Livehaftig

Overkill meets Größenwahn: t live

Nach seinem gefeierten One-Man-Auftritt als Support Act für die notorisch supportactlosen IQ baten wir t vor seinen Band-Auftritten in voller Pracht (13.3. Verviers, Spirit of 66 – 14.3. Essen, Zeche Carl – jeweils mit CHANDELIER im Double-Headliner-Format!), uns kurz den Wahnsinn zu erklären, den er da abgeliefert hatte.

Immerhin hatte der Studionerd, hier ganz Entertainer, mal eben das Publikum gesamplet, ein komplettes Orchester erklingen lassen und ein Medley gespielt, das er „Das völlig sinnlose Medley, bei dem ich nur verlieren kann“ getauft hatte: Es setzte sich aus Fanwünschen zusammen und hatte von ´Close To The Edge´ bis ´The Space´ so einiges zu bieten…

 

 

Als mich Mike Holmes fragte, ob ich im Januar mit IQ in Oberhausen spielen will, war ich erstmal happy: Mike mochte mein letztes Album, ´Solipsystemology´, sehr, wie er mir in, für jeden, der ihn kennt, offensichtlichem Überschwang schon bei der Veröffentlichung mitteilte: „The audio is really strong“ fand sich als letzter Satz einer nicht ganz kurzen Liste an Kritikpunkten im Millimeterbereich Cover-Layout und Font-Placement (übrigens alle berechtigt).

Aber das hatte einen Haken: Wo t sonst inzwischen als Quartett echten Band-Sound auf die Bühne bringt (z.B. am kommenden Wochenende mit CHANDELIER), sagte IQ deutlich: „Only one person on stage!“ One person? Hm. Aber vielleicht könnte ja mein Leib- und Magen-Keyboarder Dominik…? One person. Ja, aber wenn wir…? One person. Wir sind auch ganz schnell runter, ehrlich, und zwar…? One person.

Also musste ich umplanen: Wie zur Hölle sollte ich meine eher auf der komplexeren Seite befindlichen Ideen so umsetzen, dass das Publikum nicht „just another someone and his piano“ bekam? Das wäre mir nicht nur marketingtechnisch zu wenig, sondern auch irgendwie… not the t way. Also dachte ich mal nach. Und hörte damit, irgendwie, erst wieder auf, als der Aufwand ziemlich präzise dem entsprach, den wir zu viert gehabt hätten.

 

Set-up zu Hause

 

Es würde wohl zu weit führen, hier alles zu erklären. Aber: Ich hatte mir ein Setup zurechtgelegt, in dem ich mit den Händen stets Klavier spielen könnte… und manchmal mit der linken Hand zusätzlich zur Klavierstimme noch ein Cello… manchmal, wenn ich aber die Linke für die Pianobasstöne haben wollte, auch mit den Füßen. Und manchmal würde ich die rechte Hand kurz auf andere Tastaturen bewegen, um eine Geige oder eine Flöte einfaden zu können.

Ich hatte auch einen Sampler in der DAW offen, und das fand ich das Coolste, für mich persönlich jedenfalls: Ich bat das Publikum, mit den Fingern zu schnipsen und „Sh sh sh sh sh sh sh“ (7/8!) zu sagen. Das würde dann in ein vorprogrammiertes Rhythmuspattern gepresst (zugegeben, das ist ein bisschen gepfuscht, aber 30 Minuten sind nur 30 Minuten…) und per Drumpads auf dem Arturia-Board abspielbar. So erblühte dann ´August In Me´, zweiter Track des Set, zu vollem Leben, der Albumversion sehr nahe.

Das alles konnte ich dann über ein In-Ear-Monitoring, das ich kurzerhand aus meinem Live-Band-Arsenal einfach mitschleppte. So konnte ich einen Click-Track hören, den das Publikum natürlich nicht mitbekam: Aber ich konnte so die Einsätze der Loops usw. perfekt timen und auf den verschiedenen Pedalen, Pads und Tastaturen im Time-Code eingebettet die Sounds automatisch wechseln lassen. Hätte ich das auch noch live versucht, hätte ich wohl die Nasenspitze nutzen und mit Mumeln auf Tasten zielen müssen.

Am Anfang stand eine Pianoversion von ´Lifeoscopy´ von ´Solipsystemology´, wirklich stripped down to the bones, die die melancholische Seite des Tracks in den Vordergrund stellte. Hier machte das Piano-Only Sinn: Ich genoss die Einfachheit und lief mich ein bisschen warm.

Nach ´August In Me´ mit seinen Herausforderungen an meine Steptanz-Künste (Cello mit Pedal, Loops abfeuern mit kleinem Finger, mit den Händen Klavier… und singen natürlich, wobei ein TC Helicon per Fußschalter Harmonievocals hinzufügen konnte… ächz), hatte ich einen Fehler auszubügeln: Ich hatte unvorsichtigerweise im t-Fanclub die Frage zugelassen, wer welches Cover hören wollen könnte. Heraus kam eine selbstmörderisch schwierige Liste von zum Teil nicht ganz ernst gemeinten Vorschlägen (hoffe ich!).

 

 

So nicht. Ich spielte sie (fast: ´My Heart Will Go On´ z.B. fiel raus, wurde scheinbar aber auch nicht vermisst) alle, wenn auch, äh, in Auswahl. Mit Piano und Stimme bewaffnet verging ich mich an nicht immer ganz bierernsten Teilen von ´Lamb Lies Down On Broadway´, ´Carpet Crawl´, ´Dreamer´, ´Invisible Touch´, ´Close To The Edge´, ´Heroes´ und ´The Space´. Da mich die Lichter ziemlich blendeten und die Ohrhörer des Monitorings 105dB an Schall von außen abschirmen, konnte ich nur hoffen, dass der Humor rüberkam: Der abschließende Applaus schien das aber zu bestätigen… Sollte jemand das wirklich ernst genommen haben, möchte ich mich an dieser Stelle in aller Form entschuldigen.

Naja, und dann… Ich wollte unbedingt ein CLOUDS CAN-Stück spielen, weil Dominik mich als Techniker begleitet hatte. Aber es durfte ja nur eine Person auf die Bühne, hatte Mike beiläufig erwähnt: siehe oben. ´On The Day You Leave´, mein Wunsch für den letzten Slot des 30min-Sets, brauchte aber so viel Orchester, dass ich unmöglich mit vier Gliedmaßen klarkommen konnte, egal, wie ich trainieren würde. Übrigens: Trainiert hatte ich ungefähr vier Wochen lang, um diese Koordinationsübung sicher auf die Bühne zu bringen. Mit Techniken, die Marco Minnemann sonst für Drummer empfiehlt. Liebe Trommler, ihr habt meinen tiefsten Respekt. Alter.

Nun, wir, äh, ich löste das Orchesterproblem durch, sagen wir: Tarnung.

 

Dom mit Maske und T

 

Tatsächlich war das auch Backstage ein großer Lacher. Neil, IQs grandioser Keyboarder, fragte mich nachher, ob nicht doch mehr als eine Person auf der Bühne gewesen sei, und ich konnte wahrheitsgemäß antworten, dass ich mich umgesehen hätte: Ich konnte nur mich selbst sehen. Dominik und ich spielten mit 3 Füßen und 4 Händen, das TC Helicon machte an geeigneter Stelle meine Stimme zum Chor: Und Technik macht möglich, wo Kompetenz versagt. Wir hatten einen ziemlich coolen Sound, jedenfalls InEar, und hatten, hoffentlich erkennbar mit Augenzwinkern, dem Prog-Bombast unsere eigene Note verpasst.

Ich persönlich habe den Abend sehr genossen und nachher auch ein paar Leute getroffen, für die das auch galt. Aber unsterblich machte den Abend das Lob des Maestros. Mike Holmes, in unnachahmlichem Holmes-Speak, lobte den Auftritt überschwänglich (wenn man Holmes-Speak kann, versteht man es!):

„Yep!“

And you can’t argue with „Yep!“. Was danach allerdings IQ ablieferten, war ganz banal grandios – ich werde wohl ewig Fan bleiben.

Thomas Thielen


Titel-Pic: Maarten Avontuur