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WAR CLOUD – State Of Shock

~ 2019 (Ripple Music) Stil: (US-) Heavy Metal / NWoBHM ~


Viel von dem heutigen US Metal mag ich gerne hören. Neue Bands sprießen im Bereich von „Painkiller“ PRIEST und mittelspäten ICED EARTH beeinflusstem Powermetal oder bei den New Wave Of True Heavy Metal Alt-IRON MAIDEN-Worshippern. Das ist auch gut so, weil da nach wie vor enorm viel Qualität geboten wird. Ein paar reißen immer aus. Und zu denen gehören auch WAR CLOUD.

Auf die Tube wird gedrückt, wie anno dazumal, ca. 1981 bis 1983. Knackige, eingängige Riffs holen Dich ab, die raue, mittelhohe Stimme schmeichelt charmant den Ohren. NWoBHM-Galore, aber mit etwas mehr Pfeffer noch als bei vielen Spaniern, die sich dem Sound verschrieben haben. Wenn die Luftschutzsirene als Intro loslegt, gibt es kein Halten mehr.

´Striker´ ist ein rasanter, hymnischer Kracher mit mehrstimmigen Gitarrenläufen und wilder Melodie. Er reitet zur Attacke auf glattgebügelten Konsensmetal und alle kommerzgeil untrue in Szene gesetzten Megafestivalbeschickerbands, welche den Bauerntölpel vom Acker nebenan aufgrund musikalischer Unkenntnis in Zustände höchst verzückter Entrücktheit versetzen. Schnaps kann auch die Ursache sein.

Auf jeden Fall gehen WAR CLOUD gleich zu Beginn mit ´Striker´ mächtig steil und ´White Lightning´, der treibende zweite Song mit B-Reihe NWoBHM-Feeling, irgendwie BATTLE AXE, kann vollends überzeugen. Intensive, brodelnde Leadgitarren auf treibendem Schlagzeug sind eine feine Sache, WAR CLOUD drosseln das Tempo für den Soloabschnitt allerdings und lassen ihren Gitarristen gewähren. Nicht nur drolliges Gefiedel, sondern auch schöne Melodiebögen sind ihr Ding. Schon jetzt merkt man, wie vertraut man mit solchem Material ist, aber immer hat man das Gefühl, einem der alten Originale zu lauschen. Und das muss die NWoTHM Klitsche erst hinbekommen.

´Dangerous Game´ kommt mit Shufflerhythmus, es gibt ergreifende, sogar sehr melodisch gesungene Einlagen des Sängers, grimmige, aber irgendwie freundliche Riffs und schöne Doppelleadpassagen machen Dir im nächsten Schritt die Rübe weich und reißen Dein Herz auf. Im hinteren Teil vor dem Solo wird der Song schneller, galoppiert schön vorwärts. Die inbrünstig hinausgeschmetterte Gesangsmelodie wird ergreifender und dann kommt ein berauschender Solopart, wo die Gitarren schier zu explodieren scheinen, bevor man balladesk weitermacht. Abwechslung pur, wie auf den alten Singles aus England, die ich hier stehen habe. Ich kann nicht sagen, ob mich das an eine bestimmte Band oder an die ganze Epoche und da an die B bis Z Bands erinnert. Ich weiß aber, wer auf Newcastle WARRIOR, CRUCIFIXION oder DARK STAR abfährt, der bekommt hier einen Ständer. ´Lady Of Mars´ von DARK STAR ist ein guter Vergleichssong.

Gesanglich ist das Gebotene immer rau, mal etwas heller, mal grummelig in mittleren Lagen, aber klar und herzlich ausgeführt. Genau wie der Rest der Musik. Das sind Metalheads aus vollem Herzen.

Ein vermeintlich schleppender Heavy Metal-Epos mit Namen´Tomahawk2´ schließt sich an, wird dann aber zu einem Speedmetalbrecher mit knatternden Gitarrensalven und schönen Harmonieparts in mittlerer Geschwindigkeit. Hier bleiben WAR CLOUD die ganze Zeit über instrumental, was ihnen ebenfalls liegt. Hymnenfeeling ist dem Song zu eigen.

´Seeing Red´ entwickelt sich aus einem nachdenklichen, schönen Leadgitarrenlauf mit ruhigem, aber rockendem Unterbauriff und Bolerorhythmus, wird dann zu einem schleppenden Heavyrocker, die Leadgitarrenmelodie bleibt, hält kurz inne und dann bricht die Hölle los. Naja, nicht ganz, sondern ein treibender, manchmal vom Schlagzeug echt peitschend getriebener Heavy Metal-Song mit halb verzerrten Gitarren in der Strophe über einem bärbeißigen Riff. Die Gesangsmelodie ist wieder emotional aufwühlend, dabei aber sehr schlicht. Die Gefühle werden direkt übermittelt und das passt hervorragend zu diesem Song, ja zu der ganzen musikalischen Richtung.

Es macht eine unheimliche Freude, sich WAR CLOUD auf den Plattenteller oder in den CD-Player zu legen. Wenn die Jungs instrumental loslegen, brechen ganze Dämme. Die Leadgitarre ist auch bei ´Seeing Red´ wieder in Dauerbetrieb. Melodie und Gefühl steht hier vor Gegniedel, was ich auch sehr befürworte.

´Do Anything´ rollt wieder etwas melodischer, klarer aus den Boxen, hat schöne Harmonien und Gesangslinien, die Dich direkt in der Seele packen. Dieser Song könnte entweder 1979 bis 1981 sein, hat aber auch eine Frische, wie sie viele der Retroheavyrocker gerne mit sich bringen. HORISONT aus Schweden fallen mir ein, aber WAR CLOUD sind bei allem Old School Worshipping treibender, kräftiger. Das ist die Musik, die uns 1995 gefehlt hat.

Heavy Metal aus Kalifornien, denn diese Band stammt aus dem beschaulichen Oakland, ist bei mir wohl gelitten. Einerseits wegen der langen Tradition an feinster Musik von 60s Rock bis Thrash und Death Metal der 80er und 90er. In den letzten Jahren hatte ich mit ORCHID und SKUNK zwei hervorragende 70s Heavy Rock Verkörperer entdeckt und nun kommen diese Kids hier mit feinstem NWoBHM trifft auf frühen US Heavy Metal-Sound bei mir an. Das muss gefeiert werden. Aber erstmal höre ich mir ´Means Of Your Defeat´ an. Ein bodenständiger Headbanger, wie man ihn natürlich nach den vorherigen Stücken erwartet. Wie immer urbritisch vom Feeling her. Ob die Band hiermit reich und berühmt wird, mag man dahingestellt sein lassen. Das ist aber auch wenn nur ein Nebeneffekt.

Die Musik hat allerbeste Livequalitäten, egal ob sie nun originell ist oder nicht. Innovationspreise gibt es keine zu gewinnen, aber dafür eine Menge Herzen. Und schon sind wir auch beim Titelsong und Abschluss der Platte angelangt. Ein donnernder, mittelschneller Dampflokgroove, zerriger Bass, schwere Riffs, ein Rock’n’Roll Feeling beim Gesang, simpler, aber mitreißender Refrain, tonnenweise geile Gitarrenharmonien und eruptive Leads. Die Vocals sind MOTÖRTANK pur. Nochmal, NWoBHM galore. 1979 lässt grüßen. Auch wenn das hier alles vor 40 Jahren schon gesagt worden ist, es macht Freude, das alles nochmal gesagt zu bekommen, denn es ist immer aktuell. Die Performance lässt keine andere Wahl, als sich dieses Album, dazu Vorgänger und Nachfolger zu kaufen.

Ich würde mir zwar viele Altmetallnachäffer nicht mehr zulegen, aber immer wieder gibt es so tolle Traditionalisten wie CHEVALIER aus Finnland, TRAVELER aus Kanada und eben diese Amis hier. Althergebrachte Werte mit neuer Frische inszeniert und in geile Songs verpackt. Mehr braucht es nicht. Vielleicht ist das hier nur etwas für Heavy Metal-Maniacs, aber dann soll es auch so sein. Das ist vollkommen ehrliche, bodenständige und emotional aufwühlende Musik. Top!!

(8,5 Punkte)

https://www.facebook.com/warcloudiscoming/