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GOTTHARD – #13

~ 2020 (Nuclear Blast) – Stil: Melodic Rock ~


Ach, was habe ich GOTTHARD früher geliebt, die ersten drei Alben waren geilste Hard Rock-Scheiben vor dem Herrn und mit Hits förmlich gespickt. Die 97er Akustikplatte ´D-Frosted´ gehört noch heute zu meinen Lieblings-Live-Scheiben (und ist darunter die einzige unpluggige). ´Open´ und ´Homerun´ wurden kommerzieller, waren auf ihre Art und Weise dennoch gute, melodische, ja, auch poppige Rockmusik, worüber viele Altfans entsetzt waren. Auch live habe ich GOTTHARD seinerzeit sehr überzeugend gefunden. Man konnte sie dabei auch gut in weiblicher Begleitung besuchen. ´Human Zoo´zündete dann dafür überhaupt nicht bei mir, 2003 war allerdings auch nicht so viel Zeit zum Musik hören. Also verlor ich sie aus den Augen. Dazu kam der Unfalltod von Steve Lee 2010…

Erst das Projekt CORELEONI hat mein Radar wieder auf Leo Leoni und Co. gelenkt. Also jetzt und hier und heute. Das 13. Studioalbum der Schweizer heißt ´#13´ und enthält entsprechend 13 reguläre Tracks. Dazu die fast schon obligatorischen Bonusse der Marke Demo- bzw. Akustikversion.

Der mächtige Rocker ´Bad News´ erinnert gleich mal an GOTTHARDs Frühwerk. Geht es nur mir so, oder klingt Nick Maeder ab und an verdächtig nach David Coverdale?  In ´Every Time I Die´ wird das Tempo noch etwas angezogen, macht Laune. Darauf folgt die erste Single (und Highlight) ´Missteria´. Entstanden unter kompositorischer Unterstützung von Francis Rossi (STATUS QUO) verbindet es orientalische Vibes und laszive Rhythmen. ´10.000 Faces´ taugt, um von 10.000 Kehlen gesungen zu werden.

Das Klavierintro zu ´S.O.S.´, ja, das ist der alte ABBA-Gassenhauer, scheint von Beethovens Mondscheinsonate inspiriert. Da werde ich direkt hellhörig. Zurecht. GOTTHARD haben schon immer ihre Coversongs zu eigenen Songs gemacht. Diesen Song noch trauriger als das Original klingen zu lassen, das ist ein Meisterstück.

´Another Last Time´ ist eine wunderbar eingängige Radiorocknummer, da bleibt das folgende ´Better Than Love´ etwas blass. Mit einem Boogie-Einschlag kommt ´Save The Date´. Und hiernach wird es ganz ruhig. Die mit HOOTERS-Frontmann Eric Bazilian gemeinsam geschriebene Ballade ´Marry You´ ist für mich eine der schwächeren Schnulzen im Schaffen der Schweizer. Möglicherweise hätte es geholfen, das Streichquartett musikalisch promintenter einzusetzen, um etwas Dramatik zu erzeugen.

´Man On A Mission´ könnte ein verschollerner Song aus WHITESNAKEs ´1987´-Phase sein. Mit ´No Time To Cry´ ziehen Leo und Co. noch einmal die Zügel an. Und hier bringen die Streicher auch die erhoffte Dramatik ein. Die um Welten stärkere Ballade folgt mit ´I Can Say I’m Sorry´. Vielleicht, weil sie nicht zu einfach gestrickt ist. In die 70er führt uns ´Rescue Me´, das mit psychedelischen Elementen flirtet – und dann unerwartet in einem BLACK SABBATH-Riff endet. Ein würdiger Schlusspunkt in einem insgesamt starken Melodic Rock-Album.

Ich gestehe, mit dieser Stärke habe ich nicht gerechnet. Umso größer sind Überraschung und Freude. Ich will nicht behaupten, das ist das stärkste Album seit … (hier kann jeder seine Lieblingsscheibe einsetzen). Aber, ich bin frisch verliebt. Und darum kann ich 8 Punkte verschenken.

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