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MACBETH – Gedankenwächter

~ 2020 (Massacre) – Stil: Heavy Metal ~


Als Liebhaber eher melodischer Töne ziehe ich zuerst ein Fazit zu MACBETHs ´Gedankenwächter´. Diese bitterböse Platte passt so verdammt gut in die momentane Zeit. Schon ohne Corona wären das meine Worte gewesen. Aber unter den Umständen, die sich gerade entwickeln, kann ich mir kaum einen treffenderen Soundtrack vorstellen. Und so stellt der Melodiker fest, dass die Erfurter Truppe sich gerade im Abspielgerät festsetzt.

Der klassische Einstieg, akustische Gitarren, ein melancholisches Lead, ehe der Hörer von einem Schnellzug der Marke SLAYER überrollt wird. ´Friedenstaube´ ist der verwirrende, ja gar provokante Songtitel zu einem Stück, das aus der Perspektive eines Scharfschützen berichtet.

Ein langer Tag geht zu Ende. Sauber bleiben meine Hände. 
Blut spritzt nur weit entfernt. Das sind die Bösen, habe ich gelernt.

Ähnlich böse, nur weniger schnell folgt ´Krieger´. Es geht aber noch böser. ´In seinem Namen´ beginnt, ich kann es kaum anders umschreiben, mit einer Melodie, die von ABBA stammen könnte, aber von einer Black Metal-Band gespielt wird. Dabei hat das weder mit ABBA noch mit Schwarzmetall zu tun. MACBETH sind einfach sie selbst. Sie sind sie selbst, indem sie sich textlich an Diktatoren, Kriegstreibern oder Fanatikern abarbeiten. Wie eben ´In seinem Namen´. Da wird ausgeholt gegen jeglichen religiös verbrämten Fanatismus.

Tiere schächten, die Wissenschaft ächten Menschen verblenden, foltern und schänden
Kulturen vernichten, Ketzer richten Lügen erzählen, um ganze Völker zu quälen

Ein Blick in die Geschichte liefert das düstere ´Wolsfskinder´, das vom Leben elternloser Kinder nach dem Zweiten Weltkrieg berichtet. Wer sich nicht ein wenig mit Geschichte befaßt, dem sind solch trostlosen Schicksale sicher nicht bewußt. Hier wird Hoffnungslosigkeit vertont, Wut und auch Angst, Einsamkeit und die Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit.

Der Held des nächsten Songs ´Daskalogiannis´,  ich mußte ihn googeln, ist ein Volksheld auf Kreta. Dort führte er den Volksaufstand von 1770 gegen die türkischen Besatzer. Die russische Unterstützung, die ihm zugesagt war, blieb aus. Der Aufstand wurde brutal niedergeschlagen. Seine Bestrafung war grausam.

Auf dem Schafott ziehen sie mir Die Haut vom Leibe ab
Doch ich werde nicht schreien Sondern schweigen wie ein Grab

Die Eroberung Amerikas ist Thema von ´Neue Welt´. Auch hier wird kein Blatt vor den Mund genommen.  Weil wir gerade bei der Neuen Welt sind, ´Gedankenwächter´ klingt für mich sehr nach US-amerikanischem Thrash, irgendwo zwischen METALLICA und den schon erwähnten SLAYER, tief verwurzelt Ende der 80er. Trotz aller Oldschool-Verbundenheit ist das Album aber doch recht zeitgemäß produziert. Sauber aber nicht clean, da hat Patrick W. Engel mehr als saubere Arbeit abgeliefert.

Brecht wird rezitiert zu Beginn von ´Brandstifter´, in einer historischen Aufnahme von Ernst Busch. Wer gemeint ist?  Zu den Waffen rufen sie, doch auf dem Schlachtfeld sieht man sie nie. ´Hexenhammer´ beweist danach musikalische und inhaltliche Verwandtschaft zu MORGANA LEFAYs ´Maleficium´. Selten habe ich eine treffendere Charakterisierung eines (nicht nur) mittelalterlichen Hexenjägers gefunden. Den Titelsong findet der Leser unten, um sich selbst ein Bild zu machen.

Der letzte Song des Albums heißt ´Demmin´. Am Beispiel  der mecklenburgischen Stadt Demmin wird der Schrecken des Krieges verdeutlicht. Eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse 1945  findet sich im verlinkten Wikipedia-Artikel. Kein versöhnlicher Abschluß, keines versöhnlichen Albums. Dafür ist das ein würdiger Abschluß eines textlichen und musikalischen Gesamtkunstwerks.  Hart und brutal, ohne in Extreme zu verfallen, lyrisch deutlich und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Es bleibt für mich zu hoffen, dass dieses Stück Musik nur halb so viral geht, wie unser aktueller Begleiter Corona.

(10 fette Punkte)

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