegründet 2010 von den best friends Fox, Bozart, Checco und Tado sah das Debüt ´La Foca Nel Desserto´ bereits im gleichen Jahr das Licht der Welt. Dann kam Zweitgitarrist Cupido und das zweite Album ´Hotline´ 2012. Nun sind sie älter, aber keineswegs leiser geworden.

MINATOX69 klingen wie auch Thrash Metal in den Neunzigern klingen durfte, im Groovegewitter. Sänger Bozart göbelt dabei schön den Mageninhalt voluminös raus. Lecker.

(7 Punkte – Michael Haifl)


MOTHER ISLAND – Motel Rooms
2020 (Go Down Records) – Stil: Seventies-/Psychedelic Rock

Ich bin immer wieder erstaunt darüber wie innovativ die italienische Rockszene aufgestellt ist. Gerade in Sachen Seventies-, Avantgarde-, Psychedelic-Rock tauchen hier Unmengen von Bands auf, die mit überraschenden Soundkreationen aufhorchen lassen.

MOTHER ISLAND aus Venedig sind auch eine dieser Truppen. Auf seinem dritten Album `Motel Rooms´ hat man seinen Stil feingetuned und die Stärken optimiert. Das Quintett um Frontfrau Anita Formilan bewegt sich im Psychedelic/Seventies Rock und würzt diesen Stilmix mit einer Brise Surf Rock. Sprich, diese Sixties-/Seventies-Surfgitarre wird in die Stücke mit eingepflegt, wodurch man einen sehr eigenen Sound kreiert.

Heavy und hart ist daher hier weniger angesagt als coole atmosphärische Tracks, die oft wie ein Soundtrack für alte, schräge Russ Meyer-Filme wirken. Das wirkt alles sehr, sehr entspannt und das überträgt sich auf das eigene Gemüt. Wer nicht nur „heavy“ mag, sondern auch souveräne Soundkreationen mit Entschleunigungsfaktor, der sollte sich `Motel Rooms` mal genauer ansehen bzw. hören.

(7,5 Punkte – Jürgen Tschamler)


TATSUYA NAKATANI & SHANE PARISH – Interactivity
2020 (Cuneiform Records) Stil: Jazz / Improvisation

Der gebürtige Japaner Tatsuya Nakatani lebt bereits seit über 25 Jahren in den Vereinigten Staaten von Amerika und ist als Schlagzeuger der Avantgardist der Stunde. Mit Gongs, Trommeln und Becken wütet er sich achtsam durch ein imaginäres Feld an klangvollem Rohmaterial.  Seine Einflüsse gehen über japanische Musik hinaus zu Avantgarde und Improvisationskunst.

Shane Parish stammt aus Asheville, North Carolina, und ist von dem Avant-Duo AHLEUCHATISTAS bekannt. Er liebt Jazz, Prog Rock, Avantgarde und Experimentelle Musik.

´Interactivity´ ist bereits ihr zweites, gemeinsames Werk. Auf drei Kompositionen zwischen zehn und zwanzig Minuten leben sie die Kunst der freien Improvisation aus. Im Frühjahr des Jahres 2018 aufgenommen, beweisen sie blinde Kompositionsgaben. Derweil der eine sich dem Fingerpicking an der Akustikgitarre hingibt, schlägt der andere gegen Klanggerüste, baut sie auf und lässt sie wieder darnieder rasseln. Liebhaber der Improvisationskunst scheppern heimlich mit.

(Michael Haifl)


NIGHT DEMON – Empires Fall (7inch)
2020 (Century Media) – Stil: Heavy Metal

Erster Vorgeschmack auf das kommende neue NIGHT DEMON-Album. `Empires Fall` liefert musikalisch genau das, wofür NIGHT DEMON stehen: flotter Heavy Metal mit der typischen NWoBHM-Note. Auf der B-Seite eine LE GRIFFE-Coverversion von `Fats Bikes`.

Der Titeltrack `Empires Fall` geht sauber los, enthält im Mittelteil eine akustische Passage, die das Tempo rausnimmt und dann steil weitergeht. Gute Nummer, wobei das „oooohhhoohhh“ im Hintergrund doch etwas sehr Klischee-behaftet ist. Im Backing-Chor kurioserweise eher genrefremde Mucker wie Lars Frederiksen und Matt Freeman von RANCID und James Paul Luna von HOLY GRAIL.

Der Track der NWoBHM-Band LE GRIFFE wird von NIGHT DEMON tight umgesetzt. Man kennt ja die Vorliebe von NIGHT DEMON für eher unbekannten NWoBHM-Songs. Gute Nummer im Up-Tempo mit druckvollem Rhythmus und einer dezenten IRON MAIDEN-Note.

Die 7inch wurde in verschiedenen Farben veröffentlicht und sollte für NIGHT DEMON-Fans ein Must-have sein.

(ohne Wertung – Jürgen Tschamler)


NOVELISTS FR – C’est La Vie
2020 (Arising Empire) – Stil: Progressive Metal(core)

Wie hätten Sie den gerne ihren Metalcore?
Bretthart und Aggressiv!
Sind sie alle.
Dann halt technisch versiert.
Sind die Meisten.
Mmpfh…Es sollte einen leicht progressiven Touch haben, einen Sänger, der auch starke Melodien transportieren kann und meine Freundin sagt gerade, dass sie auch gerne noch was zum Kuscheln drauf hätte, mit etwas Blues, Gastsängerin, Esprit und Mojo – halt etwas, was nicht jeder macht und das am Besten ganz mutig als Titelsong! C’est la vie…

Dann fackeln Sie nicht lange und nehmen einfach gleich am Besten die Schriftsteller unter den Harten: NOVELISTS FR aus Frankreich, die es verstehen, aus der Masse der jungen Wilden intelligent herauszustechen und dabei gar Elemente von Gruppen wie COHEED AND CAMBRIA, P.O.D. oder gar der großen LINKIN PARK zu integrieren.

Seit 2013 aktiv führte der Live-Weg der NOVELISTS bereits quer durch Europa, nach Asien und in die U.S. von A. und spätestens dieses Album sollte der Band höchste Anerkennung bescheren. Wenn einmal Metal mit Core-Elementen im Jahr, dann NOVELISTS FR! So schön ist das harte Prog-Leben!

Anspieltipps: ´Somebody Else´, ´Lilly´, ´Modern Slave´, ´C’est La Vie´, ´Head Rush´, ´Rain´

(8,5 schriftliche Punkte – Less Lifemeister)   www.facebook.com/NovelistsFR


PROFESSOR TIP TOP – Tomorrow Is Delayed
2020 (Apollon Records) – Stil: Prog Rock

Neben ARABS IN ASPIC noch eine Progtruppe aus Norwegen, die schon länger auf den Pfaden des Retro-Prog unterwegs ist. Aber wenn die Qualität stimmt… Schauen wir also mal, aus welchem Holz diese Norweger geschnitzt sind.

PROFESSOR TIP TOPs Prog Rock ist eine im positiven Sinne behäbige Variante, wenige Breaks, kaum instrumentale Ohrenbrecher-Instrumental-Abfahrten. Viel eher überwiegen nachdenkliche Klänge und Wehmut, verpackt in wunderbare Melodien und samtene Teppiche von Orgel und Gitarre. Besonderer Pluspunkt ist Frontfrau Sonja Otto. Sie betört mit ihrem warmen Alt und bringt die Komposition erst recht zum Leuchten.

Wer prinzipiell etwas mit ELOY anfangen kann, sich aber dann mit der Stimme von Frank Bornemann schwertut, sollte hier mal ein Öhrchen riskieren. PROFESSOR TIP TOP sind genau richtig, um sich mal wieder so richtig in Harmonie zu suhlen, auch, oder weil der eine Part ganz knapp an der Schlagerparade vorbeischrappt.

Also das norwegische Holz, das ist schon wertvoll…

(8 harmoniegetränkte Punkte – Mario Wolski)


PROFESSOR TIP TOP – Life Is No Matter
2017 (Apollon Records) – Stil: Prog Rock

Nachdem Kollege Mario sich das aktuelle Album der Norweger unter den wachsamen Augen des Frauenbeauftragten Nummer zwei – sprich: mir – weggeschnappt hat und ich es jedoch heimlich goutiert und für exzellent befunden habe, ist es an der Zeit, erstmals im Kompass einen Doppel-Whopper zu machen und zwar mit der Vorgängerscheibe, auf der noch Svein Magnar Hansen am Mikro agierte und für die Texte zuständig war.

Ebenfalls sehr spacig aus dem ELOY-Universum startet die 2017er Reise instrumental durch Zeit und Raum mit ´Entrophy´, bevor besagter Vorgänger von Sonja Otto mit einer gleichartig sanften, wohlklingenden IQ-Stimme verzaubert, sodass der Genderwechsel für die Musik nicht wirklich eine Rolle spielt.

Ja, die gitarrentechnische Handschrift eines David Gilmour ist ebenso tief im harmonischen Keyboardteppich-Sound verwoben sowie das leichtfüßige, glücklich machende Drama, eine gewisse skandinavische Schwermut und die grandiosen, sanften Melodien von Bands wie CAMEL oder YES.
Am besten fackelt ihr nicht lange und gönnt euch selbst einen doppelten PROFESSOR TIP TOP in Zeiten wie diesen…

Anspieltipps: ´Friend Or Foe´, ´I Am A Dreamer Too´, der kultige in deutsch gesungene Doom-Noir-Western ´Die Böse´, ´Life Is No Matter´

(ebenfalls 8 lebendige Punkte – Less Tipmeister)   www.facebook.com/Professor-Tip-Top


RÄMLORD – From Dark Waters
2020 (Inverse Records) – Stil: Hard Rock / Heavy Metal

Heavy Metal! Classic Hard & Heavy! Immer ganz besonders packend, wenn Musiker aus ihrem gewohnten Wohlfühlumfeld herausbrechen, ihren alten Heroes huldigen und sich bis zum Debüt auch mal zwangslose zehn Jahre Zeit lassen.

Sehr unverkrampft und angenehm erspielen sich daher die Finnen nach alter URIAH HEEP- oder DEEP PURPLE-Väter Sitte und ähnlichen Klassikern, die die Macht des Orgelsounds genau wie zweistimmige Gitarren verinnerlicht haben, eine treue Anhängerschar und würzen das mit ihren eigenen Zutaten, die hier und da sogar extreme Partytauglichkeit beweisen.

Dabei brilliert der neue Frontmann Timo Salmenkivi mit einer klassischen, erwachsenen Heavy-Stimme, die wie die Faust auf die abwechslungsreichen, fesselnden, epischen und melodischen Stücke passt. Klar haben sie diese Mucke nicht erfunden, aber die Qualität und der Spaßfaktor solcher Scheiben hätte eine Pole Position in der Discografie der „Altvordersten“. Ein Stücklein NWoBHM dürft ihr auch erwarten, aber was klingt schon NICHT danach, außer „strictly U.S.“ oder uns Teutonen…

Anspieltipps: der doomig-hymnische Überhit ´Dark Waters´, ´Blindfolded´, ´Chained God´, ´To The Battle´

(8 unverwässerte Punkte – Less Watermeister)   www.facebook.com/ramlordband


RETURN – V
1992/2020 (AOR Heaven) – Stil: Melodic Hard Rock/AOR

Die Norweger RETURN feiern dieses Jahr 40-jähriges Bandjubiläum und nehmen dies zum Anlass, ihr fünftes Studioalbum, das ursprünglich 1992 veröffentlicht wurde, in einer remastered (von Chris Lyne, u.a. SOUL DOCTOR) Version, die zudem limitiert ist, neu aufzulegen.

Denn … als das Album damals erschien, wurde es förmlich von der Grungewelle gekillt. Kurz danach löste sich die Truppe auf und erst 2000 reformierte sich RETURN wieder. `V` hat diesen Re-Release verdient, denn es ist voller toller, eindringlicher melodischer Hard Rock-Songs, wie man sie nur damals schreiben konnte.

Mit einem deutlich dynamischeren Sound pfeifen die Stücke klasse rein. Nummern wie `Ridin` On A Rainbow`, `Tonight`, `Goin`Back` oder `Room In Your Life` sind meisterliche AOR-Granaten amerikanischer Stadion-Rock-Prägung, ganz in der Tradition von Bands wie STREETS, TNT, DIVING FOR PEARLS etc. Hurry up, es wurden nur 1000 CDs gepresst die man über die Homepage von „AOR Heaven“ exklusiv verkauft.

(7,5 Punkte – Jürgen Tschamler)


REVERENT TALES – Visceral
2020 (Amazing Records) – Stil: Progressive (Powerthrash) Metal

Wow, was für ein perfektes Debüt! Schon die ersten paar wohlmetallischen Takte der Portugiesen haben mich überzeugt, noch bevor Raquel Nunes auf gute, alte HOLY MOSES-Weise losgrowlt, um im Anschluss zu zeigen, dass sie – wie auch die famose Alissa von ARCH ENEMY – eine verdammt gute Sängerin ist…mit eigenem Charisma in der Stimme.

Die Mucke dazu knallt ebenfalls wunderbar und die Band versteht es meisterlich, die Härte und das Tempo für die melodischen Parts mit intelligent eingesetzten Keys – die zu keiner Zeit auch nur ein Fitzelchen stören oder verwässern – zu reduzieren und damit die Spannung über die gesamte Albenlänge aufrechtzuerhalten. Der Hörgenuss könnte durch diese sehr stimmungsvollen und abwechslungsreichen Songs sogar für den NEVERMORE-Anhänger oder Freunde leicht dunklen, progressiven Powermetals interessant sein.

So geht Metal heutzutage! Nicht nur Frauenbeauftragte und Freunde des schönen Geschlechts mit Wumms am Mikro greifen sofort zu!

Anspieltipps: Das komplette Album.

(8,5 aus dem Innersten der Seele kommende Punkte – Less Talemeister)   www.facebook.com/reverenttales


JACK RUSSELL’S GREAT WHITE – Once Bitten Acoustic Bytes
2020 (Deadline) – Stil: Rock unplugged

Was ist bloß los mit Nachbars Jack Russell Terrier? Normal stört es ihn nicht, wenn ich mit lauter Musik im Auto vor der Einfahrt stehe. Er schaut einmal und legt sich nieder. Neuerdings beginnt er aber zu winseln und flüchtet, mit eingezogenem Schwanz. Das muss an JACK RUSSELL liegen und seinen GREAT WHITE. Die haben ihr 1987er Klassikeralbum als Unplugged-Album recycelt.

Zuerst, ein guter Song bleibt ein guter Song und ist nie so ganz zerstörbar. So auch hier, all die Hits sind unkaputtbar. Trotzdem ist das Ergebnis farblos, lieblos, saft- und kraftlos. Der Gesang ist ziemlich schwachbrüstig, manchmal ist der gute alte Jack R. kaum wiederzuerkennen. Der Gehalt an Rock und Rotz wurde großzügig entfernt.  Man vergleiche einfach ´Rock Me´ mit dem Original oder einer der vielen Liveversionen. Wer wie ich ´Once Bitten…´, ´Hooked´, selbst die ruhige ´Sail Away´ liebt, sollte vielleicht seine Finger hier weglassen.

Aus Nostalgiegründen, und weil ich jetzt mal wieder inspiriert war, die alten Sachen herauszusuchen, zeige ich mit 6 Punkten mein Erbarmen. Und der Hund darf aufatmen. Ich höre wieder anderes.

(Mario Wolski)


TOUNDRA – Das Cabinet des Dr. Caligari
2020 (Inside Out) – Stil: Post Rock

Die nun schon legendären spanischen Postrocker, die auf ihren bisherigen fünf Alben auch höchster Konkurrenz wie LONG DISTANCE CALLING qualitativ das Fürchten lehrten, vertonen den Stummfilmklassiker.

Einerseits ist es begrüßenswert und eigentlich auch notwendig, wenn eine Band bisherige stilistische Fesseln mal etwas sprengt und sich neue Felder bestellt. Allerdings ist mir im Fall der Madrilenen deren selbst im Schwebezustand immer noch intensiver Rock ’n‘ Roll Faktor deutlich lieber als die logischerweise viel epochalere Ausrichtung des neuen Materials. Was ja auch immer wieder in den hierzulande in kleinen Clubs stattfindenden energiegeladenen Shows begutachtet werden kann.

Leider fiel die geplante neue Tour natürlich auch der Corona-Krise zum Opfer. Man stellt sich von einer DER Genrereferenzbands natürlich aber auch das neue Album neben die bereits vorhandenen Werke ins Regal. Ich höre mir aber jetzt erst mal wieder ´Cielo Negro´ an.

(7,5 Punkte – Markus Gps)

 

 

 


Die Welt ist immer noch nicht zu einem besseren Ort geworden. In der Musik und in der Natur ist hingegen täglich eine neue Schönheit auszumachen
 … haltet die Augen und Ohren offen …

Michael und das gesamte Streetclip-Team

 


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