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ESOTERIC – A Pyrrhic Existence

~ 2019 (Season Of Mist) – Stil: Progressive Funeral Doom ~


Die Briten ESOTERIC gelten als Pioniere des Funeral Doom, entwickeln nun bereits seit drei Jahrzehnten ihren kompromisslosen Sound und streben mit jeder Neuerscheinung nach einer erweiterten Form von Perfektion. Ultralangsame Kompositionen. Schwerfällige Akkordfolgen. Nervenaufreibende, tiefe Growls. Dabei haben sich die beiden Gründungsmitglieder Greg Chandler (Gitarre/Gesang) und Gordon Bicknell (Gitarre) stets als ein hervorragendes Team erwiesen, welches es ablehnt, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen.

ESOTERIC sind gerade dann besonders beeindruckend, wenn es darum geht, die Grundzüge ihrer Nischen-Klanglandschaft in Einklang zu bringen und sie mit progressiven musikalischen Merkmalen sowie eher genrekritischen Ritualen zu kombinieren. Das letzte Werk ´Paragon Of Dissonance´ (2011) war ein wirbelnder Monolith aus eiskaltem Doom, der in seiner Bewegung wie in eine gottlose Schwere geschmolzen schien. Die fünf Birminghamer formten einen revitalisierten Sound, indem sie stilvoll auch Elemente des Black und Post Metal sowie von Psychedelica mit einbanden. ´A Pyrrhic Existence´ folgt nun dem Weg seines Vorgängers und bekräftigt einmal mehr die Vitalität des Genres.

Der Begriff „Pyrrhos“ stammt bekanntlich aus dem Griechischen, und bezeichnet einen Sieg, der einen teuer zu stehen kommt. Diese Definition beschreibt auch ganz perfekt die Atmosphäre, die nahezu jedem Song des Albums innewohnt. Die gelungenen Kompositionen nutzen Verzweiflung, Furcht und Hoffnungslosigkeit und verschmelzen sie mit Zwietracht und Melancholie. Zu unfruchtbaren, nahezu unbewohnbaren Landschaften.

Der Opener ´Descent´ ist ein rund 27-minütiges Epos, das am ehesten als dünn besiedeltes Ödland beschrieben werden kann. Ein langsam kriechender Nomade, der unter der Wüstensonne zusehends verrottet. Der Song schlingert mit kurzen Momenten ruhiger Melodie, wird jedoch immer wieder durch Reibung und Dissonanzen durchbrochen. Der teils gequälte, teils gutturale Gesang Chandlers untermalt die geradezu verschlingende Intensität zusätzlich. Fiebrig und psychedelisch, als hätten sich PINK FLOYD in den tiefsten Strömungen des Funeral Doom verirrt.

Einen weiteren Höhepunkt bildet ´Culmination´ – ein Stück, das seinem Titel in jeder erdenklichen Weise gerecht wird. Seine blutigen Schreie und Marschrhythmen zeigen, wie eine Formation sich seine Meisterwerke schafft, und kombiniert eine gesteigerte Melodie mit subtilen Leads und immer kraftvoller werdenden Vocals.

´A Pyrrhic Existence´ ist mit seinen rund 100 Minuten Spielzeit ein gewaltiges Unterfangen, belohnt seine Zuhörer jedoch in jeder Sekunde für ihre Geduld, und lässt die Klangleinwand, je nach den damit verbundenen Stimmungen, immer wieder in neuem Licht erstrahlen. Momente trostloser Leere treffen oft auf dichte Farben der Neutralität, die musikalischen Linien bleiben stets klar und bekräftigend.

ESOTERIC erfinden die Welt des Untergangs dabei nicht vollends neu, sondern fügen einige bewährte und teils innovative Elemente zu einem glorreichen Trauermarsch – und der Sieg liegt dabei eindeutig im Dahinscheiden.

(8,5 Punkte)